Symbolbild Seelsorge

Damit die Seele wieder gesundet

Psychische Erkrankungen nehmen zu, nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Hier setzt die kirchliche Sozial-Diakonie an. Im Emmental werden Betroffene, Angehörige und Fachleute zu psychischer Gesundheit miteinander vernetzt und unterstützt. Denn sorgende Gemeinschaften werden immer wichtiger.

Von Karl Johannes Rechsteiner

«Psychische Erkrankung – sprechen wir darüber»

So lautete vor zwei Jahren der Titel eines Artikels in der Wochen-Zeitung für das Emmental und Entlebuch. Eine Studie der Universität Bern von 2022 ergab, dass 19 bis 31 Prozent der Jugendlichen zwischen elf und 21 Jahren sich psychisch belasteter fühlen als vor der Corona-Pandemie. Dieses Resultat bestätige ihre Erfahrungen in der Seelsorge, erklärt Manuela Grossmann, Pfarrerin in Langnau. Die Kirchgemeinde hat daraufhin das Thema angepackt. Sie organisierte in Zusammenarbeit mit den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn sogenannte «ensa-Kurse». Diese befähigen Laien, Erste Hilfe zu leisten, wenn eine psychische Krise eintritt. Die erstmals im oberen Emmental durchgeführten Anlässe stiessen auf ein enormes Echo, denn jeder zweite Mensch leidet im Laufe seines Lebens irgendwann an einer psychischen Krankheit. 

Psychische Erkrankungen dürfen wir nicht nur negativ sehen - sie sind auch Kunstwerke der Seele

Pfarrerin Manuela Grossmann
Ensa Logo

Was sind ensa Kurse?

Ensa Kurse sind Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit. 

Sie werden in der Schweiz seit 2019 als Präsenzkurs oder Webinar angeboten. Die Kursinstruktor:innen werden von Pro-Mente-Sana geschult. Die Evangelische Kirche Schweiz ist eine Vertragspartnerin. Damit können auch Kantonalkirchen Kurse anbieten. Die Teilnehmenden lernen Erste Hilfe zu leisten, wenn Menschen in ihrem Umfeld psychische Probleme durchleben. Sie üben, wie diese einfühlsam angesprochen und mit Fachstellen vernetzt werden können. 

www.ensa.ch

ensa Kurs im Haus der Kirche, März 2025

ensa Kurse im Kirchengebiet der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn:

441

Teilnehmende insgesamt

15

Kurse in Kirchgemeinden 

106

Teilnehmende an Kursen mit Fokus Jugend 

Erfolgreiche Kurse und erstes Vernetzungstreffen

Die Rückmeldungen auf die Weiterbildungen waren durchwegs positiv. Es wurde allen Beteiligten klar, wie wichtig die Sensibilisierung, Nothilfe für Betroffene und die Entlastung von Angehörigen sind. Es braucht Öffentlichkeitsarbeit, um eine Veränderung des Bildes von psychischen Erkrankungen voranzutreiben, denn sie bilden oft ein Tabu, über das nicht gerne gesprochen wird. Verständnis kann nur durch Verstehen entstehen. «Geh doch mal an die Sonne» oder «Reiss dich etwas zusammen» – gut gemeinte Ratschläge können Betroffene verletzen und eine Negativspirale verstärken. Umso wichtiger sind die Wissensvermittlung über psychische Erkrankungen und der Austausch von Menschen in ähnlicher Lage. 

Gleichzeitig sind jedoch manche Angebote kaum bekannt. Zudem bestehen wenig Vernetzungen von Fachstellen oder mit Menschen in ähnlicher Lage in der Familie oder am Arbeitsplatz. Selbst untereinander kennen sich manche Fachleute nicht. Das Bedürfnis nach Austausch ist also hoch. Folgerichtig trafen sich gut 30 Interessierte Ende Oktober 2024 in Langnau zu einem ersten Vernetzungsanlass. Die Erwartungen wurden beim ersten Treffen mehr als erfüllt, weil alle Beteiligten mit Herzblut mitmachten. «Es ist etwas in Bewegung gekommen», stellt Mitorganisatorin Helena Durtschi von den Reformierten Kirchen Bern-Jura- Solothurn fest. 

Gemeinsam können wir diese Themen weiterdenken und in der Gemeinde breiter abgestützt verankern

Pfarrerin Manuela Grossmann

Pioniere finden im Emmental zusammen

Noch ist es nicht üblich, dass Betroffene, Angehörige und Fachpersonen gemeinsam ihre Erfahrungen reflektieren. Das Emmentaler Netzwerk ist hier Pionierin und die Veranstaltung im reformierten Kirchgemeindehaus Langnau setzte ein starkes Zeichen. Denn ganz selbstverständlich kamen da unterschiedlichste Menschen miteinander ins Gespräch: Leute von Emmentaler Fachstellen aus Psychiatrie und Krisenintervention, für Ehe und Partnerschaft, von Spitex, Angehörigenberatung, Ärzte, die Stiftung Berner Gesundheit, Selbsthilfegruppen, Sozialdienste, Jugendarbeit, Erziehungsberatung, freiberufliche Pflegefachfrauen oder Gemeinderätinnen aus der Region. 

Das gegenseitige Kennenlernen der Organisationen und ihrer Angebote ist enorm hilfreich. Denn bei einem Beinbruch oder hohem Fieber finden Patient:innen rasch Hilfe in Notaufnahmen von Krankenhäusern oder via hausärztliche Dienste. Doch mit einer Depression, einer Zwangsstörung, einem Burnout oder einer Suchterkrankung ist oft auch nach einer klaren Diagnose guter Rat gefragt. Die Plätze in passenden Einrichtungen sind rar und Betroffene warten manchmal monatelang auf Hilfe. Auch Angehörige und Vertrauenspersonen von psychisch belasteten oder erkrankten Menschen stossen oft an ihre Grenzen und benötigen Unterstützung und Entlastung. Einige Betroffene erzählten an der Vernetzungstagung von solch belastenden Erfahrungen. 

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