EKS Frauen- und Genderkonferenz 2025

Den Blick schärfen und geistreich reagieren - Tagung zum Thema Rassismus und Kirche

An der Frauen- und Genderkonferenz der EKS versammeln sich einmal jährlich Delegierte aus allen reformierten Landeskirchen und Fachbeauftragte aus Organisationen (Feministische Theologie, femmes protestantes, Genderarbeit der Hilfswerke etc.). Sie bilden sich jeweils zu einem aktuellen Thema an den Schnittstellen von Kirche und Gesellschaft weiter und diskutieren aus der Perspektive von Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit. Die Erkenntnisse werden in die je eigenen kirchlichen Kontexte zurückgetragen und leisten somit einen Beitrag zu Bewusstseinsbildung und kirchlichen Erneuerungen.

Von Miriam Neubert

Woher kommst Du wirklich?

Mit dieser gleichermassen bekannten und unpassenden Frage an Menschen mit nicht-weisser Hautfarbe tauchten die Teilnehmerinnen in das Thema ein. Anja Nunyola Glover, Soziologin, Antirassismustrainerin und Bestseller-Autorin zeigte damit auf, wie rassistische Mechanismen funktionieren. Wer stets gespiegelt bekommt, anders, fremd und irgendwie exotisch zu sein, wird sich nie wirklich zugehörig oder beheimatet fühlen können. Sie erinnerte an koloniale Verstrickungen, die in der Schweiz nie anerkannt oder aufgearbeitet wurden und die gerühmte Neutralität in einem schillernden Licht erscheinen lassen. Kirchen übernahmen dabei über die Missionsarbeit Denkmuster von einer weissen Überlegenheit und waren beteiligt an der Zerstörung von indigener Kultur, Religion und Sprache. 

Auf sehr persönliche Weise berichtete Aude Collaud, Pfarrerin der Waadtländer Kirche, wie sie mit Alltagsrassismus konfrontiert ist. Sie kam als Säugling aus Sri Lanka in die Romandie und wird bis heute regelmässig unvermittelt für ihre sehr guten Sprachkenntnisse gerühmt. Als Studentin suchte sie eine Anstellung in der Gastronomie und wurde erst ausgewählt, als sie auf persönliche Anfragen vor Ort verzichtete und sich telefonisch bewarb. Sie zeigte anhand einer Bibelstelle aus dem Hohelied und deren Übersetzung auf, wie sich dort bis vor wenigen Jahren rassistische Bilder gehalten haben. Collaud erinnerte an einen sensiblen Umgang im Miteinander in den Kirchgemeinden und mit Bibeltexten, da

der Blick eines Menschen auf sich selbst stets genährt ist von den Blicken der Anderen.

Schliesslich berichtete Katarina Stigwall aus einer HEKS-Beratungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung von ihrer konkreten Arbeit. Während 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung betonen, sich gegen Rassismus engagieren zu wollen, wären nur acht Prozent bereit, in Situationen konkret zu intervenieren. Sie zeigte auf, dass Rassismus im Alltag oft nicht als solcher erkannt oder benannt wird, obwohl bald jede fünfte Person in der Schweiz bereits rassistische Diskriminierung erlebt hat. Ein Drittel der Bevölkerung störe sich gemäss eidgenössischer Statistik an Menschen, die sie als «fremd» wahrnehmen, offensichtlich über die Hautfarbe. Sie zeigte die Verletzlichkeit ihrer Zielgruppe durch Mehrfachdiskriminierungen auf, wie z.B. nicht-weisse Hautfarbe in Kombination mit Behinderung, Armut oder Frausein.

Stigwall ermutigte zum konkreten antirassistischen Handeln, sobald Kommentare, Sprüche, Mikro-Aggressionen oder Witze an rassistische Muster anknüpfen. Es helfen schon schlichte Nachfragen «Was meinst Du damit? Warum sagst Du das?» statt wegzuhören. 

Insgesamt leistete die Konferenz vielfältige Beiträge zur Sensibilisierung in der kirchlichen Arbeit und zum Erkennen von strukturellem Rassismus. Eine erste Bewährungsprobe steht den Kirchgemeinden unmittelbar bevor: Wie werden die Rollen im Weihnachtsspiel verteilt und haben wirklich alle Interessierten dieselben Chancen auf jede Figur?

Kommentare

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.