ENSEMBLE Nr. / N° 49 - Juni / Juin 2020

16 Dossier —– ENSEMBLE 2020/49 Emilia Handke ist Leiterin der Fachstelle «Kirche im Dialog» der Evangelisch-Luthe- rischen Kirche in Norddeutschland. Die promovierte Theologin setzt sich mit Fragen des gesellschaftlichen Wandels und seiner Auswirkungen auf die Kirchen auseinander. Einer der Brennpunkte dieses Wandels sind Kasualien. Von Bernd Berger* Frau Handke, bei der Gestaltung von Taufen, Trau- ungen und Bestattungen sind die Kirchen mit unterschiedlichsten Wünschen konfrontiert. Oft wird der Gemeindegottesdienst nicht mehr als selbstverständlicher Rahmen für diese Feiern an- gesehen. Auch sehen sich Kirchgemeinden einem wachsenden Markt freier Ritualbegleiterinnen und -begleiter gegenüber. Wie nehmen Sie diese Ent- wicklungen wahr und wie könnten ihnen die Kir- chen angemessen begegnen? Was Sie beschreiben, unterstreicht die immer­ währende Aufgabe der Kirchen, sich neu zu kon­ textualisieren und die Rahmenbedingungen für die Kommunikation des Evangeliums anzupassen und gegebenenfalls zu erweitern. Es gibt eine wachsende Zahl an Kirchenmitgliedern, für die der Zugang zu Religion und Kirche nicht über die Kirchgemeinde und den Gottesdienst stattfindet, sondern zum Beispiel über die Medien oder per­ sönliche Verbindungen zu religiös oder spirituell wirksamen Persönlichkeiten. Dem gilt es Rech­ nung zu tragen. Es braucht zumindest in grossen Städten gemeindeübergreifende Einrichtungen, die Kasualien gezielt bewerben und eine hohe Serviceorientierung bieten. Wir sollten unsere rituellen Schätze stärker zeigen und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Das wäre dann das Modell einer Kasualagentur. Was kann eine Kasualagentur leisten, was einer Kirchgemeinde nicht möglich ist? Für die auf ein umfassendes Angebot ausge­ richteten Kirchgemeinden ist es schwer, eine Of­ fensive zu starten, um die Menschen zu erreichen, die für Kasualien nicht mehr selbstverständlich zu ihr kommen. Pfarrpersonen sind in der Regel Generalisten, Kasualien machen nur einen kleinen Teil ihrer Arbeitszeit aus. Es wird ihnen schwer­ fallen, so frei und flexibel zu agieren wie freie Ritualbegleiterinnen und -begleiter. Wir brauchen kirchliche Stellen, die diese Offensive stellvertre­ tend für die umliegenden Gemeinden starten, sich mit ihnen gezielt vernetzen und bei grosser Nach­ frage auch unterstützend tätig werden. Zum an­ deren könnte eine Kasualagentur Angebote für Zielgruppen entwerfen, die im Rahmen der Ge­ meindearbeit immer noch zu wenig im Blick sind, etwa für Alleinerziehende und für Menschen, die nicht im Sonntagsgottesdienst sozialisiert sind: «Kasualpakete» wie etwa eine Taufe am Strand mit anschliessender Feier, Trauungen im Stadion oder mit verschiedenen musikalischen Stilrichtungen. Was wären die konkreten Aufgaben einer Kasual- agentur? Erstens müsste sie digitale Zugänge zu Kasua­ lien schaffen, zeitliche Flexibilität sowie eine krea­ tive geistliche Gestaltung der Kasualpraxis durch ein pastorales Team garantieren und diese Ange­ bote offensiv über ein zentrales Portal bewerben. Zweitens sollte sie die Gemeinden zu einer Profi­ lierung ihrer Kasualpraxis vor Ort anregen, sie K A S U A L A G E N T U R E N «Wir sollten unsere Schätze zeigen» * Leiter Weiterbildung pwb bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Emilia Handke «Eine Kasualagentur sollte den Kirchgemeinden nichts wegnehmen, sondern deren Angebot ergänzen.» ©Thomas Hirsch-Hüffell

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