ENSEMBLE Nr. 3 - November 2015 - page 4

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Dossier —– ENSEMBLE 2015/3
Von Adrian Hauser
Es ist zurzeit das Dauerbrennerthema in den Me-
dien: die «Flüchtlingsströme», die vor allem aus
Syrien und Eritrea nach Europa drängen. Gemäss
einer aktuellen Studie der Organisation für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OECD haben im laufenden Jahr bereits 700 000
Menschen in der EU Asyl beantragt. Bis Ende Jahr
könnten es eine ganze Million sein. Das sind
mehr Menschen als in jeder anderen europäi-
schen Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Welt-
krieg. Die OECD rechnet damit, dass knapp die
Hälfte der Asylsuchenden – also rund 450 000 –
dauerhaft in einem europäischen Land bleiben
dürfen. Das Uno Hochkommissariat für Flücht-
linge UNHCR bestätigt diesen Eindruck: «Die
Mehrheit der Asylsuchenden, die momentan
nach Europa kommen, sind Flüchtlinge, das
heisst Personen, die vor Krieg oder Verfolgung
in ihrem Herkunftsland fliehen», erklärt Anja
Klug, Leiterin des UNHCR-Büros für die Schweiz
und Liechtenstein.
In der Schweiz stellten gemäss dem Staatsse-
kretariat für Migration SEM während des laufen-
den Jahres bis Ende August 19 668 Personen einen
Asylantrag. Im Vorjahr waren bis Ende August
15 704 Asylgesuche zu verzeichnen. Mit Abstand
am meisten Gesuche kamen im August 2015 von
Migrantinnen und Migranten aus Eritrea. Grund:
«Die Schweiz hat eine der grössten eritreischen
Gemeinden in Europa», erklärt Léa Wertheimer,
Mediensprecherin des SEM. «Sie ist daher ein
potenzieller Anziehungspunkt für Flüchtlinge aus
Eritrea.» Nach Eritrea folgen Afghanistan, Syrien,
Irak, Somalia und schliesslich Sri Lanka als häu-
figste Herkunftsländer.
Grösste eritreische Diaspora
Die wichtigsten Gründe für die höheren Gesuchs-
zahlen afghanischer, syrischer und irakischer
Staatsangehöriger sind gemäss SEM die anhalten-
den Krisen in den Herkunftsländern sowie die
angespannte Situation in wichtigen Erstaufnah-
mestaaten und Transitländern. Denn 90 Prozent
aller Flüchtlinge bleiben in ihrer Herkunftsregion.
Léa Wertheimer: «Es ist davon auszugehen, dass
viele Personen aus Syrien, die ihr Land aufgrund
des Konfliktes verlassen mussten, das Ende in der
Nähe abwarten wollten. Ein Ende des Konfliktes
ist jedoch nicht absehbar.»
Hinzu kommt, dass die Syrien umgebenden
Staaten völlig überfüllt sind. Mehrere Millionen
Flüchtlinge befinden sich zurzeit in der Türkei, in
Jordanien, Pakistan, Libanon und im Iran. Gemäss
Léa Wertheimer ist die Schweiz nicht primäres
Zielland für Migranten und Migrantinnen aus
Syrien: «Flüchtlinge zieht es unter anderem in
Länder, in denen bereits Familienmitglieder,
Bekannte oder Landsleute leben. Syrische Staats­
angehörige reisen daher oft nach Deutschland,
Dänemark, Schweden oder Holland.» Gemäss
OECD ist das Hauptziel Deutschland. Das Deutsche
Bundesamt für Flüchtlinge erwartet bis Ende Jahr
insgesamt 800 000 Asylanträge.
Keine Krise
Die Zahlen zeigen deutlich, dass im internationa-
len Vergleich relativ wenige Personen in die
Schweiz oder überhaupt nach Europa gelangen.
Weltweit sind 60 Millionen Menschen
auf der Flucht. Nur ein kleiner Teil erreicht
die Schweiz und Europa. Die Anzahl der
Asylsuchenden ist zwar gestiegen, sollte
jedoch zu bewältigen sein. Dies durch ge-
meinsame Strategien europäischer Staaten
und Massnahmen von der Diplomatie bis
zur Zivilgesellschaft.
GEMEINSAME
STRATEGIEN NÖTIG
ASYL UND MIGRATION
IL FAUT UNE STRATÉGIE
COMMUNE
ASILE ET MIGRATION
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