ENSEMBLE Nr. / N° 58 - Mai / Mai 2021

18 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /58 Melanie Keller: Bei unserer Art von Kirche ist es uns wichtig, den Glauben erlebbar zu machen. Dabei setzen wir auf die Geschichten unserer Interviewgäste. Sie erzählen von ihrem Leben, von ihrem Glauben, von Brüchen in ihrer Biografie, von heilsamen Begegnungen und vielem mehr. Das Erzählte soll die Besuchenden inspirieren und zum Nachdenken anregen. Gabriel Friderich: Das Ambiente ist sehr wich­ tig. Die Besuchenden sollen sich wohlfühlen. Ob­ wohl durch die HipHop-Kultur der Umgangston direkt und bisweilen rau ist, soll «Church for the Unchurched» eine Wohlfühloase sein – und hier­ archiefrei. Hier hat niemand die Deutungshoheit. Im Gottesdienst im Februar ging es um Selbstliebe und Nächstenliebe. Janina, eine junge Frau, er- zählte von ihrer toxischen Beziehung. Ihr Partner kritisierte sie wegen ihres Körpers und machte sie klein. Sie hegte starke Selbstzweifel, liess sich gegen aussen aber nichts anmerken. Wie wählt ihr die Themen aus? Melanie Keller: Wir gehen nicht systematisch vor, sondern greifen Themen auf, die für junge Menschen existenziell sind. Ich kenne Janina schon lange und weiss um ihre Geschichte. Selbst­ liebe – die allumfassende Annahme seiner selbst – ist gerade für junge Menschen eine grosse Her­ ausforderung und schien uns als Thema geeignet. Zwei junge Frauen waren ausserdem bereit, das Thema tänzerisch auszudrücken. Janina erzählte, wie sie Gott alles dargelegt habe, auch das Schwierige, und wie sie gespürt habe, wie stark Gott sie liebt. Diese Liebe habe ihr geholfen, sich selbst zu akzeptieren und gern zu haben. Wie habt ihr Janinas Geschichte er- lebt? Melanie Keller: Für mich war eine Schlüssel­ szene, als Janina realisierte, dass es zweitrangig ist, was andere Menschen über sie denken. In erster Linie zählt das Angenommensein von Gott, die Liebe, die von ihm ausgeht. Janina hat erkannt, dass Gott keinen Massstab für Äusserlichkeiten hat, dem sie zu genügen hat. Von da an konnte Janina lernen, sich wieder selbst zu lieben. Denken und Reden über Gott kann für junge Menschen eine Orientierungshilfe sein. Sie können sich inspirieren lassen oder auch auf Distanz gehen. Wie seht ihr das? Melanie Keller: Für das Interview laden wir bewusst ganz verschiedene Menschen ein, denn wir wollen nicht eine bestimmte Theologie ver­ treten, sondern in Glaubensfragen «mehrsprachig» unterwegs sein. Alle sind frei, von den authen­ tischen Berichten einen Gedanken mitzunehmen oder die Inputs zu verwerfen. Wie geht ihr mit kontroversen Positionen von Talk- Gästen um? «Wir wollen nicht, dass der Gottesdienst jedes Mal identisch abläuft.» Melanie Keller «Es geht nicht darum, einen möglichst krassen Hip- Hop-Event zu inszenieren.» Gabriel Friderich Die Gottesdienste von «Church for the Unchur­ ched» finden sechsmal im Jahr im HipHop Center Bern statt, das nächste Mal am Sonntag, 6. Juni 2021. Zweimal im Jahr findet zudem ein grosser ökumenischer HipHop-Gottesdienst in Bern statt – abwechslungsweise in der Markus- oder in der St. Marienkirche. Am Sonntag, 9. Mai 2021, wird ab 19 Uhr zu HipHop-Beats in der Markus­ kirche Gottesdienst gefeiert. www.hiphopcenter.ch Künstlerische Darbietungen sind ein wichtiges Element der Gottesdienste der «Church for the Unchurched». Les représenta- tions artistiques sont un élément important des cultes de la «Church for the Unchurched». © Manuel Münch © HipHop Center Bern © HipHop Center Bern

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