ENSEMBLE Nr. / N° 69 - April / Avril 2023

16 Dossier —– ENSEMBLE 2023/69 In Kirchgemeinden gibt es Beratungsstellen für Menschen, die finanziell in Not geraten. Punktuell kann durch Gelder von Stiftungen geholfen werden, langfristig bringt aber meist nur eine bessere Berufsbildung Entlastung. Von Adrian Hauser In Kirchgemeinden sind seit Corona und seit dem Anstieg der Flüchtlinge aus der Urkaine mehr Fälle von Armut zu verzeichnen. Dies bestätigen Bea Friedli vom Beratungs- und Sozialdienst der Kirchgemeinde Petrus und Silvie Wanner von der Sozialberatung der Kirchgemeinde Bümpliz. Beide Beratungen stehen Menschen jeder Herkunft und Religion offen, die Anfragen kämen denn auch «querbeet» von verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Oft hat man es an diesen Stellen jedoch mit Menschen zu tun, die in irgendeiner Form durch die Maschen des Sozialgefüges fallen oder bei denen aus verschiedenen Gründen die Sozialhilfe oder der Lohn nicht reicht. Es sind oft Personen mit einem tiefen Bildungsstand oder mit Migrationshintergrund, die beispielsweise im Gastgewerbe, in einer Fabrik, in der Reinigungsbranche, als Fahrer oder Nachtkuriere arbeiten. Erschwerend bei Personen mit Migrationshintergrund kommt hinzu, «dass im Ausland erworbene Fähigkeiten oder Ausbildungen hier nicht anerkannt werden», wie Silvie Wanner es ausdrückt. Dies macht es schwierig, die Personen langfristig aus ihrer prekären Lage zu führen. BERATUNGSSTELLEN IN KIRCHGEMEINDEN «In die Kinder investieren» Es trifft aber auch Alleinerziehende oder in Trennung lebende Menschen, wie Bea Friedli erklärt. Oft reichen in solchen Fällen eine teure Arztrechnung, die Deckung der Franchisekosten oder andere unvorhergesehene Kosten, dass das Monatsbudget aus dem Gleichgewicht gerät. Die Lage spitzt sich dann besonders zu, wenn noch Schulden aus der Vergangenheit vorhanden sind. Dann bleibt wenig Spielraum. Bei Personen, die Kinder haben, stellt sich eine Entspannung ein, wenn die Kinder grösser und selbstständiger werden. Dies ermöglicht es oft, dass beide Elternteile einer Arbeit nachgehen können. Wenn Schulden vorliegen, so gehen die kirchlichen Beratungsstellen in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten und der Schuldenberatung eine Schuldensanierung an. Punktuelle Hilfe Bei unvorhergesehenen Rechnungen, die das Budget sprengen, stellen die beiden Beraterinnen Gesuche an Stiftungen, um wenigstens punktuell das Loch stopfen zu können. Doch das sind nur Trostpflaster. In den Beratungen geht es auch um langfristige Perspektiven, beispielsweise für eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Hier können Sprachkurse oder Weiterbildungen helfen, um das Ruder dauerhaft herumreissen zu können. «Es geht auch darum, in die Kinder zu investieren», sagt Bea Friedli, damit diese später nicht in derselben Situation landen wie ihre Eltern. Bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund geht es dabei um Integration und einen erfolgreichen Anschluss an Schul- und Berufsbildung. Deshalb bemühen sich die Sozialdienste der Kirchen auch darum, in Zusammenarbeit mit Stiftungen Plätze in Kitas mitfinanzieren zu können. Nebst den Stiftungen ist teilweise auch ein eigener Fonds vorhanden, um dies für benachteiligte Kinder zu ermöglichen. Denn ein Platz in einer Kita wirkt sich positiv auf die Integration der Kinder aus. In Bethlehem beträgt der Anteil der ausländischen Bevölkerung etwas 60 Prozent. Silvie Wanner berichtet von Fällen mit unsicherem Asylstatus, die sich nicht bei der Sozialhilfe melden aus Angst, ausgewiesen werden zu können. Dann ist die Kirche oft die letzte Hoffnung. Um den Grundbedarf zu decken, können Angebote wie von «Tischlein deck Dich» oder der «Schweizer Tafel» hilfreich sein. Doch langfristig helfen meist nur Weiterbildungen aus der prekären Situation hinaus, um ein höheres und stabiles Einkommen zu erzielen. Von Armut sind oft auch Kinder mitbetroffen. Les enfants sont aussi concernés par la précarité. © Keystone / Arnulf Hettrich

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