Seelsorge - Beratung - Begleitung - page 17

fragt ihn direkt, was mit ihm los sei. Wütend
blitzt sie Kevin an: „Das geht Sie gar nichts an
und überhaupt, von diesem Scheissgott will ich
gar nichts mehr hören, der hilft uns auch nicht
weiter!“ „Was und wie sollte denn deiner Mei-
nung nach dieser Gott euch helfen?“ fragt Frau
R.
Trotzig blickt Kevin Frau R. ins Gesicht: „Warum
ist meine Mutter krank geworden? Warum ist sie
jetzt ins Spital? Warum hilft da keiner? Ist das
gerecht?“
Der Bann ist gebrochen, Frau R. bekommt jetzt
eine lange Geschichte zu hören. Kevin ist mo-
mentan allein zu Hause, seine alleinerziehende
Mutter liegt im Spital, eine Nachbarin im gleichen
Haus schaut zu Kevin, da diese aber keinen Platz
hat, muss Kevin am Abend allein in seiner Woh-
nung schlafen; verlegen gibt er zu, dass er Angst
hat.
„Würde es deine Mutter freuen, wenn ich sie im
Spital besuche?“ fragt Frau R.
Kevin nickt; sie verspricht, bei Kevins Mutter im
Spital vorbeizuschauen. Sie erkundigt sich nach
Kevins Handynummer und gibt ihm ihre eigene;
wenn er Angst hat, darf er sie jederzeit anrufen.
„Schick mir heute Abend eine SMS wenn du ins
Bett gehst. Ich rufe dich dann zurück – einver-
standen?“ Kevin nickt.
Frau R. will am nächsten Tage bei ihrem Spital-
besuch klären, wer aktuell in welcher Beziehung
zu der kleinen Familie steht, wer wann und wie
hilft oder helfen könnte.
Die Katechetin weiss, dass sie da nicht allein
helfen kann. Sie wird sich nach dem Spitalbe-
such mit dem Pfarrer in Verbindung setzen.
4.5.
Praxisbeispiel (Sozialdiakon/in)
Am Mittagstisch äussert sich Herr S. auf rassisti-
sche Art über sein tiefes Einkommen und die
fehlende Unterstützung durch den Sozialdienst.
"Die haben mich abgewiesen mit meiner Zahn-
arztrechnung, die ich nicht bezahlen kann. Ich
habe wohl die falsche Hautfarbe." Der SD geht
auf den rassistischen Ausspruch ein und klärt
den genauen Sachverhalt. Die Sozialdienste
haben Herr S. zu recht nicht unterstützt. Er ver-
dient genug, um seinen Grundbedarf zu decken.
Bei der Erstellung eines Budgets zeigt sich aber,
dass neben dem Grundbedarf zu wenig übrig
bleibt, um die Zweitausbildung und das Autolea-
sing zu finanzieren. Die Situation wird durch ein
zinsloses Darlehen für die Ausbildung entschärft.
Herr S. hat zudem Glück mit einem Gesuch bei
einer Stiftung. Diese erstattet ihm 3/4 der Zahn-
arztrechnung zurück.
4.6.
Praxisbeispiel mit Triage
(Sozialdiakon/in – Pfarrer/in)
Eine Frau möchte Beratung für Sterbehilfe. Sie
meldet sich bei der SD, da sie befürchtet, dass
die Pfarrperson ihr ohnehin abraten würde. Die
SD nimmt Rücksprache mit der Pfarrperson und
sie besprechen das Vorgehen. Im Gespräch mit
der Frau kann die SD deren Befürchtungen be-
züglich einer vorgefassten Meinung der Pfarrper-
son entschärfen, die Frau ist einverstanden, die
Frage mit der Pfarrperson zu besprechen. Im
Gespräch mit der Pfarrperson erlebt sie diese
sehr einfühlsam und offen und kann ihr Anliegen
gut einbringen. Ihre Rückmeldung ist sehr positiv.
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