Seelsorge - Beratung - Begleitung - page 4

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Inhaltliche Grundlage: Seelsorge, Bera-
tung und Begleitung im Lebensraum
Kirchen haben in den letzten Jahrzehnten grosse
Anstrengungen unternommen, die Qualität der
Seelsorge von Pfarrerinnen und Pfarrern durch
Aus- und Weiterbildung zu verbessern. Seelsorge
ist mehr und mehr zum Markenzeichen kirchli-
cher Arbeit geworden. Kirchen haben aber noch
mehr zu bieten als professionell qualifizierte
Seelsorge.
Bereits im Neuen Testament wird Fürsorge für
andere als Aufgabe der ganzen Gemeinde ver-
standen. Christinnen und Christen sollen einan-
der einladen, bitten, ermuntern, trösten (griech.
parakalein); sie sollen einander ermahnen und
warnen (griech. nouthetein); sie sollen einander
kräftigen, fördern und stärken (griech. oikodo-
mein). Ja, dieses „allälon“, dieses „Einander“, ist
geradezu ein Kürzel für das, was in einer Ge-
meinde als Seelsorge gelebt werden kann. Wie
ein Glied nicht ohne das andere leben kann, sind
Menschen in der Gemeinde aufeinander ange-
wiesen, werden sie einander zu Nächsten und
werden sie so füreinander zu Seelsorgenden, im
Rahmen einer im Glauben verankerten Gemein-
schaft (griech. koinonia). Gemeinde wird damit
zum Subjekt der Seelsorge in einem weiten Sinn.
Was Seelsorge in der Kirche bedeutet, kann also
über die von Pfarrpersonen angebotene Seelsorge
hinaus ausgeweitet werden. Gewiss, Seelsorge
geschieht in der professionellen seelsorglichen
Begleitung von Familien bei Kasualien, in der
Spitalseelsorge oder im Care Team. In einer
„koinoniazentrierten“ Sicht von Seelsorge werden
aber weitere Formen der gegenseitigen Unter-
stützung sichtbar. Neben der Seelsorge in einem
engeren Sinn, welche als Lebensdeutung im
Horizont christlichen Glaubens verstanden werden
kann, finden sich hier zumindest zwei weitere
Grundformen der Hilfe: Beratung als themen-
und problemspezifische Unterstützung von Men-
schen in psychosozialen Krisen ihres Lebens und
Begleitung als alltagsnahes „Mit-Einander", als
Nahe-Sein, gegenseitiges Unterstützen, Motivie-
ren, Inspirieren, Entlasten und Trösten von Men-
schen.
Im sozialdiakonischen Dienst, aber auch in der
Katechetik beschäftigen Kirchgemeinden Berufs-
leute, die darin geschult sind, Menschen in ganz
spezifischen Krisensituation beizustehen: bei
finanziellen und sozialen Problemen, bei Jugend-
lichen und bei alten Menschen – und auch bei
denen in der „Mitte des Lebens“. Die Kirche hat
aber auch auf regionaler Ebene Beratungsdienste
aufgebaut, insbesondere Beratung bei Schwie-
rigkeiten in Ehe, Partnerschaft und Familie.
Diese Beratung kann Menschen in der Kirche
unbürokratisch, alltagsnah und oft auch unent-
geltlich zugänglich gemacht werden.
Viele Kirchgemeinden haben zudem Besuchs-
dienste, Selbsthilfegruppen oder niederschwellige
Kontaktangebote wie einen Alterstreff aufgebaut,
die es Menschen möglich machen, einander im
Alltag zu begleiten, zu unterstützen und zu trös-
ten, ohne dass dies an eine Ausbildung oder
eine Anstellung gebunden ist.
Die Zuordnung dieser Angebote kann veran-
schaulicht werden (vgl. Abb. Seite 5). Seelsorge,
Beratung und Begleitung überschneiden sich,
sind aber nicht deckungsgleich. So werden Men-
schen auch in der Seelsorge in konkreten
Schwierigkeiten und bei der Suche nach Lösun-
gen beraten. Beratung in der Kirche hat manch-
mal auch seelsorgliche Akzente, wenn es darum
geht, Menschen in einer Krisensituation darin zu
unterstützen, im Horizont des christlichen Glau-
bens in ihrem Leben neuen Sinn zu finden.
Genauso kommen auch in alltäglicher, gegensei-
tiger Begleitung brisante Themen des Lebens
und Glaubens zur Sprache. Und trotzdem haben
diese drei Grundformen der Unterstützung je ihr
eigenes Profil, leisten sie Unterschiedliches und
ergänzen einander so. Sie werden auch von
unterschiedlichen Gruppen in der Kirche getra-
gen und angeboten: Seelsorge in einem engeren
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