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ENSEMBLE 2016/5 —– Dossier

©Michael Stahl

Die Kirche ist

auch in schwierigen

Zeiten da.

L’Eglise est aussi là

dans les moments

difficiles.

ergänzt das beraterisch-therapeutische Angebot

in den Regionen. Es geht um Themen, die im er-

weiterten Familienkontext stehen: Trennung,

Scheidung, ein Konkubinat oder eine bevorstehen-

de Heirat. Aber auch erbrechtliche oder vormund-

schaftliche Fragen werden behandelt.

Die telefonische Rechtsberatung steht nach

Terminvereinbarung allen offen und dauert eine

halbe Stunde.

Einen Termin für eine persönliche Rechtsbera-

tung bei der Juristin erhalten nur jene, die zuvor

in einer regionalen Beratungsstelle waren und von

dort an die Rechtsberatung weiterverwiesen wer-

den. Das hat durchaus seine Vorteile: «Jene Paare,

die bereits eine Beratung hinter sich haben, sind

oft besser vorbereitet, haben ihre Schwierigkeiten

oder Verletzungen thematisiert und womöglich

schon aufgearbeitet», erklärt Miriam Deuble, Be-

auftragte EPF bis September 2015. Geht es um eine

Trennung oder Scheidung, so liegt der kirchliche

Auftrag darin, dass sich das Paar möglichst fried-

lich trennen kann und das Kindeswohl optimal

berücksichtigt wird. Nicht zum kirchlichen Auf-

trag gehört die Vertretung einer Partei bei hoch-

strittigen Scheidungen.

«Schritt zu mehr Nähe»

Doch im Idealfall arbeitet die Kirche präventiv und

bringt Paare in einer Krisensituation einander

wieder näher. Das ist gemäss dem am Anfang er-

wähnten Jahresbericht 2014 der regionalen Bera-

tungsstellen durchaus möglich:

«Manuel und Anna sind beide bald vierzig,

beide berufstätig und beide nach einem langen

Tag oft hundemüde. Alles ist perfekt organisiert,

die Betreuung der drei kleinen Kinder gut ein­

gefädelt und trotzdem geht es ihnen nicht

gut: Er vermisst ihre Zuwendung, sie sein Ver-

ständnis.

Die schwierige Situation beginnt sich erst dann

wesentlich zu ändern, als sie ihm während eines

Beratungsgesprächs erzählt, wie traurig und ver-

letzt sie sei, weil er das dritte Kind gar nicht ge-

wollt habe. Und wenn dieses Kind, heute ein paar

Monate alt, bisweilen so schreie und nicht schla-

fen wolle – überhaupt: wenn sie überfordert sei

mit den Kindern –, dann getraue sie sich gar nicht,

ihm das zu sagen oder um Hilfe zu bitten. Aus

Angst, dass er ihr dann sagen würde, er habe ein

drittes Kind immer für eine Überforderung gehal-

ten. Deshalb könne sie ihm auch keine Zuwen-

dung mehr geben.

Als der Ehemann das hört, ist er perplex und

schweigt eine Weile. Dann steht er auf, umarmt

seine weinende Frau und gesteht, dass es für ihn

tatsächlich schwierig gewesen sei, als das jüngste

Kind zur Welt kam, ja, dass er es nach wie vor

anstrengend finde. Aber dass er dieses Kind gleich-

zeitig über alles liebe – genauso wie die beiden

andern. Diese Klärung ist der erste Schritt zu mehr

Nähe.»