ENSEMBLE Nr. / N° 65 - Mai / Mai 2022

33 ENSEMBLE 2022 /65 —– Kreuz und quer Die Fachstelle Migration zeichnete 2020 die «Spurgruppe für Flüchtlinge» in Walkringen mit dem Förderpreis aus. Warum sich die kleinzelligen, ehrenamtlichen Strukturen bis heute bewähren. Von Selina Leu Vor sechs Jahren wuchs das ländliche Dorf Walkringen innert weniger Tage um 20 Personen an. Drei Familien aus Syrien und Afghanistan liessen sich zwischen den lieblichen Emmentaler Hügeln nieder, bezogen Wohnungen, die die Gemeinde der Heilsarmee zur Verfügung gestellt hat. Neben ein paar bescheidenen Sachen mit im Gepäck: Gefühle der Entwurzelung, des Schmerzes, Trennungserfahrung. Aber auch die zarte Hoffnung auf ein Ankommen, Verarbeiten, Neu-Erwachen. Auf Initiative des damaligen Pfarrers fanden sich schnell ein paar Menschen, die den Zugezogenen die Hand reichen, ihnen den Neuanfang erleichtern wollten. Mit Unterstützung der Kirchgemeinde wurde die «Spurgruppe» gegründet. Die Schule, das Pfarramt, die Heilsarmee, Freiwillige: alle waren darin vertreten. Bis heute besteht diese Gruppe – und erhielt für ihr unermüdliches Dranbleiben im Jahr 2020 den Förderpreis der Fachstelle Migration. Es sind der kluge Aufbau der Flüchtlingsarbeit, die menschenfreundliche, offene Haltung aller Beteiligten und der Mut, sich einzugeben, in Beziehung zu treten und beharrlich dranzubleiben, die die Fachstelle überzeugt haben. Viele Schultern Dank der Spurgruppe fanden Unterstützungswünsche und Unterstützungswille schnell zusammen. Die Gruppe konnte im Jahr 2016 rasch auf rund 50 Freiwillige zurückgreifen. Die Angebote orientieren sich damals wie heute an den Bedürfnissen der geflüchteten Familien. Es geht um das Lernen der deutschen Sprache und das Leben und Arbeiten in der Schweiz, aber auch um Regeln und Bräuche, um Kontakt und kulturellen Austausch, um Verständnis und Wertschätzung. Wer aus dem Dorf kann und will, bringt sich ein: Die einen bieten Fahrdienste an, andere machen mit den Kindern Hausaufgaben. Zwei Bauernfamilien stellten einen «Pflanzblätz» zur Verfügung, ein Mann lieh spontan sein «Töffli». «Weil wir die Aufgaben auf solch viele Schultern verteilen konnten und immer noch können, bleiben die Leute dran», sagt Sabine Arnold, von Beginn an Mitglied F Ö R D E R P R E I S D E R F A C H S T E L L E M I G R A T I O N Vom Nebeneinander zum Miteinander der Spurgruppe. Verbindliche, zuverlässige Begleitung und punktuelle Kontakte ergänzen sich optimal. Es sind aber auch die gewachsenen Beziehungen, die den Einsatz füreinander selbstverständlich machen: «Aus den ersten zögerlichen Kontakten entstanden verlässliche Freundschaften», sagt Lisbeth Zogg Hohn, welche die Kirchgemeinde von Walkringen präsidiert. Die Flüchtlingsfamilien hätten heute alle ein grosses Netz. Dass auch den Kindern die neue Stabilität und das wohlwollende Umfeld guttun, erlebt Lisbeth Zogg Hohn in konkreten Rückmeldungen. Unbürokratisch Heute leben zwei der drei Familien immer noch im Dorf, die Kinder spielen im Handballclub oder gehen in die Mädchenriege. Ein junger Mann macht im Nachbardorf eine Lehre als Coiffeur, ein Mädchen besucht das Gymnasium in Burgdorf. Die lokale Kirchgemeinde budgetiert jährlich einen Betrag, mit dem sie das Zusammenleben und kleinere Wünsche unbürokratisch unterstützt. Die Anerkennung der Kirchgemeinde für das Bezugsnetzwerk für die Flüchtlingsfamilien sei gross, sagt Lisbeth Zogg Hohn: «Die grösste Leistung sehen wir im verlässlichen Dranbleiben und Durchhalten, von der anfänglichen Willkommenskultur über das Entwickeln von kreativen Lösungen, vom Aktivieren der dörflichen Netze bis zum proaktiven Mitgehen mit Veränderungen.» Fest zur Preisverleihung Der mit 5000 Franken dotierte Förderpreis wurde bereits 2020 an die Spurgruppe Walkringen ausbezahlt. Die Verleihung – inklusive reichhaltigem kulturellem und kulinarischem Rahmenprogramm – findet infolge der Pandemie erst am 19. Juni 2022 statt. Weitere Informationen: www.refbejuso.ch/agenda © zVg

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