ENSEMBLE Nr. / N° 70 - Juli / Juillet 2023

4 Dossier —– ENSEMBLE 2023/70 FREIHEIT UND VERBINDLICHKEIT IM PFARRAMT PFARRKONFERENZEN 2023 LIBERTÉ ET ENGAGEMENT DANS LE MINISTÈRE CONFÉRENCES PASTORALES 2023 Der Pfarrberuf zeichnet sich aus durch eine grosse Freiheit in der Ausgestaltung. Diese Freiheit ist zunehmend gefährdet. An den Pfarrkonferenzen im August / September soll diese Thematik in der Pfarrschaft besprochen werden. Dabei wird auch das Modell eines Stellenbeschriebs zur Diskussion gestellt, das mehr Gestaltungsfreiheit gewährleistet. Von Matthias Zeindler* Zu den Faktoren, die den Pfarrberuf attraktiv machen, gehören die hohe Selbstverantwortung und eine grosse Gestaltungsfreiheit. Diese Freiheit ist wichtig für einen Beruf, bei dem die Zuwendung zu den einzelnen Menschen im Zentrum steht. Theologisch ausgedrückt: Die Verkündigung der guten Botschaft, dass Gott sich jedem Menschen persönlich zuwendet, verbietet ein allzu schematisches Arbeiten. Auch die ausgeprägte Kreativität, die von Pfarrpersonen gefordert wird, braucht ihre Freiräume. Freiheit im Pfarramt ist deshalb kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Immer mehr Pfarrpersonen machen nun aber die Erfahrung, dass ihre Gestaltungsfreiheit gefährdet ist. Stellenreduktionen, Nachwuchsmangel, das Weiterführenmüssen von Dingen, «die man immer schon gemacht hat», zusätzliche Arbeit durch eine stärker individualisierte Gesellschaft oder vermehrte Administration führen dazu, dass der pfarramtliche Dienst von vielen als weitgehend fremdbestimmt erlebt wird. Der Raum für Eigeninitiative, für die Entwicklung von neuen Ideen, für theologische Reflexion und persönliche Spiritualität wird kleiner oder verschwindet ganz. Entsprechend nimmt die Berufszufriedenheit ab und es steigt die Gefahr von Erschöpfung und Burnout. Das Pfarramt als Profession Durch die veränderten Anforderungen an den Pfarrdienst sind nicht nur die Berufszufriedenheit und die Gesundheit gefährdet, sondern auch der Professionscharakter des Pfarramts. Was ist damit gemeint? Der Pfarrberuf wird, wie beispielsweise der Arzt / die Ärztin oder der Jurist / die Juristin zu den Professionen gezählt. Eine Profession ist zu unterscheiden von einem «Job», der vor allem dem Gelderwerb dient, oft zeitlich befristet ist und nur wenig persönliches Engagement erfordert. Zu einer Profession gehören eine längere akademische Ausbildung und eine permanente Weiterbildung sowie die ständige Reflexion der eigenen Berufspraxis beispielsweise in Super- und Intervisionen. Zentral an einer Profession ist aber vor allem die hohe innere Identifikation mit der beruflichen Arbeit. Wer in einer Profession arbeitet, versteht ihre oder seine Tätigkeit nicht als Beruf, sondern als Berufung. Weiter zeichnet sich eine Profession durch die schon erwähnten Elemente Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit aus. Es gilt das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit, bei der nicht alles kontrollierbar ist. Zudem erfordert eine Profession die Bereitschaft, nicht klinisch sauber zwischen Berufs- und Privatsphäre, zwischen Arbeit und Freizeit zu unterscheiden – eine Profession gibt es nicht als «eight-to-five job». * Leiter Theologie

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