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Fokus —– ENSEMBLE 2016/11

Zu ihrem 30-jährigen Bestehen beginnt

«oeku» mit dem Hörsinn eine neue «Schöp-

fungsZeit»-Themenreihe zu den fünf Sinnen.

Bis 2020 folgen Riechen, Tasten, Schmecken

und Sehen. Mit dem Hörsinn kann man

die Aufmerksamkeit auf die Klänge der

Schöpfung richten.

Von Kurt Zaugg-Ott*

Dank unserer Sinne sind wir mit der Schöpfung

vernetzt. Denn die Sinne sind die «Schnittstelle»

zur Aussenwelt. Über die Sinne spüren, riechen,

schmecken, hören und sehen wir unsere Nächsten

und die Welt um uns herum. Und unsere Mitwelt

spürt, riecht, schmeckt, hört und sieht uns. Mit

den Sinnen orientieren wir uns und nehmen uns

als Teil der Schöpfung wahr. Das gilt auch für un-

ser Gehör und für das Gegenstück, unsere Stimme.

Denn der Gehörsinn ist an sich schon ein Wun-

der der Schöpfung. Wir haben diesen Sinn mit

anderen Geschöpfen gemein. Er ist das einzige

Sinnesorgan, das schon weit vor der Geburt kom-

plett entwickelt ist. Schon ab der 22. Schwanger-

schaftswoche reagiert der Fötus auf akustische

EIN OHR FÜR

DIE

SCHÖPFUNG

NEUE THEMENREIHE «OEKU – KIRCHE UND UMWELT»

Reize. Und der Gehörsinn ist am Ende des Lebens

der letzte Sinn, der schwindet. Entwickelt hat sich

das Gehör bei den Wirbeltieren aus dem Seiten­

linienorgan der Fische. An der Entwicklungsge-

schichte unseres Gehörs sehen wir also, wie sehr

wir Teil der sich evolutiv entwickelnden Schöp-

fung sind.

Das Gegenstück zu unseren Ohren ist unsere

Stimme. Die Stimme kommt aus der Kehle. Und

das hebräische Wort «Näfäsch» bedeutet sowohl

«Leben», «Kehle» wie auch «Seele». Die Theologin

Evamaria Bohle meint: «Im Lied, wenn Seele und

Kehle sich äussern, legt die Bibel nahe, kann der

Mensch die Gegenwart Gottes ahnen. Auch das ist

ein Zugang zum Glauben. Dafür muss man nichts

von Religion verstehen.» Musik und Gesang öffnen

vielen Menschen einen Zugang zur Spiritualität

und zum Göttlichen. Vielleicht sind darum die

Kirchen so voll, wenn Chorkonzerte angesagt sind.

Zivilisationsproblem Lärm

Seit es menschliche Zivilisationen gibt, ist der

Lärm ein Problem. Ein frühes Zeugnis dafür ist der

sumerische Mythos von Atramchasis aus der Zeit

von 1800 vor Christus, einer Vorläufergeschichte

zur biblischen Noah-Erzählung. Nach diesem My-

thos schickten die Götter die Sintflut, weil die

Menschen sich vermehrten und immer mehr Lärm

machten, so dass die Götter nicht mehr schlafen

konnten.

Aktiver Widerstand gegen den Zivilisations-

lärm organisierte sich aber erst Anfang des 20.

Jahrhunderts. Ein Problem ist dabei, dass Lärm

individuell sehr unterschiedlich empfunden wird.

Die einen stören sich am Lärm eines Openairs, die

anderen am Verkehrslärm und Dritte an den Kir-

chenglocken in der Nacht. An Lärm kann man sich

nicht gewöhnen. Die jährlichen Kosten für Ge-

sundheitsschäden als Folge des Verkehrslärms

werden auf rund 750 Millionen Franken geschätzt.

Rückzug in die Stille

Es ist kein Zufall, dass das Bedürfnis nach Stille

und Ruhe zunimmt. Denn Ruhe ist ein wertvolles

Gut. Ruhe fördert die Gesundheit, die Kreativität

und das Wohlbefinden der Menschen. Die Kirchen

* Dr. theol., Leiter der Fachstelle oeku Kirche und Umwelt

in Bern

Das Geräusch

von Wasser hat

eine ausgleichen-

de Wirkung

auf Menschen.

Les vertus apai-

santes du clapotis

de l’eau sont

universelles.

©Emanuel Ammon, Aura