ENSEMBLE Nr. / N° 57 - April / Avril 2021

7 ENSEMBLE 2021 /57 —– Doss i er Frauenrechte in der Kirche Redaktion – Bei der Einführung des Frauen­ stimmrechts waren die Kirchen dem Staat weit voraus: Als erste Kirche in der Schweiz führte 1891 die reformierte Freikirche in Genf (Eglise évangélique libre de Genève) das Frauenstimm­ recht ein. Auch in vielen reformierten Landes­ kirchen und Kirchgemeinden erhielten die Frauen lange vor 1971 das Stimm- und Wahl­ recht. Als 1904 die Schweizerische reformierte Kirchenkonferenz den Mitgliedskirchen emp­ fahl, das kirchliche Frauenstimmrecht einzu­ führen, reagierten diese zu Beginn zwar nur zögerlich. Doch bis 1930 erliessen die reformier­ ten Landeskirchen in Baselstadt, Bern, Aargau, Thurgau und Graubünden Regelungen zum kirchlichen Frauenstimmrecht. Einige von ih­ nen gewährten den Frauen jedoch nur das ak­ tive Stimmrecht, das passive Wahlrecht wurde ihnen vorenthalten. In einigen Kantonen wie­ derum war es den Kirchgemeinden überlassen, ob sie den Frauen das Stimm- und Wahlrecht zugestehen wollten. So auch ab 1918 im Kanton Bern, nachdem die Synode bereits 1908 den Sy­ nodalrat beauftragt hatte, gegenüber dem Kan­ ton die Mitwirkung der Frauen in kirchlichen Angelegenheiten zur Sprache zu bringen. Das Berner Landeskirchengesetz von 1945 erklärte das Stimm- und Wahlrecht für Frauen dann als obligatorisch. Somit konnten Frauen auch für die Synode kandidieren. Das Pfarramt hingegen blieb ihnen noch bis 1965 verschlossen, und auch im Synodalrat durften sie erst ab 1976 Ein­ sitz nehmen. Literaturtipp: Hanni Lindt-Loosli: Von der «Hülfsarbeiterin» zur Pfarrerin (Haupt, 2000). Frühjahr 2020 wurden die Mitarbeitenden der Ge­ samtkirchlichen Dienste befragt, wie sich Home­ office und Homeschooling auf ihre Arbeit auswirk­ te. Es zeigte sich, dass sich viele Männer zwar mehr als sonst an der Hausarbeit beteiligten, Home­ schooling und die Betreuung der Kinder im Vor­ schul- und Schulalter wie auch von älteren An­ gehörigen blieb aber weitgehend an den Frauen hängen. Solange das so ist, verwundert es nicht, dass Frauen ein politisches Amt oder eine Leitungs­ funktion wegen ihrer Kinderbetreuungspflichten ablehnen müssen. Frauen stecken aus familiären Gründen beruflich immer noch viel mehr zurück als Männer. Wenn Gleichstellung erreicht werden will, muss sich das ändern, in den Köpfen und in den Strukturen. Verschiedene Kirchen haben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie denn auch auf ihre Traktandenlisten gesetzt. Einige von ih­ nen haben sich durch die Fachstelle UND beraten und zertifizieren lassen. Der Anfang ist gemacht, zu tun gibt es noch einiges, insbesondere im Pfarr­ amt. Begleiten statt belehren Vor einigen Jahren wurde in vielen Kirchen 50 Jah­ re Frauenordination gefeiert. Es war berührend, die Berichte der Pionierinnen zu hören. Viele Kir­ chenmitglieder, insbesondere die Frauen, schätz­ ten die neuen Pfarrerinnen: Mit dem Fräulein Pfar­ rer konnte man auch am Küchentisch reden, den Herrn Pfarrer musste man in die gute Stube bitten. ©Anne Sardemann / EFS

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=