Previous Page  13 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 13 / 36 Next Page
Page Background

13

ENSEMBLE 2016/5 —– Dossier

Was hat sich bei den Ausbildungen verändert?

Welchen Hintergrund hatten die Beratenden früher

und welchen heute?

Ursprünglich war es ja üblich, dass man beim

Pfarrhaus anklopfte, wenn man Hilfe gesucht hat.

Das kann man natürlich immer noch. Als man die

kirchlichen Beratungsstellen regional aufzubauen

und zu koordinieren begann, kam der Anspruch

nach einer Professionalisierung. Alle unsere

Beratenden haben eine theologische, eine psycho-

logische oder eine sozialarbeiterische Grundaus-

bildung sowie eine paartherapeutische Zusatzausbildung.

Welche Bereiche decken die Beratungen denn ab?

Gibt es auch Lücken?

Es sind eigentlich zwei Schienen. Zum einen

haben wir die psychologisch-therapeutische

Schiene, wo die Betroffenen in Beziehungsfragen

beraten werden. Die andere Schiene ist die recht-

liche Beratung. Dazu haben wir hier in Bern bei

den gesamtkirchlichen Diensten eine juristische

Fachperson, die das Angebot der regionalen Be-

ratungsstellen rechtlich ergänzt. Mit diesen bei-

den Bereichen kann man schon sehr viel ab­

decken.

Also bis hin zum Entwurf einer Scheidungs­

konvention ...

Nur, wenn sie mit dem Paar gemeinsam erar-

beitet wird und im gegenseitigen Einverständnis

zustande kommt. Unsere Juristin und Beauftragte

«Ehe Partnerschaft Familie» nimmt keine anwalt-

schaftlichen Handlungen vor. Hier ist eigentlich

die Grenze.

Wie hat sich das Bedürfnis der Betroffenen in den

letzten Jahren entwickelt?

Ich denke, heute geht man anders oder geziel-

ter auf die verschiedenen Anliegen der Ratsuchen-

den ein, als das früher üblich war. Dies auch, weil

es heute komplexer geworden ist.

Was ist komplexer geworden?

Die Gesellschaft ist komplexer geworden.

Das klassische Familienbild wurde aufgesprengt.

Man ist heute im Hinblick auf Geschlechterunter-

schiede und individuelle Bedürfnisse viel sensibler.

Generell haben wir es nach wie vor mit vielfältigen

Beziehungsfragen zu tun, wobei Kommunikation

in Paarbeziehungen und Konflikte im Paar- und

Familienalltag im Vordergrund stehen.

Dürfen denn beispielsweise auch gleichgeschlecht-

liche Paare in eine solche Beratung kommen?

Ja, natürlich. Immer dann, wenn es um Bezie-

hungen geht, sind wir die richtige Anlaufstelle. Es

können auch Generationensysteme kommen, also

Eltern mit Kindern oder Grosseltern mit Enkeln.

Die Beziehung muss nicht immer auf der Ebene

«Mann–Frau» sein. In allen Beziehungssystemen

können Probleme auftauchen.

Wie werden die Beratungsstellen finanziert?

Der Kanton ist gesetzlich dazu verpflichtet,

Eheberatungen anzubieten, und leistet folglich

einen finanziellen Beitrag. 22 Prozent der Kosten

sind über Leistungsvereinbarungen mit dem Kan-

ton abgedeckt und der Synodalverband leistet

einen Beitrag. Die restlichen Kosten werden einer-

seits von den kirchlichen Bezirken getragen, an-

dererseits durch freiwillige Beiträge und Spenden.

Die Betroffenen, die in die Beratung kommen,

leisten nach ihren Möglichkeiten einen freiwilli-

gen Beitrag. Bei den Trägerschaften der regionalen

Beratungsstellen wird von engagierten Kirchen-

mitgliedern zudem viel ehrenamtliche Arbeit ge-

leistet, die der Synodalrat herzlich verdankt! Die

Beauftragte «Ehe Partnerschaft Familie» bei den

gesamtkirchlichen Diensten in Bern koordiniert

und unterstützt die regionalen Trägerschaften wie

auch die Beratenden vor Ort. Hinzu kommt die

juristische Beratung. Damit leisten die Reformier-

©Rolf Siegenthaler

Claudia Hubacher