ENSEMBLE Nr. / N° 66 - August / Août 2022

18 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /66 K A N Z E L U N D O R G E L B A N K R Ü C K E N N Ä H E R Z U S A M M E N Gottesdienste Hand in Hand gestalten Ende Februar trafen sich Pfarrpersonen und Kirchenmusikerinnen und -musiker im Haus der Kirche zu einem Gespräch über die gemeinsame Sache Gottesdienst. David Plüss, Professor für Homiletik, Liturgik und Kirchentheorie der Uni Bern, und Sarah Brunner, Organistin an der Berner Petruskirche, äussern sich zum Verhältnis von Kanzel und Orgel. Pfarrerinnen und Pfarrer wie Musikerinnen und Musiker wünschen sich, gemeinsam die Verantwortung für einen Gottesdienst zu tragen. Von Christine Oefele* DAVID PLÜSS 1. Multimediales Gesamtkunstwerk! Die Ausbildung der Pfarrpersonen für die Leitung eines Gottesdienstes ist stark auf die Predigt ausgerichtet. Im Zentrum steht die Auslegung eines Bibeltextes im Medium der Sprache und des Sprechens. Diese Predigtfokussierung steht jedoch im krassen Gegensatz dazu, dass es im reformatorischen Verständnis die Gemeinde ist, die den Gottesdienst trägt, und zwar vor allem durch ihren Gesang. Und sie steht in Spannung zur Tatsache, dass auch reformierte Gottesdienste nicht nur Sprachereignisse sind, sondern auch Klang und Raum, Licht und Liturgie. Es handelt sich ummultimediale Gesamtkunstwerke, wobei der Gesang der Gemeinde von Anfang an eine zentrale Rolle spielte und bis in die Gegenwart spielt. 2. Der Spannungsbogen Gottesdienste werden von einer Gemeinde dann als stimmig und berührend erlebt, wenn sie einen Spannungsbogen enthalten, der der Gemeinde das Mitfeiern ermöglicht. Reisst er ab, stolpert die Gemeinde oder döst weg. Ein liturgischer Spannungsbogen lässt sich nur von Pfarrperson und Kirchenmusikerin oder -musiker gemeinsam gestalten. Dafür sind das je eigene Energiemuster einer Feier, das Verhalten und Sprechen der Pfarrperson und die Klanggestalt entscheidend. Übergänge und Pausen spielen eine entscheidende Rolle. Ob es sich um eine gefüllte, das Nachsinnen und Beten ermöglichende oder um eine peinliche Stille handelt, hängt vom Zusammenspiel zwischen Kirchenmusiker und Liturgin ab. Dazu ist nicht nur eine gemeinsame Vorbereitung notwendig, sondern auch ein gemeinsames Verständnis dessen, was in einem Gottesdienst geschehen soll, und zwar grundsätzlich und konkret. 3. Wer hat welche Rolle? Pfarrpersonen tragen die Hauptverantwortung für den Gottesdienst. Die Kirchenmusikerinnen und -musiker sind aber enge Verbündete. Sie kennen das Gesangbuch oft besser als die Pfarrpersonen und wissen, welche Gesänge bei welcher liturgischen Gelegenheit «funktionieren», und können – hoffentlich – den Gesang der Gemeinde anleiten. Viele Kirchenmusiker kennen sich auch in Liturgie und Theologie gut aus und sind dadurch die natürlichen Gesprächspartner der Pfarrerin und der Gemeinde bei liturgischen Gestaltungsfragen. Pfarrer und Kirchenmusikerin teilen sich die liturgische Leitung im konkreten Vollzug. Unnötig zu sagen, dass Scharmützel zwischen Kanzel und Orgelbank einer für die Gemeinde inspirierenden Kooperation abträglich sind. Die geteilte Verantwortung könnte zudem dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Pfarrperson der Kirchenmusikerin oder dem Kirchenmusiker am Schluss des Gottesdienstes nicht gönnerhaft, sondern aufrichtig dankt. SARAH BRUNNER 1. Anliegen teilen Auch wir Organistinnen und Organisten haben ein Interesse daran, dass in Zukunft noch Gottesdienste gefeiert werden. Dadurch liegt die Verantwortung für liturgische Fragen nicht allein bei den Pfarrpersonen, sondern auch bei uns. Durch unsere fundierte Ausbildung, in der wir uns neben der Musik auch mit der Theologie befassen, sind wir ausgewiesen, uns aktiv mit der Entwicklung der Gottesdienstform auseinanderzusetzen. Wir haben einen anderen, musikalischen Zugang zu derselben Tradition wie die Pfarrpersonen. Einen Austausch erachte ich immer als sehr fruchtbar. Aber auch die Gemeinde ist aktiver Teil des Gottesdienstes, weswegen wir gerne dazu aufrufen, mit uns ins Gespräch zu kommen. Nicht erst in letzter Minute, sondern grundsätzlich, um sich über die gemeinsame Suche nach Gott, Gemeinschaft sowie Kirchen- und Gottesdienstverständnis auszutauschen. 2. Der Gemeinde dienen! Liturgie heisst auch Dienst an der Gemeinde, worin ich meine Funktion als Kirchenmusikerin sehe. Der Gottesdienst ist keine Plattform für ein virtuo-

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=