ENSEMBLE Nr. / N° 66 - August / Août 2022

Gottesdienst − Warum und wie wir ihn feiern Le culte – Pourquoi et comment le célébrer? N r . / No 66 —— A u g u s t / A o û t 2 0 2 2 Das Magazin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Le Magazine des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure

Inhal t —– ENSEMBLE 2022/66 I N H A L T I M P R E S S U M ENSEMBLE — Magazin für mitarbeitende, ehrenamtliche und engagierte Mitglieder der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn / Magazine pour les membres engagés, collaborateurs et bénévoles des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure — Herausgeberin / Editeur: Reformierte Kirchen BernJura-Solothurn / Eglises réformées Berne-Jura-­ Soleure / Altenbergstrasse 66, Postfach / Case postale, 3000 Bern 22, ENSEMBLE@refbejuso.ch (auch für Abobestellungen) Erscheinungsweise / Parution: 5-mal pro Jahr / 5 fois par année — Auflage / Tirage: 7060 — Nächste Ausgabe / Prochaine parution: Ende September / fin septembre Redaktion / Rédaction: Adrian Hauser (verantwortlich / responsable), Nathalie Ogi, Alena Lea Bucher (rédactrices), Kirchliche Bibliotheken (Schaufenster), Tony Marchand (Cartoon), Rahel Gerber (Layout) — Übersetzungen / Traductions: André Carruzzo, Rolf Hubler (Deutsch), Gabrielle Rivier, Nadya Rohrbach, Matthias Siegfried — Korrektorat / Corrections: Renate Kinzl, Matthias Siegfried — Titelbild / Image de couverture: Reformierte Kirche Stettlen. Foto: Adrian Hauser Grafisches Konzept / Concept graphique: Neidhart Grafik, Klösterlistutz 18, 3013 Bern — Inhaltliches Konzept und Beratung / Concept du contenu et conseil: hpe Kommunikation, Sustenweg 64, 3014 Bern — Layout / Druck / Impression: Jost Druck AG, Stationsstrasse 5, Postfach 102, 3626 Hünibach 4 DOSSIER FRAGEN AN DEN GOTTESDIENST Questions relatives au culte 6 12 14 16 18 Warum feiern wir Gottesdienst? – Fünf persönliche Statements Pourquoi allez-vous au culte? – Témoignages Diversifier les formes de culte Vielfalt in die Gottesdienste bringen Ein ganz normaler Sonntag? Ich bin eher der Blumenstrausstyp Gottesdienste Hand in Hand gestalten 22 FOKUS Aktuelles aus Bern-Jura-Solothurn FOCUS Actualités de Berne-Jura-Soleure 34 KREUZ UND QUER Aus den Bezirken, Kirchgemeinden und dem Haus der Kirche DE LONG EN LARGE Régions, paroisses et Maison de l’Eglise 43 SCHAUFENSTER VITRINE

3 ENSEMBLE 2022/66 —– Edi tor ial Gibt es einen Gottesdienst, den Sie in besonders guter Erinnerung haben? Falls ja, aus welchem Grund? – Gibt es einen Gottesdienst, der sie überrascht hat? Wann empfinden Sie einen Gottesdienst als gelungen? – Müssen Gottesdienste schön sein? Wenn ja, wann ist ein Gottesdienst schön? In dieser Ausgabe des ENSEMBLE gehen wir der Frage nach, was einen Gottesdienst wertvoll macht, was er unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Gründen bedeutet. Kurz: warum es ihn allen Unkenrufen zum Trotz eben dennoch braucht! Obengenannte Fragen sind aus Max Frischs Fragebogen auf das Thema des Gottesdienstes abgeleitet. Er formulierte diese Fragebogen zu existenziellen Themen wie Freundschaft, Ehe oder Heimat, mit dem Gedanken, dass die Lesenden die Antworten darauf selbst finden. Und so ist es auch gemeint: Jeder und jede muss selbst eine Antwort finden, was der Gottesdienst persönlich mit einem macht, warum man ihn besucht, warum auch manchmal nicht. Die Pfarrerin Line Dépraz berichtet beispielsweise aus der Kathedrale Lausanne, dass sie den Gottesdienst als «Lunge unseres kirchlichen Lebens» betrachtet. Sie probiert immer wieder neue Formen aus, wie einen «stillen» Gottesdienst oder einen «dialogischen» Gottesdienst. Wir wagen auch einen Blick über den Tellerrand, wie es andere anders machen. Der reformierte Theologe Manuel Schmid berichtet, wie sich ein Sonntagmorgen mit einem ICF-Gottesdienst abspielt. Ehrenamtliche Prädikantinnen und Prädikanten berichten aus ihrer Sicht über den Gottesdienst. Sie sind längst keine Aushilfen oder Lückenbüsser mehr, sondern werden in der Kirche ernst genommen. Auch ihr Dienst ist ein Dienst am «göttlichen Wort». Und darum geht es wohl beim Gottesdienst. In welcher Form auch immer! Y a-t-il un culte dont vous gardez un souvenir particulièrement positif? Si oui, pour quelles raisons? – Y a-t-il un culte qui vous a étonné? Qu’est-ce qui fait selon vous qu’un culte soit réussi? – Les cultes doivent-ils être beaux? Si oui, en quoi consiste la beauté d’un culte? Dans cette édition d’ENSEMBLE, nous tenterons de comprendre ce qui fait la valeur d’un culte et quel est le sens qu’il prend, pour des raisons très différentes, pour chacune et chacun. Bref: pourquoi, en dépit de tous les avis contraires, le culte reste essentiel! Les questions évoquées plus haut s’inspirent du livre Questionnaires de Max Frisch et ont été adaptées au thème du culte. Dans ce livre, l’écrivain réunit des questions autour de thèmes centraux tels que l’amitié, le mariage ou la patrie auxquelles les lectrices et les lecteurs sont invités à répondre eux-mêmes. C’est d’ailleurs l’idée sousjacente. Nous devons trouver nous-mêmes une réponse à la question de savoir ce que le culte nous apporte personnellement, pourquoi parfois, nous y assistons et parfois non. La pasteure Line Dépraz par exemple qui célèbre des cultes à la cathédrale de Lausanne, explique qu’elle considère le culte comme le «poumon de notre vie ecclésiale». Elle expérimente régulièrement de nouvelles formes de culte, comme par exemple un culte «en mode silencieux» ou encore un culte «en dialogue». Nous irons aussi voir ce qui se fait ailleurs. Le théologien réformé Manuel Schmid raconte comment se déroule un dimanche matin à un culte d’ICF. Des prédicatrices et prédicateurs bénévoles témoignent de leur expérience du culte. Voilà longtemps qu’on ne les considère plus comme des auxiliaires ou des bouche-trous, mais qu’ils sont pris au sérieux au sein de l’Eglise. Leur ministère est lui aussi un ministère au service de la «parole divine». C’est bien là l’essence même du culte. Peu importe la forme! LIEBE LESERINNEN UND LESER CHÈRE LECTRICE, CHER LECTEUR F E D I T O R I A L Wir wünschen Ihnen eine spirituelle Lektüre Nous vous souhaitons une bonne lecture Adrian Hauser, verantwortlicher Redaktor / rédacteur responsable

4 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch druckte in seinem «Tagebuch 1966–1971» (SuhrkampVerlag 1972) elf Fragebogen zu verschiedenen Themen ab. Die Antworten sollten die Leserinnen und Leser selbst finden. Einen Fragebogen zum Thema Gottesdienst hat Frisch nicht formuliert. Wir tun es hier. Von Bernd Berger* und Matthias Zeindler** 1. Gibt es einen Gottesdienst, den Sie in besonders guter Erinnerung haben? Falls ja, aus welchem Grund? 2. Gibt es einen Gottesdienst, der Sie überrascht hat? 3. Wann empfinden Sie einen Gottesdienst als gelungen? 4. Müssen Gottesdienste schön sein? Wenn ja, wann ist ein Gottesdienst schön? 5. Was empfinden Sie in einem Gottesdienst als störend? 6. Welche Art von Gottesdienst passt zu Ihrer Persönlichkeit? 7. Finden Sie es wichtig, dass regelmässig Gottesdienst gefeiert wird, auch wenn Sie selbst nicht regelmässig hingehen? Warum finden Sie es wichtig? Warum nicht? 8. Gibt es Musikstile, die sich für einen Gottesdienst gar nicht eignen? 9. An welchem Ort würden Sie am liebsten einen Gottesdienst feiern? a. In einer alten Kirche b. Auf einer Alpweide c. In einem neutralen Raum d. Anderswo 10. Wie würden Sie Marketing für den Gottesdienst betreiben? 11. Würden Sie Ihre Nachbarin zu einem Gottesdienst einladen? Wenn nein, warum nicht? 12. Wemwürde etwas fehlen, wenn es keine Gottesdienste mehr gäbe? a. Der Kirche b. Mir persönlich c. Der Gesellschaft 13. Empfinden Sie das Image des Gottesdienstes als gut oder nicht? Wenn nicht, was würden Sie vorschlagen, um es zu verbessern? 14. Haben Sie schon einmal einen Gottesdienst mittendrin verlassen? Wenn nein, warum nicht? 15. Worauf würden Sie achten, wenn Sie selber einen Gottesdienst nach Ihren Wünschen gestalten dürften? 16. Haben Sie Verständnis für Menschen, die nie einen Gottesdienst besuchen? 17. Sollte man in einem Gottesdienst klatschen dürfen? Warum bzw. warum nicht? 18. Was für ein Film würde zum Thema Gottesdienst am besten passen? a. Tragödie b. Komödie c. Liebesfilm d. Dokumentation e. Andere 19. Ist es Ihnen wichtig, einen Gottesdienst als «Heimat» zu empfinden? 20. Ist es Ihnen wichtig, Gottesdienst mit Menschen zu feiern, die Sie kennen? 21. Wie wichtig ist Ihnen im Gottesdienst die Predigt? Und wann würden Sie eine Predigt als gut bezeichnen? 22. Macht es für Sie einen Unterschied, ob ein Gottesdienst von einer Frau oder einemMann geleitet wird? 23. Wenn Sie einen Gottesdienst besuchen, wissen Sie, wie Sie sich richtig verhalten? 24. Welchen Betrag legen Sie gewöhnlich in die Kollekte? 25. Schauen Sie während des Gottesdienstes auf die Uhr? * Leiter Weiterbildung pwb ** Leiter Bereich Theologie F R A G E N A N D E N G O T T E S D I E N S T In Anlehnung an Max Frisch

5 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er F Q U E S T I O N S R E L A T I V E S A U C U L T E D'après Max Frisch L’écrivain suisse Max Frisch a publié onze questionnaires sur différents thèmes dans son «Journal 1966–1971» (Suhrkamp Verlag, 1972). Les lectrices et lecteurs devaient trouver les réponses par eux-mêmes. Max Frisch n’a pas formulé de questionnaire sur le culte. Nous nous en chargeons ici. Par Bernd Berger* et Matthias Zeindler** 1. Vous rappelez-vous d’un culte qui vous a particulièrement plu? Si oui, pour quelle raison? 2. Avez-vous été surpris par une célébration? 3. A quel moment un culte est réussi, selon vous? 4. Est-ce que les cultes doivent être beaux? Si oui, quand un culte est-il beau? 5. Qu’est-ce qui peut vous déranger lors d’un culte? 6. Quelle sorte de célébration convient à votre personnalité? 7. Trouvez-vous important que des cultes soient célébrés régulièrement, même si vous-mêmes n’y allez pas fréquemment? Pourquoi? Pourquoi pas? 8. Y a-t-il des styles de musique qui ne se prêtent pas à un culte? 9. Quel serait votre endroit préféré pour célébrer un culte? a. dans une église ancienne b. sur un alpage c. dans un espace neutre d. ailleurs 10. Comment gérer l’aspect marketing d’un culte? 11. Inviteriez-vous votre voisine à un culte? Si non, pourquoi? 12. S’il n’y avait plus de cultes, qu’est-ce qui manquerait… a. à l’Eglise? b. à moi-même? c. à la société? 13. Selon vous, le culte bénéficie-t-il d’une bonne image, ou pas? Si non, que proposeriez-vous pour l’améliorer? 14. Avez-vous déjà quitté une célébration en plein milieu? Si non, pourquoi? 15. A quoi feriez-vous attention si vous pouviez concevoir une célébration comme vous l’entendez? 16. Comprenez-vous les personnes qui ne vont jamais au culte? 17. Devrait-on pouvoir applaudir lors d’une célébration? Pourquoi, ou pourquoi pas? 18. Quel type de film conviendrait le mieux au thème du culte? a. tragédie b. comédie c. film romantique d. documentaire e. autre 19. Est-ce important pour vous de ressentir le culte comme un «chez-soi»? 20. Est-ce important pour vous de célébrer un culte avec des personnes que vous connaissez? 21. Quelle importance accordez-vous au prêche lors d’un culte? Quand un prêche peut-il être qualifié de réussi? 22. Est-ce que cela fait une différence pour vous si un culte est dirigé par une femme ou un homme? 23. Lorsque vous assistez à une célébration, savez-­ vous comment vous comporter correctement? 24. Quelle somme donnez-vous en général lors de la collecte? 25. Regardez-vous l’heure pendant le culte? * Responsable du service de la formation continue ** Direction du secteur Théologie © Adrian Hauser

6 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 WARUM FEIERN WIR GOTTESDIENST? FÜNF PERSÖNLICHE STATEMENTS POURQUOI ALLEZ-VOUS AU CULTE? TÉMOIGNAGES So verschieden, wie Gottesdienste sein können, so verschieden sind auch die Meinungen und Haltungen dazu. Fünf Menschen stellen hier ihre Sicht dar und geben Einblick in ihr ganz persönliches Empfinden. Bernd Berger, Leiter Weiterbildung pwb Vor allen theologischen Gründen spielen bei mir Erziehung und Gewohnheit eine grosse Rolle. Die Kirche steht im Dorf, meine Familie ist traditionell christlich geprägt und man geht relativ regelmässig zum Gottesdienst. Dass der Gottesdienst das Zentrum des Gemeindelebens ist, hätte kaum jemand in Zweifel gezogen – auch wenn es daneben viele andere kirchliche Angebote gab. Der regelmässige Gottesdienstbesuch war mir religiöse Pflicht und Bedürfnis zugleich, mal überwog das eine, mal das andere. Als Pfarrer habe ich gerne Gottesdienste gestaltet und gefeiert, auch Trauungen und Abdankungen. Es ist ein besonderer Ort der Besinnung und des Nachdenkens darüber, was die biblischen Texte uns heute noch zu sagen haben und womit sie uns überraschen können, was Gott und Glaube mit unserem Leben heute zu tun haben. Gleichzeitig habe ich oft gemerkt, dass sich meine Sprache und meine Stimme im Gottesdienst verändert haben – ein pastoraler Singsang, gewisse Floskeln. Wir unterschätzen oft, wie tief verwurzelte Erfahrungen, aber auch Räume und Traditionen uns unbewusst im Gottesdienst prägen. Der Gottesdienst ist heute vielerorts eine Minderheitenveranstaltung. Trotzdem halte ich daran fest, dass er das Zentrum der Gemeinde ist. Gottes- «Als Pfarrer habe ich gerne Gottesdienste gestaltet und gefeiert.» «Comme pasteur, j’ai toujours aimé préparer et célébrer le culte.» © Mauro Mellone

7 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er dienst lebt von der Verheissung, dass Christus präsent wird – in seinem Wort, in Brot und Wein. Er lebt von der Verheissung, dass Gott sich ansprechen lässt und uns anspricht. Er lebt von der Erfahrung des gemeinsamen Singens, von der Musik und von der Stille. Wir müssen wohl neue Formen finden, die Räume den Zahlen anpassen und die Gestaltung ebenso. Ich wünsche mir eine einladende und leichte Atmosphäre. Ich möchte im Gottesdienst etwas lernen, aber nicht belehrt werden. Ich möchte zur Ruhe kommen, aber nicht eingelullt werden. Ich möchte bewegt werden, aber nichts erreichen. Interessante Fragen sind mir wichtiger als abschliessende Antworten. Wenn mir die Pfarrerin etwas zu sagen hat, hilft mir das mehr, als wenn ich zu allem Ja sagen kann. Manchmal gelingt das – mit Gottes Hilfe. Und auf jeden Fall verlasse ich mit Gottes Segen die Kirche. Das trägt. Franziska Huber, Beauftragte für Theologie Das ist immer wieder anders: Weil ich Danke sagen will für mehr, als ich allein ausdrücken kann. Weil Gott mir im Beten und Hoffen, Kopfschütteln und Schulterzucken meiner Sitznachbarin begegnen kann. Weil ich still werden möchte. Weil ich etwas gesagt bekommen will. Wegen des Kirchenkaffees und weil ich mir den Sonntagszopf verdienen möchte. Weil es andere irgendwo auf der Welt auch tun und wir so zusammen sind. Weil es die vor uns auch getan haben und ich das im Gottesdienst spüre. Weil ich manchmal hören möchte, dass es stimmt. Dass diese Welt nicht nur Krieg, Pandemie und Klimaerwärmung, sondern auch Gottes Reich ist. Weil ich möchte, dass meine Kinder diese Formen und Sprüche, Gebete und Lieder kennen. Weil wir das Unservater beten. Weil ich Schuld loslassen will. Weil ich manchmal doch irgendwie auf einen ewigen Klang und lebendige Worte hoffe. Miriam Neubert, Beauftragte für Personalentwicklung Pfarrschaft Warum ich Gottesdienst feiere? Weil ich Feiern generell liebe! Als Unterbrechung der Routine, als Wohltat für Leib und Seele, als Zusammensein mit anderen, jeweils mit Vorfreude erwartet und mit beschwingtem Nachklang im Alltag. Gottesdienste erlebe ich als Feier, wo Raum, Musik und Worte zusammenspielen. Wo ich mich aufgehoben fühle und meine Lebensthemen beleuchtet werden im Beten, Hören, Singen. Im Gottesdienst mit Kleinkindern erlebe ich so Staunen und Lebendigkeit. In Feiern mit Frauengruppen Inspiration, Sinnlichkeit und Kraft. Im Lager Verbundenheit, im Heim Abwechslung und Hoffnungsschimmer. Im Sonntagsgottesdienst begegnet mir wieder anderes: mal kraftvoll, mal besinnlich, manchmal eigenartig und verwirrend. Manchmal bleibe ich auch unberührt oder es regt sich gar Widerstand. Dabei erhoffe ich mir so vieles vom Gottesdienst. Für mich selbst möchte ich erinnert werden an meine Würde und meinen Wert bei Gott. Möchte von Verheissungen hören, vom Himmelreich, das unaufhaltsam kommt. Mich hingeben den Hoffnungsbildern, der Nahrung in Wüstenzeiten oder dem Baum an den Wasserbächen. Und hören von Gott, der die Menschen beim Namen ruft, vom Licht der Welt und von Geistkraft, die Freiheit ermöglicht. So möchte ich inspiriert werden für mein eigenes Leben. Kraft und Zuversicht tanken für die Versuche, dem Leben irgendwie gerecht zu werden. Mit anderen zusammen möchte ich Verbundenheit erleben und gemeinsam in die Lieder und Gebete einstimmen. Die Sonne der Gerechtigkeit und das Vertrauen in die neuen Wege herbeisingen und Gott um Segen bitten. Ich möchte mich als Teil der weltweiten Gemeinde Christi verstehen, zusammengerufen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten. Manchmal erfüllt sich im Gottesdienst etwas vom Erhofften. Manchmal verändert sich meine Haltung oder Perspektive. Irgendwie wirkt jede Feier nach. Und das ganz anders als erwartet. Christine Oefele, Beauftragte für Gottesdienst und Kirchenmusik An einer Fortbildung wurde ich einmal gefragt: «Lädst du eigentlich jemanden zum Gottesdienst ein, in den du selber gehst?» Mir fallen etliche gute (und weniger gute) Ausreden ein, warum ich da sehr zurückhaltend bin. Und wenn ich ehrlich bin: Manchmal bin ich selbst nicht recht überzeugt von dieser Art Veranstaltung, an der ich doch recht regelmässig teilnehme: Oft senke ich in Gottesdiensten mit meinen 50+ Jahren den Altersdurchschnitt der Anwesenden, immer wieder ist das Singen eine recht traurige Angelegenheit oder die Predigt einfach langweilig. Das kann man doch niemand zumuten! Ja, aber: Warum gehe ich denn selbst hin? Weil ich auch andere Erfahrungen mache: das Erlebnis, in der feiernden Gemeinschaft aufgehoben zu sein, ein Satz aus einer Predigt, der mich durch die Woche trägt, ein Lied, bei dem ich aus vollem Herzen mitsingen kann, eine berührende Abdankung, bei der die Auferstehungshoffnung spürbar wird, oder bei einem Abendmahl gar ein

8 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 kurzer Blick in den Himmel, eine Ahnung davon, wie es sein wird, wenn wir einst im Reich Gottes zu Tisch sitzen werden. Solche Erfahrungen sind es, warum ich die reformatorische Grundüberzeugung teile, dass der Gottesdienst unverzichtbares Grundmerkmal der Kirche ist. «Semper reformanda» – hier geht es also nicht um die Frage, ob Gottesdienst feiern heute noch zeitgemäss ist, sondern darum, wie Gottesdienst gefeiert werden kann, so dass er seine Funktion heute erfüllt: Zeit-Raum der Begegnung mit Gott und untereinander zu sein, in dem Gottes Wort gehört, geschmeckt und erfahren wird. Wie können Gottesdienste so gestaltet werden, dass sich heute Menschen gerne einladen lassen mitzufeiern, dass Gottes Wort für sie verständlich wird, dass sie von Herzen mitbeten und mitsingen? … und ich mich doch traue, jemanden dazu einzuladen? Semper reformanda? Im Vertrauen, dass Gottesdienst Gottes Sache ist und er schenkt, was nicht gemacht werden kann: Ich bin dabei und lade Sie dazu ein! Matthias Zeindler, Leiter Bereich Theologie Warum gehe ich in den Gottesdienst? Erste Antwort: Weil ich es brauche. Ich muss nicht jeden Sonntag einen Gottesdienst besuchen, aber spätestens nach zwei Wochen merke ich, da fehlt etwas. Zweite Antwort: Weil ich im Gottesdienst manchmal Momente des Glücks erlebe wie nirgendwo sonst. Momente, wo ich einen Kloss im Hals bekomme oder Tränen in den Augen habe. Das kann eine Liedzeile sein, ein treffender Gedanke in der Predigt, und immer wieder die letzte Zeile des Unservaters: «Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.» Ein unglaubliches Versprechen! Aber der wichtigste Grund, warum wir Gottesdienst feiern, ist nicht, weil wir es brauchen. Oder uns verpflichtet fühlen. Oder so erzogen sind. Sondern weil Gott will, dass wir feiern. Weil Gott will, dass wir vor ihm und mit ihm zusammenkommen. Und dort sagen, was uns freut oder was uns fehlt, was wir nicht verstehen oder woran wir leiden. Und vor allem: Dass wir auf ihn hören. Gott will dies, weil er nicht ohne uns Gott sein will. Und weil er seine Schöpfung nicht ohne uns gestalten möchte. Es gibt Menschen, die ohne Gott leben können und wollen. Gott aber will nur mit uns Menschen Gott sein. Und dann noch dieser Satz des grossen Theologen Karl Barth: «Der kirchliche Gottesdienst ist das Wichtigste, Dringlichste und Herrlichste, was auf Erden überhaupt geschehen kann.» Das klingt, je nach Geschmack, recht übertrieben oder ziemlich masslos. Aber aus Sicht des christlichen Glaubens ist der Satz einfach richtig. Denn Gott hat uns Menschen zur Gemeinschaft mit ihm geschaffen. Es gibt deshalb für uns Menschen nichts Besseres und Schöneres, als unsrerseits in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Und nirgends tun wir dies so intensiv wie im Gottesdienst, vor ihm, zusammen mit anderen Menschen. «Weil ich manchmal doch irgendwie auf einen ewigen Klang und lebendige Worte hoffe.» «Parce que j’espère quand même aussi parfois une sorte d’écho venu de l’éternité, des paroles vivantes.» © Refbejuso

9 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er F Les cultes sont aussi variés que les raisons d’y aller. Cinq personnes ont répondu à notre question et nous ont dévoilé leurs convictions intimes. Bernd Berger, responsable du service de la formation continue opf J’y vais plutôt parce que j’ai été éduqué de cette manière et par habitude que pour des raisons théologiques. Le temple est dans le village, ma famille est de tradition chrétienne et nous allons assez régulièrement au culte. Quand j’étais jeune, presque personne n’aurait remis en doute la centralité du culte, malgré de nombreuses autres offres ecclésiales. Aller au culte, pour moi, c’était alors un devoir religieux et un besoin, l’un ou l’autre prévalant selon les circonstances. Comme pasteur, j’ai toujours aimé préparer et célébrer le culte, y compris les cultes de mariage et d’enterrement qui offrent une occasion privilégiée de se demander ce que les textes bibliques ont encore à nous dire, en quoi ils peuvent encore nous surprendre aujourd’hui, et quel est le rapport entre Dieu, la foi et notre vie. En même temps, je me suis souvent fait la remarque que mon langage et mon intonation ont évolué, j’ai pris le ton pastoral, adopté certaines formules. Nous sousestimons souvent à quel point, lors du culte, des expériences profondément enracinées, des lieux et des traditions nous marquent inconsciemment. Aujourd’hui, dans bien des endroits, le culte ne rassemble qu’une minorité de personnes. Pourtant, je maintiens qu’il est central dans la vie de la paroisse: il vit de la promesse que le Christ est présent dans sa parole, dans le pain et le vin, que Dieu se laisse interpeller et nous interpelle. Il existe par l’expérience commune du chant, de la musique et du silence. Nous devons sans doute faire évoluer sa forme, adapter les lieux et leur aménagement à la fréquentation. Je rêve d’une atmosphère accueillante et légère, d’apprendre quelque chose sans subir un cours, de me sentir apaisé sans m’endormir, d’être mis en mouvement sans but précis: je suis plus sensible aux questions intéressantes qu’aux réponses définitives. Je préfère quand la pasteure m’interpelle que lorsque je peux dire oui et amen à tout. Parfois, avec l’aide de Dieu, le miracle se produit. De toute façon, je ressors du culte avec la bénédiction de Dieu, c’est porteur. Franziska Huber, collaboratrice spécialisée théologie Il y a mille raisons: dire merci pour ce que je n’arrive pas à exprimer seule, me laisser rencontrer par Dieu dans la prière et dans l’espérance, dans le hochement de tête de ma voisine de banc, trouver le silence, recevoir une parole, avoir mon café et ma tranche de tresse du dimanche, être en communion avec celles et ceux qui célèbrent aussi ailleurs dans le monde, me sentir reliée à celles et ceux qui étaient déjà là avant nous, entendre aussi parfois une parole positive, que ce monde n’est pas que guerre, pandémie et réchauffement climatique, mais aussi Royaume de Dieu, faire connaître à mes enfants ce rite, cette liturgie, ces prières, ces chants, prier le Notre Père en communauté, me libérer de la culpabilité. Et puis, j’y vais parce que j’espère quand même aussi parfois une sorte d’écho venu de l’éternité, des paroles vivantes. «Warum gehe ich in den Gottesdienst? Erste Antwort: Weil ich es brauche.» «Pourquoi je vais au culte? Première réponse: j’en ai besoin.» © Refbejuso

10 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 Miriam Neubert, chargée du développement des ressources humaines pour le corps pastoral Je vais au culte parce que j’aime les fêtes en général; je romps avec la routine, je me fais du bien au corps et à l’esprit, je suis avec d’autres. J’attends toujours le culte avec impatience et ses échos m’accompagnent ensuite toute la semaine. Pour moi, le culte, c’est une fête où le lieu, la musique et les mots sont en harmonie, où je me sens portée et où je vis ma quête existentielle dans la prière, l’écoute et le chant. Lors des cultes tous âges, je vois l’étonnement et la vitalité des tout-petits; dans les célébrations avec des groupes de femmes, je puise inspiration, sensualité et force; pendant les camps, je vis la solidarité, et à l’EMS, j’éprouve le changement et l’espérance. Le dimanche, c’est encore différent: le culte peut être puissant ou méditatif, parfois étrange et déroutant. Il m’arrive aussi d’y rester indifférente, voire de résister. En même temps, j’ai énormément d’attentes: à titre personnel, j’aimerais qu’on me rappelle que je suis digne et que j’ai de la valeur aux yeux de Dieu; qu’on me parle de promesses, du Royaume des cieux qui vient, d’images d’espérance, de nourriture en temps de sécheresse ou de l’arbre qui s’abreuve au cours d’eau, de Dieu qui nous appelle par notre nom, de la lumière du monde et de la force spirituelle qui rend libre. J’aimerais entendre ce qui m’inspire pour ma vie, faire le plein de force et de confiance pour essayer d’être, en quelque sorte, à la hauteur de l’existence. Et du point de vue communautaire, j’aimerais vivre le lien, chanter et prier avec d’autres; chanter le soleil de la justice et la confiance pour marcher sur des voies nouvelles, demander à Dieu sa bénédiction; me savoir membre de l’Eglise universelle du Christ, appelée moi aussi, quelle que soit mon histoire de vie. Parfois, le culte répond à certaines de mes aspirations. Il m’arrive de changer de regard. De toute façon, chaque célébration agit, bien au-delà de nos attentes. Christine Oefele, chargée du culte et de la musique d’Eglise Un jour, pendant une formation continue, on m’a demandé si je conviais des gens au culte. Dans la tête, j’ai aligné les arguments, plus ou moins valables, pour expliquer mes grandes réticences. Mais en toute sincérité, je dirais que je ne suis moi-même pas toujours convaincue par le culte même si j’y vais assez souvent: il arrive régulièrement que du haut de mes cinquante ans bien sonnés je fasse encore baisser la moyenne d’âge, que le chant soit calamiteux et que la prédiction soit d’un profond ennui. On ne peut infliger ça à personne! Mais alors, pourquoi y vais-je quand même? Parce que j’y fais aussi d’autres expériences: être relevée par la communauté en célébration, une phrase de la prédiction qui me porte toute la semaine, un cantique que j’arrive à chanter de tout mon cœur, un culte d’adieux touchant où l’espérance de la résurrection est palpable, une sainte cène qui m’ouvre une petite lucarne sur le ciel, un avant-goût du jour où nous serons assis à la table du Royaume des cieux. Et je partage la conviction fondamentalement réformée selon laquelle le culte est une caractéristique indispensable de l’Eglise. Semper reformanda, toujours en train de se réformer, il ne s’agit donc pas de savoir si la célébration du culte est encore d’actualité, mais de savoir comment elle peut continuer de remplir sa fonction, c’est-à-dire être un espace-temps de rencontre avec Dieu et entre nous, où la parole de Dieu est entendue, goûtée et expérimentée. Comment construire des cultes pour que les gens soient contents d’y être invités, que la parole de Dieu leur soit intelligible, qu’ils se joignent avec © Refbejuso

1 1 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er leur cœur à la prière et au chant? Et que j’ose les y inviter? Semper reformanda? Oui, et avec la confiance que le culte appartient à Dieu qui réalise ce que nous ne parvenons pas à réaliser. J’y vais et je vous y invite! Matthias Zeindler, directeur du secteur Théologie Première réponse: j’en ai besoin. Peut-être pas chaque dimanche, mais après deux semaines tout au plus, je ressens un manque. Deuxième réponse: il m’arrive d’y vivre des instants de bonheur comme nulle part ailleurs. Parfois, les paroles d’un cantique ou une idée parlante dans la prédication me mettent les larmes aux yeux, et systématiquement, j’ai une boule dans la gorge quand résonne la fin du Notre Père: «car c’est à toi qu’appartiennent le règne, la puissance et la gloire, aux siècles des siècles.» Quelle promesse incroyable! Mais la raison principale pour laquelle nous célébrons le culte ne tient ni à notre besoin, ni à une obligation, ni à notre éducation. C’est Dieu qui veut que nous le fassions. Il veut que nous nous présentions devant lui et que nous demeurions en sa présence. Que nous disions ce qui nous réjouit ou ce qui nous manque, ce que nous ne comprenons pas et ce qui nous fait souffrir. Et surtout, que nous l’écoutions. C’est la volonté de Dieu, parce que Dieu ne veut pas être Dieu sans nous. Et parce qu’il ne veut pas façonner sa création sans nous. Il y a des personnes qui peuvent et veulent vivre sans Dieu. Mais Dieu, lui, ne désire qu’une chose: être avec nous. J’emprunte encore quelques mots au grand théologien Karl Barth: «Le culte de l’Eglise est l’événement le plus important, le plus urgent et le plus merveilleux qui puisse se produire sur la terre.» Cela peut sembler exagéré ou démesuré. Mais du point de vue de la foi chrétienne, cette phrase est tout simplement juste. Car Dieu nous a créés pour être en communion avec lui. Il n’y a donc rien de mieux ni de plus beau pour nous que de vivre à notre tour en communion avec Dieu. Et hors du culte, il n’y a nulle part où nous vivons cette communion aussi intensément, devant Dieu, et avec d’autres. «Im Vertrauen, dass Gottesdienst Gottes Sache ist und er schenkt, was nicht gemacht werden kann.» «J’ai la confiance que le culte appartient à Dieu qui réalise ce que nous ne parvenons pas à réaliser.»

12 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 Pasteure à la cathédrale de Lausanne, Line Dépraz ose des cultes sortant de l’ordinaire. Avec succès, puisque le public est au rendezvous. La ministre nous livre sa vision de la cérémonie. Quelle est selon vous l’importance du culte? Le culte est primordial. Il reste le poumon de notre vie ecclésiale, mais aussi de la vie communautaire. Dans une société individualiste comme la nôtre, le rassemblement communautaire garde toute sa pertinence. C’est un moment de rencontre avec la parole qui vient nous décentrer. La confrontation au récit biblique est passionnante. Je pense qu’un texte n’a jamais fini de livrer sa signification. Le culte est un des axes importants de mon ministère. Dès mon entrée en fonction en 2019, je me suis interrogée sur la forme traditionnelle du culte et les «alternatives» à celui-ci en invitant plusieurs fois des laïcs. Le culte doit-il être renouvelé? Dans l’Eglise, nous avons de la peine à nous adresser aux gens. Nous restons bloqués dans un langage d’initiés, pétri d’allusions bibliques réservées à des connaisseurs. A la cathédrale, nous accueillons plutôt un public de passage. C’est pourquoi, nous avons entamé un travail de réécriture liturgique. Nous avons édité des liturgies et nous donnons aux gens un livret complet qui permet de lire et de s’approprier les textes. Nous tentons d’employer des mots de tous les jours afin qu’ils soient accessibles au plus grand nombre. Nous avons aussi travaillé sur le langage, en forme inclusive, de telle sorte que lorsqu’un pasteur prêche, il utilise le masculin et lorsque c’est une pasteure, elle a recours à la forme féminine. Pareil pour les participants. Nous employons par ailleurs beaucoup de textes dialogués: en tant qu’officiante je dis une partie du texte et l’assemblée y répond par une autre partie. Cela permet une participation plus active afin que le culte et la liturgie soient l’affaire de tout le peuple de Dieu et pas seulement l’affaire des ministres. Et cela fonctionne bien. Les gens sont reconnaissants. Vous organisez aussi des cultes spéciaux? A l’occasion des Jeux olympiques de la jeunesse en 2020, nous avons invité deux politiciens prêcher, l’un cantonal, l’autre municipal, l’un catholique, l’autre protestant, l’un de droite, l’autre de gauche. A Noël de la même année, nous avons organisé un «silent cult» qui permettait de respecter les restrictions sanitaires avec de courtes visites du public. A Noël dernier, j’ai organisé une prédication dialoguée avec le philosophe Alexandre Jollien. Cette année, pour le temps de la passion, nous avons invité des pasteures à prêcher sur les rencontres entre Jésus et des femmes dans l’Evangile de Jean. Cela s’est fait suite à une création musicale du chanteur Stéphane Blok et du musicien Théo Schmitt qui ont revisité la passion. A cette occasion nous avons aussi installé un jardin d’une cinquantaine d’oliviers dans le chœur de la cathédrale. Plusieurs artistes sont intervenus. Ce type de culte est-il la solution pour remplir les églises? On ne peut pas organiser des cultes spéciaux tous les dimanches, mais c’est possible à quelques grandes occasions. Nous devons aussi apprendre à diversifier les formes de culte. Ce dernier fait sens tant qu’il y a des gens rassemblés autour de lui. Si nous n’arrivons pas à réunir les gens, c’est qu’il y a un problème plus large dans notre Eglise. Je reste persuadée que les Eglises ont beaucoup de choses pertinentes à dire dans la société d’aujourd’hui. Encore faut-il oser et trouver la bonne manière de communiquer. L I N E D É P R A Z Diversifier les formes de culte

13 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er Line Dépraz D V I E L F A L T I N D I E G O T T E S D I E N S T E B R I N G E N Line Dépraz ist Pfarrerin in der Kathedrale Lausanne. Sie wagt es, ungewöhnliche Gottesdienste zu gestalten – mit Erfolg, sind die Anlässe doch sehr gut besucht. Die Pfarrerin gibt Einblick in ihre Vision von der Feier. Welche Stellung nimmt für Sie der Gottesdienst ein? Der Gottesdienst ist zentral wichtig. Er ist und bleibt gleichsam die Lunge unseres kirchlichen Lebens, aber auch der Gemeinde. In einer individualistisch geprägten Gesellschaft wie der unsrigen behält die gemeinschaftliche Versammlung ihre wichtige Stellung. Es ist ein Moment, in dem man auf das Wort trifft, das uns aus dem Zentrum rückt. Die Auseinandersetzung mit der biblischen Erzählung ist spannend. Ich denke, dass ein Text immer neue Deutungen liefert und nie zu Ende interpretiert ist. Der Gottesdienst ist eine der wichtigsten Aufgaben meines Amtes. Seit meinem Antritt 2019 habe ich die traditionelle Form des Gottesdiensts hinterfragt und nach «Alternativen» dazu gesucht. Ich habe zu diesem Zweck mehrmals Laien eingeladen. Muss der Gottesdienst erneuert werden? In der Kirche bekunden wir Schwierigkeiten, die Leute anzusprechen. Wir bleiben gefangen in einer Insider-Sprache voller biblischer Anspielungen, denen nur noch Kenner folgen können. In der Kathedrale empfangen wir in erster Linie ein «Laufpublikum». Aus diesem Grund haben wir uns daran gemacht, die Liturgie neu zu gestalten. Wir haben Liturgien gedruckt und überreichen den Menschen ein vollständiges Büchlein, in dem die Texte gelesen werden können und man sich mit ihnen vertraut machen kann. Wir versuchen, eine einfache, inklusive Sprache mit alltäglichen Worten zu verwenden. Wenn ein Pfarrer predigt, verwendet er die männliche Form, und wenn eine Pfarrerin predigt, verwendet sie die weibliche Form. Dasselbe gilt für die Teilnehmenden. Wir nutzen übrigens viele Texte in Dialogform: Als Person, die durch den Gottesdienst führt, sage ich einen Teil des Textes, und die Gemeinde antwortet mit einem weiteren Teil. Das ermöglicht eine aktivere Beteiligung, der Gottesdienst wird dadurch zu einer Angelegenheit des gesamten Volks Gottes und nicht nur der Amtsträger. Und das funktioniert gut. Die Leute sind dankbar. Organisieren Sie auch spezielle Gottesdienste? Aus Anlass der Olympischen Jugendspiele 2020 haben wir zwei Politiker – einen Kantonspolitiker und einen Gemeindepolitiker; einer katholisch, der andere protestantisch; einer bürgerlich, der andere links – eingeladen zu predigen. An Weihnachten desselben Jahres haben wir einen «silent cult» organisiert, bei dem das Publikum zu Kurzbesuchen geladen war, was es ermöglichte, die behördlichen Gesundheitsvorgaben einzuhalten. Vergangene Weihnacht habe ich eine dialogische Predigt mit dem Philosophen Alexandre Jollien durchgeführt. Dieses Jahr haben wir in der Passionszeit Pfarrerinnen eingeladen, Predigten abzuhalten zu den Treffen zwischen Jesus und den Frauen im Johannesevangelium. Die Predigt war die Weiterführung einer musikalischen Kreation des Sängers Stéphane Blok und des Musikers Théo Schmitt, die sich der Passion angenommen und sie neu interpretiert hatten. Für den Anlass haben wir zudem im Chor der Kathedrale einen Garten mit 50 Olivenbäumen eingerichtet. Am Anlass waren mehrere Künstlerinnen und Künstler beteiligt. Ist diese Art von Gottesdienst die Lösung, um die Kirchen wieder zu füllen? Man kann nicht jeden Sonntag einen Spezialgottesdienst organisieren, aber es ergeben sich manchmal Gelegenheiten. Wir müssen lernen, die Gottesdienste vielfältig zu gestalten. Der Gottesdienst behält seinen Sinn, solange sich Menschen zu und wegen ihm einfinden. Wenn wir es nicht schaffen, Menschen anzuziehen, weist das auf ein grösseres Problem in der Kirche hin. Ich bin überzeugt, dass die Kirchen in der heutigen Gesellschaft viele wichtige Dinge zu sagen und zu vermitteln haben. Wir müssen aber eine gute Art zu kommunizieren wagen und finden. © zVg

14 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 Die International Christian Fellowship (ICF) veranstaltet multimediale Events der Spitzenklasse. Die Gottesdienste decken das Bedürfnis nach Lebensnähe und Einflussnahme. Auch die ICF ist mit Herausforderungen konfrontiert. Von Manuel Schmid* Ein ganz normaler Sonntag 04.45 Uhr: Ich stehe auf, mache Kaffee, überfliege nochmals mein Predigtskript. Danach gehts mit dem Zug von Basel nach Zürich. Um 07.13 Uhr muss ich in der Celebration Hall der ICF-Gründerkirche sein, zum Soundcheck. Ich bin nicht der Erste vor Ort. Die Musiker sind auch bereits da und seit 03.30 Uhr laden Veranstaltungstechniker und andere Volunteers Equipment aus. Nach dem Soundcheck findet eine «Schnittstellenprobe» statt. Sämtliche Übergänge werden durchgeprobt: Der Auftritt der Moderatorin nach dem Einstiegsvideo wird auf die Sekunde getimt. Das anschliessende Gebet muss nahtlos in den ersten Song übergehen. Als Prediger wird mir erklärt, bei welcher Strophe ich mich bereit zu machen habe. Während der Predigt zählt ein Countdown meine verbleibende Redezeit herunter. Bei null betritt die Band die Bühne und begleitet den Übergang zum Gebet. Auch die Interventionen des Worshipleiters werden geübt. Bevor alle auf der Bühne Beteiligten für den Livestream in der Maske noch hergerichtet werden, gibts Frühstück. Dann gehts los mit der ersten «Celebration». Das Programm ist dicht: 9.00 Uhr Celebration für Frühaufsteher im Akustik-Setting (auf Hochdeutsch); 11.00 Uhr Celebration mit gleichzeitigem Kinderprogramm in fünf Altersstufen (auf Schweizerdeutsch); 15.00 Uhr «International Celebration» (auf Englisch); 16.30 Uhr «Spanish Celebration» (mit Übersetzung); 19.00 Uhr Abendcelebration (auf Schweizerdeutsch). Nach fünf Predigtauftritten und einem Bier nach der letzten Celebration reise ich um 22.30 Uhr erschöpft und erleichtert heim. Ein normaler Sonntag bei der ICF Church. Diese persönliche Erfahrung ist einige Jahre her und gibt einen Eindruck der ICF-Gottesdienste. Die Anzahl Gottesdienste und die Abläufe wurden seither angepasst. Die Merkmale und Werte bleiben aber gleich. Eventkultur Das augenfälligste Merkmal ist die Gestaltung als multimediales, Performance-orientiertes Event. Es kann laut, wild und mit Spezialeffekten daherkommen – was der ICF den Ruf einer «Disco-Kirche» eingebracht hat. Es kann aber auch ruhig, in einer «Wohnzimmeratmosphäre» zugehen. Für ICF-Gottesdienste stehen zeitgenössische Eventformate Pate, nicht traditionell-liturgische. Dabei will sich die ICF nicht bei den Jüngeren anbiedern, sondern christliche Gottesdienste neu denken. Mit der Eventkultur antworten die ICF Churches auf den Individualismus unserer Zeit. Sie bauen nicht auf Tradition oder Pflichtgefühl, sondern auf die persönliche Motivation, Teil einer G O T T E S D I E N S T E D E R I C F Ein ganz normaler Sonntag? ICF-Gottesdienst: Ein multimediales Ereignis. Culte d’ICF: un événement multimédia. © ICF

15 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er und merken, dass ihre Kompetenzen und Passionen geschätzt und benötigt werden. Hier schliesst sich der Kreis zur Eventkultur: der Gottesdienst als Multimediaevent mit einem enormen Mitarbeiteraufwand, der Möglichkeiten eröffnet, individuelle Begabungen im musikalischen, technischen, grafischen, organisatorischen und kommunikativen Bereich einzubringen. Herausforderungen Ich möchte diesen Beitrag mit dem Hinweis schliessen, dass auch und gerade auf Kirchen wie die ICF massive Herausforderungen zukommen. Zum einen verdankt sich ihr Erfolg einem «Überraschungseffekt». Dieser stellt sich ein, wenn traditionell sozialisierte Menschen einem Multimediaevent beiwohnen – der ICF-Claim lautet «Kirche neu erleben». Er setzt aber alte, verstaubte Erlebnisse mit Kirche voraus. Die neuen, nachchristlichen Generationen bringen diese nicht unbedingt mit. Sie haben keine negativen Erfahrungen mit der Kirche gemacht, sondern gar keine. Welches Gottesdienstkonzept auf sie passt, steht nicht fest. Zum anderen könnte es sein, dass hochtechnisierte, individualisierte Gemeindemodelle ihre eigenen Absichten unterlaufen. Der mit der Pandemie einhergehende Digitalisierungsschub hat gezeigt, wie schnell und selbstverständlich auf Videostreaming von Gottesdiensten umgestiegen wird. Beteiligungskirchen wie die ICF leben aber von der Community vor Ort. Die Möglichkeit, sich jederzeit in die Onlineangebote von Performancekirchen einzuklinken, kommt einer individualisierten Gesellschaft entgegen. Sie könnte aber erfahrungsorientierte, post-institutionelle Kirchen gefährden. Eine zeitgemässe Gestalt von Kirche zu finden und christliche Gottesdienste als Teilhaber unserer Gesellschaft und Kultur neu zu «erfinden», bleibt also eine gemeinsame Aufgabe derer, die das Christentum noch nicht als museales Kulturgut archivieren, sondern zukunftsfähig gestalten möchten. * Mitarbeiter RefLab ganzheitlichen Bewegung zu werden. Verbindlichkeit als Wert an sich ist bei den neuen Generationen schwach ausgeprägt. «Unsere Leute stimmen mit den Füssen ab», sagt man in der ICF gerne. Sie lassen sich nicht durch ein formales Zugehörigkeitsgefühl halten, sondern kommen und gehen nach Belieben. Die meisten sind in einer Landes- oder Freikirche aufgewachsen. In der ICF finden sie eine andere Art von Kirche. Hier ist keine institutionelle Mitgliedschaft, nur individuelle Überzeugung nötig. Lebensnähe Ein Blick auf ICF-Predigten macht deutlich: Sie wollen die Praxisrelevanz des christlichen Glaubens zeigen. Ganze Predigtserien beschäftigen sich damit, wie man mit schwierigen Menschen umgeht, was Beziehungen frisch hält, wie Sexualität gelebt werden kann, was das Christsein für Arbeit und Erziehung bedeuten kann. Sicher wird dabei die Grenze zur simplifizierenden «How to»-Anleitung nach US-Vorbild zuweilen überschritten. Die oft konservativen Werte im Bereich Sexualethik haben der ICF ausserdem viel schlechte Presse eingebracht. Darüber hinaus könnte man eine individualistische Engführung der Themen beklagen: Überindividuelle Probleme und soziale Missstände werden selten behandelt, politische Fragen meist ausgeklammert. Aber: Wer einen ICF-Gottesdienst besucht, fühlt sich persönlich angesprochen. Wichtig ist das für die «Distanzierten», die noch Mitglied einer Kirche sind, ihre Zugehörigkeit aber als belanglos wahrnehmen. Sie sollen im ICF die Überzeugung gewinnen, dass der christliche Glaube mitten in ihr Leben hineinspricht. Es versteht sich, dass mit dieser Lebensnähe die Bereitschaft der am Gottesdienst Beteiligten einhergeht, in Persönliches Einblick zu geben. Es darf in die Zweifel, Kämpfe und Hoffnungen der Pastorinnen und Pastoren hineingeschaut werden. Beteiligung Ein SRF-Interviewmit jüngeren Besuchenden zeigt, was die «Kultur der Beteiligung» für das (Über-) Leben der ICF bedeutet: Unisono sagten die Befragten, dass sie sich wegen der persönlichen Einflussnahme zugehörig fühlten. Die eigenen Begabungen einbringen zu können und nicht Zuschauende, sondern Beteiligte zu sein, ist entscheidend. Damit ist mehr gemeint als einfach: «Bei uns kann jeder anpacken und etwas schaffen.» Was junge Menschen begeistert ist, dass ihr Potenzial gesehen wird. Das macht auch zeitgeschichtlich Sinn: Je stärker der Individualismus, desto wichtiger wird es für Kirchenbesuchende, ihre Stärken und Begabungen einsetzen zu können. Menschen wollen an der Idee von «Kirche» beteiligt werden, möchten einen individuellen Betrag dazu leisten Verschiedene Sinne werden auf eine moderne Art angesprochen. Tous les sens sont sollicités par une mise en scène résolument moderne. © ICF

16 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 Prädikantinnen und Prädikanten: moderne Wanderpredigende, Aushilfen, Lückenbüsser oder Verkündigende auf Augenhöhe? Über diesen Dienst, den in den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn rund 40 Personen wahrnehmen, sprach André Stephany mit dem Prädikanten Br. Peter Pyrdok in Ralligen. Wie ging das bei dir los mit dem Prädikantendienst? Nach der Schule habe ich eine Gärtnerausbildung gemacht, einige Jahre gearbeitet und trat dann mit 20 Jahren ein in die Christusträger Kommunität, wo ich seitdem lebe. Es war erst 2013, dass dieser Gedanke mit dem Prädikantendienst aufkam. Da kam für mich ein Lebensabschnitt zum Ende und es ging in eine neue Runde in meinem Leben. Da ist das vertiefte Interesse an biblischen Texten und Liturgie aufgekommen und ich hatte das Gefühl, Gott will noch etwas Neues, mehr in mein Leben hineinbringen, hineinrufen. 2015 habe ich abgeschlossen und dann wurden wir in einer schönen Feier mit dem Dienst beauftragt. Wie hast du die Ausbildung wahrgenommen? Das war für meinen Glauben eine Horizonteröffnung. Ich habe begonnen, anders zu denken, weiter zu denken. Das hat meinen Glauben hinterfragt, aber auch bestärkt. Es hat einfach ganz Neues aufgeworfen und den Blick geweitet für die Menschen, denen ich dienen will. Ich hätte am liebsten nach der Ausbildung noch weitergemacht. Was siehst du als die Aufgabe einer Prädikantin bzw. eines Prädikanten? Meine Aufgabe sehe ich – das sage ich auch, obwohl ich nicht ordiniert bin – als ein Diener am göttlichen Wort. Als Mensch, mit dem, was ich erlernt habe, aber auch mit meinem ganzen Dasein. Mir ist wichtig, dass die Menschen Nahrung bekommen in den Gottesdiensten, von der sie nachher zehren können, und dass ich als Prädikant nicht vorne allein Zeremonienmeister bin, sondern wir miteinander Gottesdienst feiern. Prädikanten sind nicht Lückenbüsser, sondern eine Ergänzung und Abwechslung zu den Pfarrpersonen. Wir dürfen Gottesdienste kreativ selbstständig gestalten. Mir ist aber auch wichtig, dass wir nicht nur kommen wie bestellte Redner und nach dem Gottesdienst davonfahren, sondern auch mit der Gemeinde in Kontakt kommen und uns beim Kirchenkaffee hineinsetzen und mit den Leuten unterhalten. Wenn man dann mehrmals in der gleichen Gemeinde predigt, kann ein guter Kontakt zur Gemeinde entstehen. Wie gehst du vor, wenn du dich auf einen Gottesdienst vorbereitest? Ich orientiere mich meist an den Perikopen der EKD und somit am Kirchenjahr. Ich finde, die L Ü C K E N B Ü S S E R I N N E N O D E R V E R K Ü N D I G E N D E A U F A U G E N H Ö H E ? Ich bin eher der Blumenstrausstyp Ehrenamtlich Gottesdienste gestalten Die rund 40 Prädikantinnen und Prädikanten sind Menschen, die in besonderer Weise vom gemeinsamen Feiern begeistert sind. Jährlich leiten sie rund 300 Gottesdienste und bringen da ihre Begabungen in die Gestaltung ein. Für diese Aufgabe wurden sie im Rahmen von RefModula ausgebildet und besuchen eine jährliche Weiterbildung. Sie können durch die Kirchgemeinden direkt für Gottesdienststellvertretungen angefragt werden. Liste der aktiven Prädikanten und weitere Informationen: www.refbejuso.ch  Inhalte  Gottesdienst  Praedikantendienst Co-Beauftragte des Synodalrats für den Prädikantendienst: Pascal Känzig und Delia Zumbrunn Kommission: Rebekka Grogg, Irmela Moser, Frank Naumann, André Stephany und Magdalena Stöckli Der Gärtner in seinem Gewächshaus und sonntags als Prädikant am Predigen. Tantôt jardinier… tantôt prédicateur © zVg © zVg

17 ENSEMBLE 2022 /66 —– Doss i er führen ins Weite – jeden Sonntag etwas anderes – und helfen, dass ich nicht nur zu Lieblingstexten predige. Ich suche mir einen vorgeschlagenen Text aus und dann frage ich mich, soll es eine Themen- oder eine Blumenstrausspredigt sein? – ich bin eher der Blumenstrausstyp. Schon ein paar Wochen vorher fange ich an, mit dem Text umzugehen. Den muss ich richtig bebrüten. Da muss ich mir einfach Zeit lassen zur Vorbereitung. Es ist mir wichtig, dass die Gottesdienstbesuchenden merken, dass ich über Dinge spreche, die mich wirklich im Herzen bewegen. Was vom Herzen kommt, geht zu den Herzen. Die Liturgie gestalte ich gerne etwas festlicher und die Gemeinde weiss das und viele mögen die Abwechslung. Wie siehst du die Anerkennung eures Dienstes bei den Pfarrpersonen? Früher war der Dienst trotz Werbung noch weniger bekannt. Das ändert sich langsam. Bei Anerkennung und Wertschätzung, da hat sich schon was geändert, vor allem mit der jüngeren Generation von Pfarrpersonen. Unsere Pfarrer hier in Merligen beteiligen mich als Prädikanten bei der Erstellung des Gottesdienstplans von Anfang an, und einer von ihnen hat einmal gesagt: «Peter, du gehörst zu unserem Team.» Diese Sicht der Beteiligung hat mir richtig gutgetan. Da fühle ich, dass ich nicht allein unterwegs bin, sondern dazugehöre. Was sind deine Visionen und Wünsche für den Prädikantendienst der Zukunft? Ich könnte mir vorstellen, dass freiwillig zusätzliche Aufgaben möglich werden. Ich bin zum Beispiel nicht so der Typ für Taufen und Trauungen, aber mit einer guten Zusatzausbildung könnte ich mir vorstellen, Trauerfeiern zu gestalten. Bis jetzt ist das nicht möglich. Eine Stärke des Prädikantendienstes ist, dass ich nicht alles machen muss, sondern anbieten kann, was ich kann, wo ich gut bin. Eine Vision als Prädikant hat sich erfüllt: Kirchgemeinde, Kommunität und Prädikant haben 2022 die Osternacht geplant, gestaltet und gefeiert. Ich bin offen für das, was sich auftut an Ideen und Möglichkeiten für eine Kirche von heute und morgen, die Räume schafft, in denen Menschen Gott begegnen können. Der Geist soll tun können, was, wo und wie er will, damit Unvorstellbares, das wir nicht zu träumen wagen, Wirklichkeit wird. Gott lässt sich nicht lumpen. Br. Peter Pyrdok lebt in der Kommunität der Christusträger in Ralligen (www.christustraeger-­ bruderschaft.org). Er machte 2013 die Ausbildung zum Prädikanten. André Stephany ist Pfarrer und arbeitet am Institut für Praktische Theologie in Bern, wo er zum Thema «Ehrenamtliche Verkündigung in der Schweiz» promoviert (www.andre-stephany.com). «Der Prädikantendienst ist eine Bereicherung» Auch aus Perspektive der Pfarrpersonen hört man verschiedene Beschreibungen für das, was Prädikantinnen und Prädikanten sind und tun: willkommene Aushilfe, Konkurrenz, Kolleginnen und Kollegen in der Verkündigung. Über den Prädikantendienst aus Perspektive einer Pfarrperson sprach André Stephany mit Pfr. Martin Leuenberger (Merligen / Sigriswil). Wie würdest du diesen Dienst einer Person beschreiben, die ihn nicht kennt? Der Prädikantendienst, das ist nicht ein Nebenberuf, sondern ein geistlicher Dienst und damit eben nicht eine Konkurrenz, sondern eine Bereicherung. Ich sehe es einfach so, dass von der Schöpfung die Talente und Gaben so reich verteilt sind, man muss nur darauf achten. Achtet auf die Lilien des Feldes. Irgendwo in der Gemeinde hat jemand eine Begabung und vielleicht eine Berufung. Es geht darum, die Lilien am Wegrand zu entdecken, zu pflücken, so dass sie dann nachher strahlen können mit ihrer Gabe. Was ist das Besondere, das Prädikantinnen und Prädikanten in die Wortverkündigung bringen? Viele bringen einen ganz anderen Background und andere Alltagserfahrungen mit. Jemand ist Landwirt, jemand Buschauffeuse. Wenn sie aus dem schöpfen, dann ist das sehr spannend. Was sind deine Hoffnungen und Visionen für diesen Dienst und was können Pfarrpersonen dazu beitragen? Ich finde es wichtig, dass Menschen in den Gemeinden etwas verankert sind, vielleicht beim Kirchensonntag einbezogen werden. Ausserdem, dass Gemeinden eine Gelegenheit anbieten, um nach dem Gottesdienst noch zusammenzukommen. Schön ist es auch, wenn es eine Kontinuität gibt und Gemeinden Prädikantinnen und Prädikanten mehrfach anfragen. Als Pfarrperson bin ich beispielsweise an meinem Freisonntag in den Gottesdienst gegangen, den ein Prädikant gehalten hat. Ich glaube, so etwas ist auch ein wichtiges Signal. Martin Leuenberger ist seit Januar 2022 Pfarrer in Merligen / Sigriswil und war zuvor in Amsoldingen. © zVg

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