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ENSEMBLE 2016/8 —– Fokus

Erste Predigt einer Pfarrerin

Die Schweizer Delegation, die vom 27. Februar bis zum 7. März

in Ägypten war, wurde angefragt, in der Kirche in Luxor eine

Predigt zu halten. Die Tatsache, dass eine Pfarrerin, eine ordi-

nierte Frau also, eingeladen wird, als Gastpredigerin aufzutreten

ist bemerkenswert! Es ist ein bewusst gesetztes Zeichen der Kir-

chenverantwortlichen. So konnte Susanne Schneeberger Geisler

am 28. Februar die erste Predigt als ordinierte Pfarrerin in der

presbyterianischen Kirche in Luxor halten.

In der presbyterianischen Kirche in Ägypten

wird zurzeit diskutiert, ob man Frauen als

Pfarrerinnen ordinieren soll. Eine Delegation

der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solo-

thurn war vor Ort und gab wertvolle Inputs

mit den Erfahrungen aus der Schweiz.

Von Susanne Schneeberger Geisler*

Das erste Ziel des Besuchs war eine Gemeinde in

Oberägypten in der bekannten Stadt Luxor. Die

presbyterianische Kirche befindet sich in der Nähe

der alten Stadt, ein schmuckloser grosser Beton-

Bau. Die Delegation trifft dort die aktiven Frauen

aus der Kirchgemeinde und der Region zu einem

Austausch. Gespannt sitzen etwa 15 Frauen in der

Runde, ein Pfarrer hat sich hinten in der Kirche

hingesetzt. Die Frauen sind aktiv und tragen die

Kirche. Ihre Erfahrungen tönen ähnlich wie bei

uns: Alle arbeiten freiwillig als Kirchgemeinderä-

tinnen oder in verschiedenen Programmen, vor

allem im Bildungsbereich.

Die einzelnen Frauen sind interessiert an den

Erfahrungen der Pfarrerinnen aus der Schweiz und

an der Situation von Frauen in der Schweizer Ge-

sellschaft. Sie wollen genau wissen, wie die Zusam-

menarbeit zwischen Pfarrerin und Pfarrer in der

Kirchgemeinde, aber auch das Verhältnis zwischen

einer Pfarrerin und ihrem Ehemann funktionieren

kann. Auf die Frage der Delegation, ob sie sich eine

Pfarrerin in ihrer Gemeinde vorstellen können, war

in den Antworten, von einem klaren Nein bis zu

einem zögerlichen Ja, alles enthalten. Plötzlich

meldet sich der Pfarrer von hinten zu Wort und

meint, die Frauen dürften ja schon sehr viel leisten

in der Gemeinde, da sei eine Ordination unnötig.

Angst vor Machtverlust

In Kairo war die Delegation danach an einer zwei-

tägigen Konferenz engagiert, wo die Themen der

Rolle der Frau in Gesellschaft und Kirche vertieft

wurden. Ein Höhepunkt war, dass die Delegation

an einer öffentlichen Gesprächssynode zum The-

ma Einführung der Frauenordination teilnehmen

konnte, da in der Synode im Frühjahr der Ent-

scheid darüber ansteht. Anwesend waren Pfarrer

sowie Kirchgemeinderäte und -rätinnen aus ganz

Ägypten.

Die Stimmung war sehr gespannt. Zwei Pfarrer

der presbyterianischen Kirche sassen auf einem

Podium. Der eine sprach gegen, der andere für die

Einführung der Frauenordination. Beide argumen-

tierten biblisch, mit dem Heranzug verschiedener

Textpassagen, beispielsweise der Schöpfungsge-

schichte oder mit Briefpassagen von Paulus. Der

eine beschwor den Untergang der Kirche herauf,

wenn Frauen ordiniert würden, der andere sprach

von Frauen als Prophetinnen, als Jüngerinnen und

als erste Zeuginnen der Auferstehung. Die an-

schliessende Diskussion war leidenschaftlich.

Auch wenn die Machtfrage nicht offen themati-

siert wurde, schwang bei den Männern die Angst

vor Machtverlust in verschiedenen Voten spürbar

mit.

Auf Einladung des Moderators der Synode

konnte die Schweizer Delegation am Schluss der

Diskussion einen kurzen Input geben. Darin be-

tonte sie, dass eine Frauenordination die Kirche

bereichern und die Freiheit vertiefen würde, ganz

im Sinne der Aussage von Paulus in Galater 5,13.

P A R T N E R S C H A F T M I T Ä G Y P T E N

Frauenordination ja oder nein

* Pfarrerin und Theologin

Schweizer Dele-

gation in Ägypten.

La délégation suisse

en Egypte.

© zVg