Previous Page  16 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 16 / 36 Next Page
Page Background

16

Dossier —– ENSEMBLE 2016/5

Die Psychologen Maja und Werner Schäppi

führen die Beratungsstelle «Ehe Partnerschaft

Familie» in Interlaken seit deren Gründung

im Jahr 1989. Sie erzählen, wo sie an Grenzen

stossen, was sich bis heute verändert hat

und was für sie selbst wichtig ist in einer

Partnerschaft.

Von Adrian Hauser

– Maja und Werner Schäppi sind

seit 35 Jahren verheiratet, haben zwei erwachsene

Söhne und ein Enkelkind. Seit über 26 Jahren be-

treuen sie gemeinsam die Beratungsstelle «Ehe

Partnerschaft Familie» in Interlaken. Beide wohn-

ten noch in Zürich, als Maja Schäppi den Anruf

eines Vorstandsmitglieds der Bezirkssynode Inter-

laken-Oberhasli erhielt. Maja Schäppi arbeitete

damals als Psychologielehrerin und als Einzel­

therapeutin, ihr Mann Werner Schäppi war Schul-

psychologe und Korrektor. Da die beiden sowieso

nach Interlaken, der Heimat von Maja Schäppi,

umziehen wollten, packte diese ihre Unterlagen

und reiste zum Vorstellungsgespräch. Der Rest ist

Geschichte: 1989 begann Maja Schäppi mit 25 Stel-

lenprozenten für die Beratungsstelle zu arbeiten,

1991 kam ihr Mann mit weiteren 25 Stellenprozen-

ten hinzu. Heute teilen sie sich ein Pensum von

110 Stellenprozenten, Werner Schäppi arbeitet

daneben immer noch als Korrektor.

Biografie aufarbeiten

Bei den Beratungen geht es um Probleme oder

Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen,

meistens in einer Partnerschaft. «Für das Führen

einer erfolgreichen Partnerschaft gibt es keine

Schulungen und kein Diplom», bringt es Maja

Schäppi auf den Punkt. In diese Lücke springt die

Beratungsstelle. «Neben Kommunikationsschwie-

rigkeiten belastet oft Unverarbeitetes aus der

Vergangenheit die Partnerschaft», erklärt Maja

Schäppi. Das können etwa emotionale Verwahr-

losung oder Gewalterfahrungen in der Kindheit

sein. Hier geht es darum, die eigene Biografie

aufzuarbeiten, was die Beziehung sehr entlasten

kann. «Aber auch externer Stress kann eine Part-

nerschaft negativ beeinflussen», erklärt Werner

Schäppi, «etwa Geldknappheit, Schulden oder

Überforderung am Arbeitsplatz.» Etwas hat sich

in den Augen des Psychologenpaares über die

Jahre wesentlich verändert: «Das ganze Leben

und damit auch die Freizeit ist heute durchpro-

grammiert, was zu Stress statt Erholung führt.»

Hinzu kommen die unzähligen Angebote der

wachsenden «Ablenkungsindustrie» wie bei-

spielsweise der Unterhaltungselektronik. «Was

hingegen geblieben ist», sagt Werner Schäppi,

«unsere Klienten wollen immer etwas Hilfreiches

in Gang setzen.»

«Guthaben» von 35 Ehejahren

Bei ihrer Beratungstätigkeit stossen die beiden

manchmal auch an Grenzen. Werner Schäppi:

«Beispielsweise dann, wenn es um für mich extrem

fremde Kulturen geht.» Maja Schäppi stösst an

persönliche Grenzen, wenn sie erlebt, wie Kinder

unter der Trennung ihrer Eltern leiden, weil sie

nicht angemessen betreut oder versorgt werden.

«In solchen Fällen spreche ich das gegenüber der

Klientin oder dem Klienten offen aus», sagt Maja

Schäppi. Umso mehr freuen sie sich, wenn ein Paar

Verantwortung übernimmt und nach einer

schwierigen Phase wieder zusammenfindet.

Dass sie selbst ein Paar sind, erachten Herr

und Frau Schäppi eher als Vorteil: «Wir haben

quasi ein Guthaben von 35 Ehejahren und wissen,

wie sich verschiedene Phasen einer Beziehung

anfühlen.» Grundsätzlich kommen sie gut aus

miteinander, die Organisation von Privat- und

Berufsleben klappt meist reibungslos. «Vielleicht

haben die Leute deshalb mehr Vertrauen in uns»,

sagen sie. Und was ist denn für sie wichtig in

einer Partnerschaft? Akzeptanz der Eigenheiten

des anderen, Freundschaft, Verlässlichkeit – und:

Humor!

P O R T R Ä T B E R A T U N G S S T E L L E

«Hilfreiches in Gang setzen»

©Mauro Mellone

Werner und

Maja Schäppi