
In zehn Jahren verelenden diese Menschen
Wenn abgewiesene Asylsuchende neu zehn Jahre warten müssen, bis sie ein Gesuch für eine reguläre Aufenthaltsbewilligung stellen, hat dies verheerende Folgen für die Integration. Dies sagt Refbejuso-Mitarbeiter Carsten Schmidt in einem Gastbeitrag in den Zeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung» - und lädt die Eidgenössischen Räte ein, diesen problematischen Entscheid zu korrigieren.
National- und Ständerat haben im Rahmen der ausserordentlichen Session Asyl einen Entscheid getroffen, der das Potenzial hat, zu einer gravierenden sozialpolitischen Hypothek zu werden, wenn er nicht noch korrigiert wird.
Die Annahme einer Motion mit dem einladenden Titel «Fehlanreize in der Asylpolitik reduzieren» (wer will das schon nicht?) hat kontraproduktive Effekte, die in ihrem Ausmass kaum überblickbar sind. Neu sollen abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers, aber auch vorläufig aufgenommene Personen doppelt so lange – mindestens 10 anstatt wie heute 5 Jahre – warten müssen, bis sie ein Gesuch zur Regularisierung ihres Aufenthalts einreichen können.
Das entspricht natürlich ganz dem Trend zu einer härteren und restriktiveren Migrationspolitik. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass viele der Parlamentsmitglieder, die die Motion unterstützt haben, erschrecken würden, wenn man ihnen das mit diesem Entscheid einhergehende menschliche Elend konkret vor Augen führen würde.
Viele im Flüchtlingsbereich engagierte kirchliche Mitarbeitende und Freiwillige sehen täglich, wie verheerend die Folgen der Langzeitnothilfe in Rückkehrzentren ohne jede Tagesstruktur und Perspektive für die betroffenen Menschen sind. Wenn es sich dabei dann noch um Familien mit Kindern handelt – es sind mehrere Hundert in der ganzen Schweiz – ist es besonders schlimm.
Leider ist das Härtefallgesuch für diese Kinder und Jugendlichen derzeit der einzige Ausweg.
Es ist gerade mal ein Jahr her, dass die Eidgenössische Migrationskommission in einer sorgfältig erstellten Studie aufgezeigt hat, welche grossen, lebenslangen Schäden insbesondere bei abgewiesenen Kindern und Jugendlichen in der Langzeitnothilfe entstehen. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben damals die politisch Verantwortlichen aufgefordert, rasch Abhilfe zu schaffen. Leider ist das Härtefallgesuch für diese Kinder und Jugendlichen aber derzeit nach wie vor der einzige Ausweg. Da sind 5 Jahre schon unerträglich lang – bei 10 Jahren verelenden diese Menschen derart, dass sie nachher nicht mehr in unsere Gesellschaft integrierbar sind. In der Schweiz bleiben sie trotzdem, fallen dann aber der Sozialhilfe zur Last, anstatt ein eigenständiges Leben führen zu können.
Dasselbe gilt auch für die vorläufig Aufgenommenen. Das sind keine Personen, die die Schweiz verlassen müssten, wie immer wieder behauptet wird, sondern Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die nicht individuell verfolgt wurden und deshalb keinen Anspruch auf Asyl im engeren Sinn haben. Auch diese Menschen bleiben zum ganz grossen Teil in der Schweiz.
Ein riesiger Motivator, sich gut und schnell zu integrieren und damit Teil unserer Gesellschaft und selbstständig zu werden, besteht für diese Menschen in der Aussicht, nach 5 Jahren eine reguläre Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, wenn sie die Ziele erfüllen. Diesen Ansporn nimmt man ihnen mit der Verdoppelung der Frist. Die Folgen tragen nicht nur die Betroffenen, sondern mit einer höheren Sozialhilfequote auch wir als Gesamtgesellschaft.
Der Bundesrat muss dem Parlament nun einen Vorschlag unterbreiten, wie die Motion umgesetzt werden soll. Das Parlament ist gut beraten, diese Gelegenheit zu nutzen, um auf seinen Entscheid zurückzukommen.
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