ENSEMBLE Nr. / N° 65 - Mai / Mai 2022

1 1 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er mit spielt es dann keine Rolle mehr, ob eine Wand rot oder grün gestrichen wird. Weil dies in den meisten Fällen für die Organisation weder schädlich ist noch sie zurückwirft in ihrer Entwicklung. Sie vergleichen die Kirche mit einer Non-ProfitOrganisation. Wo sehen Sie Parallelen und wo Unterschiede? Wir sind eine Non-Profit-Organisation, weil wir kein monetäres Ziel verfolgen, also nicht profitorientiert sind, dafür aber einen gesellschaftlich wichtigen Auftrag erfüllen. Wir bewegen uns als Kirche in einem soziokulturellen Bereich, also einem klassischen Non-Profit-Bereich. Aber gleichzeitig sind wir eine religiöse Gemeinschaft und damit Exoten unter den NPOs, weil wir uns auf einen anderen Grund beziehen und einen etwas anderen Aufbau haben als klassische Non-ProfitOrganisationen. Wir sind kein Verein und keine Stiftung, sondern eine «faith-based» öffentlichrechtliche Institution. Strukturell wie organisational können wir von der NPO-Welt und neuen interessanten Managementmodellen jedoch viel lernen. Herausforderungen gibt es ja genug – aber auch praktikable Lösungsansätze. macht, was er will. Selbstorganisation heisst, dass man weniger klar definierte Pflichtenhefte oder Stellenbeschriebe hat oder weniger fix definierte Teams mit einem Chef, der dann vielleicht noch einer Ressortleitung angegliedert ist. Selbstorganisation heisst, dass man sich zuerst überlegt, was für Aufgaben man überhaupt hat. Was sind beispielsweise hier vor Ort die Herausforderungen, die an uns als Kirche gestellt werden? Wie bewältigen wir die? Damit ist gemeint, dass man mehr von den Inhalten her denkt und sich überlegt, wer eigentlich unsere Zielgruppen sind bei den verschiedenen Aufgaben und welche Bedürfnisse sie haben. Und so beginnt man dann, auf die Aufgaben bezogene interdisziplinäre Teams zusammenzustellen. Das wäre völlig durchlässig und auf Zeit, und bei jedem neuen Projekt würden die Teams neu formatiert. Also eine sehr zielorientierte Arbeitsweise. Ja, das ist wirklich sehr ziel- und aufgabenorientiert. Es gibt verschiedene Philosophien oder Modelle. Man spricht teilweise auch von einer Kreisstruktur. Das kann man sich so vorstellen, dass es verschiedene Kreise mit Leuten darin gibt. Sie sind miteinander verbunden. Innerhalb der Kreise gibt es Rollen. Das kann beispielsweise die Rolle sein, dass man derjenige ist, der die Sitzungen leitet. Das rotiert und ein nächstes Mal leitet jemand anders die Sitzung. Es gibt also durchaus eine Struktur, aber die ist wandelbar und auf sich verändernde Kontexte adaptierbar. Wir machen bereits viel selbstorganisiert, aber wir tun es nicht koordiniert und nicht bewusst. Man weiss zu wenig voneinander und damit verpufft viel Energie. Wir haben in unserer Kirchgemeinde einmal mit einer externen Beraterin gearbeitet. Sie hat ein Team begleitet. Das hatte das Problem, dass es immer lange Sitzungen hatte, aber am Schluss wenig konkrete Entscheide daraus resultierten. Man wollte die verschiedenen Rollen innerhalb des Teams einmal genauer anschauen. Die Beraterin war spezialisiert auf agile Arbeitsformen. Das Team wurde gecoacht und es hat neue Methodiken eingeübt. Was hat das verändert? Die Sitzungen sind kürzer, aber auch effizienter geworden. Heute fällt das Team in kurzer Zeit mehrere Entscheide. Dies, indem es einen strukturierten Ablauf gibt, wie man zu Entscheidungen kommt, und die Rollen geklärt wurden. Eine Methode zur Entscheidungsfindung in Gruppen ist beispielsweise jene des Konsents. Im Unterschied zum Konsens müssen dabei nicht alle mit etwas einverstanden sein. Unterschiedliche Meinungen sind Teil des Programms. Berücksichtigt werden in einem solchen Model aber nur jene Einwände, die begründet und quasi systemrelevant sind. DaManuel Perucchi © Adrian Hauser

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