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ENSEMBLE 2017/15 —– Dossier

Produktivitätssteigerung, die es braucht, um ge-

rade auch international mithalten zu können.

Auf welche Branchen hat sich denn die Digitali-

sierung besonders ausgewirkt?

Generell können wir davon ausgehen, dass

kaum ein Wirtschaftssektor von der Digitalisie-

rung unberührt bleibt. Die Digitalisierung ist im

Kern eine Weiterentwicklung der Informations-

und Kommunikationstechnologien, die sich in den

90er-Jahren durchgesetzt haben. Deshalb ist es

schwierig zu sagen, wo sich die Digitalisierung

wie niedergeschlagen hat. Ferner ist der tech­

nische Fortschritt nicht der einzige Treiber des

Strukturwandels. So sind die Globalisierung, der

demografische Wandel und auch die Veränderung

der Werte ebenfalls zentral. Starke Veränderungen

gab es im verarbeitenden Gewerbe und im kauf-

männischen Bereich. In beiden Bereichen gingen

in den letzten zehn Jahren zahlreiche Stellen ver­

loren.

Gleicht sich der Stellenabbau aus, wenn man den

gesamten Arbeitsmarkt betrachtet? Gibt es in

einigen Bereichen weniger Stellen, dafür in ande-

ren mehr?

Wenn man die letzten grossen technolo­

gischen Umwälzungen betrachtet, so ergab sich

unter dem Strich immer ein Beschäftigungszu-

wachs. In der Schweiz entstanden in den letzten

20 Jahren 800 000 zusätzliche Stellen. Und dies

trotz der zunehmenden Automatisierung. Die Pro-

duktivitätssteigerung führt auch zu einer zusätz-

lichen Nachfrage und diese zu neuen Stellen.

Wie hat sich denn die Arbeitslosenquote in den

letzten Jahren entwickelt?

Bei der Arbeitsmarktbeobachtung sind meh-

rere Kenngrössen zentral: einerseits die Arbeits­

losigkeit, aber auch die Erwerbsbeteiligung, das

heisst, wie viel Prozent der Bevölkerung im er-

werbsfähigen Alter überhaupt arbeiten. Bei der

Erwerbsbeteiligung verzeichnen wir nach wie vor

einen Trend nach oben, vor allem bei den Frauen.

In der Schweiz liegt die Erwerbsbeteiligung aktu-

ell bei 84 Prozent. Das ist im internationalen Ver-

gleich ein absoluter Spitzenwert. Auch bei der

Arbeitslosigkeit haben wir mit aktuell 3,3 Prozent

einen insgesamt guten Wert, auch wenn die Quo-

te seit 2015 etwas angestiegen ist, nachdem die

Nationalbank die Untergrenze des Frankens zum

Euro aufgehoben hat.

Und warum ist die Arbeitslosenquote deshalb ge-

stiegen?

Weil der Franken vor allem im Vergleich zum

Euro aufgewertet wurde, sind die in der Schweiz

hergestellten Produkte im internationalen Ver-

gleich – insbesondere im Euro-Raum – teurer ge-

worden. Unter dieser Entwicklung litt besonders

die wechselkurssensible Exportwirtschaft. Das

trifft vor allem die Maschinenindustrie, die Me-

tallindustrie, den Tourismus und teilweise den

Detailhandel. Im letzten Jahr hatten wir in der

Industrie einen Verlust von 7000 Stellen.

Sie haben verschiedentlich die Flexibilität er-

wähnt: Welche Modelle von flexiblen Arbeits­

formen gibt es?

Die Flexibilisierung ist auf drei Ebenen zu ver-

orten: örtlich, zeitlich und betrieblich. Die örtliche

Flexibilisierung bedeutet, dass man seine Arbeit

von zu Hause aus im Homeoffice verrichten kann.

Unter zeitlicher Flexibilisierung wird gemeinhin

verstanden, dass die Zeit freier eingeteilt werden

kann. Betriebliche Flexibilisierung umfasst bei-

spielsweise die Auslagerung gewisser Arbeits-

schritte oder die temporäre Beschäftigung. Im

Kontext der Digitalisierung haben sich über die

letzten Jahre zusätzlich neue Arbeitsmodelle ent-

wickelt. Eine treibende Kraft sind dabei die so­

genannten Crowdwork-Plattformen wie beispiels-

weise die Transportvermittlungsplattform «Uber»

oder «Mechanical Turk» von Amazon.

Damit wird ja quasi eine Zwischenstufe ausge-

schaltet. Was bedeutet das für den Arbeitsmarkt?

Was dies für den Arbeitsmarkt, die Gesellschaft

und die aktuellen gesetzlichen Grundlagen be-

deutet, wird zurzeit sowohl national als auch in-

ternational kontrovers diskutiert. Eine Frage ist

etwa, ob «Uber» ein Arbeitgeber ist oder nur ein

Vermittler. Welche Rechtsverhältnisse und welche

Verpflichtungen entstehen in Bezug auf Sozial­

versicherungen, Gesundheitsschutz oder Weiter-

bildung?

Ursina Jud Huwiler

©Adrian Hauser