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Dossier —– ENSEMBLE 2016/14

Die Kirchgemeinde Wohlen muss sparen.

Wenn es nicht mehr für alles reicht, muss man

sich entscheiden. Das hat auch Auswirkungen

auf den Bereich der Entwicklungszusammen-

arbeit. Ein Erfahrungsbericht.

Von Laurence Gygi Luard*

Wohlen ist eine engagierte Kirchgemeinde. Ihre

Aktivitäten in den Bereichen OeME (Ökumene,

Mission, Entwicklungszusammenarbeit) und Mi-

gration sind seit Jahrzehnten gross: Sie hat eine

Stelle für Migrationsarbeit sukzessive bis auf rund

60 Prozent aufgebaut. Sie pflegt persönlich und

finanziell Beziehungen zur Partnergemeinde in

Palästina sowie zu kleinen und grossen Hilfspro-

jekten in Afrika und Lateinamerika. Nicht von

ungefähr erhielt die Kirchgemeinde Wohlen, be-

ziehungsweise ihre OeME- und Migrationskom-

missionen, 2007 den Preis der Reformierten Kir-

chen Bern-Jura-Solothurn «für die beispielhafte

Basisarbeit (...) für Integration, Solidarität und

mehr Gerechtigkeit».

Keine Stellenkürzungen

Und so fällt es ihr jetzt auch schwer, wenn nach

fetten Jahren nun die magereren anstehen: Die

Einnahmen gehen vor allem aufgrund demogra-

fischer Entwicklungen zurück und können bei

weitem nicht durch Tariferhöhungen zusätzlicher

Leistungen wettgemacht werden. Die Ausgaben

hingegen steigen kontinuierlich. Zwei Drittel von

ihnen sind gebunden, wie zum Beispiel Versiche-

rungsprämien oder die Synodalratsabgaben, und

werden in Zukunft wohl weiter zunehmen. Auch

die Kosten der technischen Entwicklung setzen

dem Budget zu. Sparen kann der Kirchgemeinde-

rat nur dort, wo er allein über seine Ausgaben

bestimmt. Dies ist bei den Stellenprozenten seiner

Angestellten und den Ressorts der Fall.

Stellen zu kürzen, steht für den Kirchgemein-

derat Wohlen ausser Diskussion. Im Gegenteil: Er

wird einen Teil der gestrichenen Pfarrstellenpro-

zente aus eigenen Geldern weiterfinanzieren, um

den Pfarrpersonen den Raum zu geben, nebst Pre-

digt und Kasualien auch weiterhin gemeinde­

bildende Veranstaltungen durchzuführen.

Wo noch sparen?

Somit bleibt, da auch eine Erhöhung der Kirchen-

steuer kein Thema ist, bloss das Sparen in den

Ressorts, und alle Verantwortlichen finden auch

hier und dort etwas zum Streichen. Nur zwei Be-

reiche nicht: die Migrationsarbeit und die OeME.

Aber während das grosszügig dotierte Budget für

Integrations- und Flüchtlingsarbeit weiter aufge-

stockt wird, muss die OeME spürbare Kürzungen

hinnehmen. Sie, mit ihrem viertgrössten Aus­

gabeposten der Kirchgemeinde Wohlen, habe am

meisten Sparpotenzial und auch am ehesten

Optionen, alternative Geldquellen zu äufnen.

Die Proteste der OeME-Kommission verpufften

im Gegenwind. Wer kann schon Entwicklungspro-

jekte mit derselben Überzeugungskraft darlegen

wie ein Vertreter die IT-Auslagen, um zu erklären,

weshalb die anfallenden Kosten ebenso hoch wie

zwingend sind? Zumindest in Kirchgemeinden

stehen Laiengremien den Profis eindimensionaler

Sachzwänge gegenüber.

Irgendwie scheint die OeME-Arbeit für mehr

Solidarität und Gerechtigkeit in der Krise zu ste-

cken – und das nicht nur unverschuldet. Es be-

schleicht einen das ungute Gefühl, im kühlen

Sparwind, der allenthalben durch unsere Gesell-

schaft weht, entschieden wir uns lieber für das

wärmere Hemd – als ob dieses nichts mit dem

Rock zu tun hätte.

* Beauftragte Migration Kirchgemeinde Wohlen

K I R C H G E M E I N D E N

Wärmeres Hemd oder besserer Rock?

Die Entwicklungs-

hilfe steht

finanziell unter

Beschuss.

Le financement

de l’aide au déve-

loppement est

remis en question.

© David Adair /Ex-Press