ENSEMBLE Nr. / N° 72 - Dezember / Décembre 2023

27 ENSEMBLE 2023/72 —– Fokus Führungskräfte lernen, wie man auf psychische Probleme von Mitarbeitenden reagiert. Les cadres apprennent à réagir aux problèmes psychologiques de leurs collaborateurs. Arbeitsausfälle infolge psychischer Belastungen und Krankheiten nehmen stark zu. Warum das so ist und wie Führungskräfte frühzeitig reagieren können, war diesen Herbst Thema eines ensa-Kurses, der von der Kirchgemeinde Langnau organisiert worden war. Von Helena Durtschi* Die meisten, die sich für den Kurs angemeldet haben, kennen sich nicht. Kurz vor 8 Uhr morgens treffen sich die Kursteilnehmenden im Kirchgemeindehaus Langnau. Sechs Frauen und vier Männer, die in der Privatwirtschaft, im Gewerbe, im Schul- oder Sozialbereich oder beim Militär als Führungspersonen wirken. So vielfältig die Arbeitsfelder sind, so sehr verbindet sie ein gemeinsames Thema: die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden. An diesem Samstagvormittag erfahren die Teilnehmenden durch Kursleiter Tom Bögli, wie sie Veränderungen frühzeitig erkennen und Mitarbeitende kompetent und einfühlsam auf ein mögliches psychisches Problem ansprechen können. «Kernaufgabe der Kirche» «Menschen in Lebenskrisen zu unterstützen, gehört zu den Kernaufgaben der Kirche», ist Pfarrerin Manuela Grossmann überzeugt. Sie hat den Kurs initiiert und organisiert. Für sie ist es spannend zu erleben, wie Menschen aus verschiedenen Arbeitskontexten zusammenkommen, sich vernetzen, voneinander lernen können. Wie wichtig diese Vernetzung sein kann, wird im Austausch unter den Teilnehmenden deutlich. Die Leiterin der Sozialen Dienste erlebt fast täglich, wie schwierig es ist, Menschen, die aufgrund einer psychischen Krise ihre Erwerbsarbeit verloren haben, wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Tom Bögli, der in der betrieblichen Sozialarbeit tätig ist, bestätigt ihre Erfahrung: Man wisse heute anhand einer Studie, dass 60 Prozent der Unternehmen eine Person, die sich im Bewerbungsgespräch diesbezüglich «outet», nicht anstellen. Das sei bedenklich. Eine Personalverantwortliche stellt fest, dass Menschen im Niedriglohnsegment besonders gefährdet seien, psychisch zu erkranken, aber kaum darüber sprechen könnten. Dazu komme, dass diese oft kein tragendes soziales Netz hätten. Ein weiteres Thema, das viele beschäftigt, ist der Fachkräftemangel, der dazu führt, dass Personen anMENSCHEN IN LEBENSKRISEN UNTERSTÜTZEN Arbeiten, bis nichts mehr geht gestellt werden müssen, die fachlich überfordert sind und sich nicht gut abgrenzen können. Schwierige Rückkehr Der Kurs sensibilisiere für die Thematik, darin sind sich alle Kursteilnehmenden einig. Und im besten Fall sind Kaderleute nach dem Kurs bereit, eine Person anzustellen, die aufgrund einer psychischen Krise arbeitslos wurde. Die Teilnehmenden erfahren im Kurs auch, dass Mitarbeitende in der Regel ein psychisches Leiden sehr lange möglichst unauffällig mit sich herumtragen. Die Familie leidet schon lange, die Eltern haben schlaflose Nächte, die Kinder können sich in der Schule nicht mehr konzentrieren. Aus Angst, die Arbeit zu verlieren, reissen sich die Betroffenen am Arbeitsplatz so lange zusammen, bis nichts mehr geht. Und je länger jemand arbeitsunfähig ist, desto schwieriger wird die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Dass die Kirche sich hier einsetzt und solche Kurse organisiert, wurde von den Teilnehmenden positiv aufgenommen: Hier gehe es um ein soziales Kerngeschäft von Kirche, so das Votum einer Teilnehmerin. Für den Kurs im November haben sich nun zahlreiche weitere Führungspersonen angemeldet. * Fachmitarbeiterin Bildung/RefModula, Bereich Sozialdiakonie Weitere Medienbeiträge zum Kurs neo1 – mein Radio: Psychische Gesundheit im Unternehmen: Ein Erste-Hilfe-Kurs in Langnau Vorgesetzte sollen Alarmsignale ernst nehmen und früh reagieren (wochen-zeitung.ch). Refbejuso organisiert und vermittelt Kurse zu psychischer Gesundheit: ensa Erste-HilfeKurs – Sozial-Diakonie (diakonierefbejuso.ch). © zVg

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