ENSEMBLE Nr. 1 - August 2015 - page 24

24
Dossier —– ENSEMBLE 2015/1
von Adrian Hauser
Die Situation der Landeskirchen in der Schweiz ist
geschichtlich bedingt und ist kantonal sehr unter-
schiedlich. Die traditionell reformierten Kantone
kennen grundsätzlich ein engeres Verhältnis zwi-
schen Kirche und Staat als traditionell katholische
Kantone. Dies wegen des einstigen reformierten
Staatskirchentums, wie auch aus dem Experten-
bericht «Das Verhältnis von Kirche und Staat im
Kanton Bern» von Michael Marti und Rudolf Muggli
hervorgeht.
So sind die die Bande zwischen Staat und Lan-
deskirchen im Kanton Bern relativ eng. Der Staat
bezahlt aufgrund historischer Rechtstitel nicht nur
die Löhne der Pfarrschaft, sondern zieht auch die
Kirchensteuern ein und unterstellt die Kirch­
gemeinden seiner Gemeindeaufsicht. Die Landes-
kirchen werden im Kanton Bern also öffentlich-
rechtlich anerkannt, sind mit dem Staat verflochten
und werden teilweise durch diesen finanziert.
Ebenfalls stark evangelisch-reformiert geprägt
ist der Kanton Schaffhausen. Der Staat zahlt dort
den Landeskirchen knapp 4 Millionen Franken für
kirchliche Zwecke, was sehr breit gefasst ist. Zudem
erheben die anerkannten Kirchen bei ihren Mit-
gliedern Steuern. Ein politischer Vorstoss, der die
staatlichen Beiträge an Leistungsvereinbarungen
knüpfen wollte, scheiterte Anfang Jahr an der Urne.
Staatsbeiträge in Zürich und Basel-Landschaft
Etwas mehr Distanz zwischen Kirche und Staat
besteht in den Kantonen Zürich und Basel-Land-
schaft. In diesen Kantonen sind die Landeskirchen
öffentlich-rechtlich anerkannt, werden vom Staat
beaufsichtigt und mit erheblichen Finanzhilfen
unterstützt. So erhalten die Landeskirchen im tra-
ditionell reformierten Kanton Zürich staatliche
Beiträge für Leistungen, die für die ganze Gesell-
schaft von Bedeutung sind, namentlich in den
Bereichen «Bildung, Soziales und Kultur». Die Leis-
tungen des Staates im Kanton Zürich beruhen
ähnlich wie in Bern auf historischen Rechtstiteln,
die inzwischen nur noch übergangsrechtlich von
Bedeutung sind. Daneben sind die Kirchgemein-
den befugt, bei ihren Mitgliedern Steuern zu er-
heben; der Kanton behält aber die Oberaufsicht
über die «kirchlichen Körperschaften».
Im vorwiegend evangelisch-reformierten Kan-
ton Basel-Landschaft erhalten die anerkannten Kir-
chen einen jährlichen Grundbetrag und einen Be-
trag pro Mitglied. In der Verwendung dieser Gelder
sind die Landeskirchen relativ frei. Das Gesetz be-
sagt lediglich, dass die Landeskirchen «die ordent-
lichen Beiträge gemäss ihrer Ordnungen zur De-
ckung ihrer eigenen Bedürfnisse sowie derjenigen
ihrer Kirchgemeinden» verwenden sollen. Die Kirch-
In den Deutschschweizer Kantonen variiert
das Verhältnis zwischen Staat und Kirche
sehr stark. Sind diese in Bern eng miteinander
verflochten, haben die Landeskirchen
in Basel-Stadt oder auch St. Gallen eine
weitgehend autonome Stellung.
Kantonsgeist im Kirchenrecht
A U S B L I C K I N A N D E R E K A N T O N E D E R D E U T S C H S C H W E I Z
Dominierende Konfessionszugehörigkeit 2010 / Appartenance religieuse prédominante 2010
Ko-Dominanz / Co-dominance
römisch-katholisch und
evangelisch-reformiert /
catholiques romains
et protestants
römisch-katholisch und
ohne Konfession /
catholiques romains et
sans appartenance religieuse
Römisch-Katholiken /
Catholiques romains
Evangelisch-Reformierte /
Protestants
Ohne Konfession / Sans
appartenance religieuse
schwach / faible
mittel /moyenne
stark / forte
Dominanz / Prédominance
Quelle Grafik: BFS
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28
Powered by FlippingBook