Refbejuso - Tätigkeitsbericht 2017

16 Neulich fragte mich ein Kollege beim Mittagessen, ob ich mit der Bezeichnung «Effektiver Altruismus» etwas anfangen könne. Ich überlegte einen Moment, dann antwortete ich ihm, Altruismus bedeute doch, sich für eine Person oder eine Sache einzusetzen, ohne etwas für sich selbst zu wollen. Die Handlung erfolge also ohne Eigennutz. Das Wort «effektiv» heisse so viel wie «tatsächlich» oder «wirkungsvoll». Mein Gegenüber nickte zustimmend. Daniel Inäbnit Kirchenschreiber Effektive Altruistinnen und Altruisten sind bereit, für ihre Ziele Einschnitte in ihrem Leben vorzunehmen. Helfenmit Herz und Verstand Mit dem «Effektiven Altruismus» als Ganzes konnte ich allerdings nicht viel anfangen. Darauf erklärte mir mein Kollege, dass der «Effektive Altruis- mus» eine junge soziale Bewegung sei, die es für ethisch zentral halte, einen Teil der eigenen Ressourcen da- für einzusetzen, dass möglichst viele Menschen davon profitieren können. Bei der Auswahl der Strategie stütze man sich auf neuste wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Idee, mit «kalkulierter» Empathie die Welt verändern zu wollen, faszi- niert und irritiert mich und deshalb schreibe ich hier darüber. Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es Effektive Altruistinnen und Altruisten sind bereit, für ihre Ziele Einschnitte in ihrem Leben vorzunehmen, nämlich weniger ressourcenverbrauchend und nachhaltiger zu leben, einen namhaf- ten Betrag ihres Gehalts zu spenden, gegebenenfalls den beruflichen Weg zu verändern. Die Bewegung, die im angelsächsischen Raum ihre Wurzeln hat, wird vor allem von jungen Menschen getragen. Ihr Engagement geht aus ganz unterschiedlichen Wertvorstellungen hervor. Grosse An- erkennung für ihr Handeln steht nicht im Vordergrund. Indem sie das tun, was sie als richtig erachten, sehen sie sich als Gewinnerinnen und Gewinner. Helfen im christlichen Kontext Tätige Nächstenliebe und Wohltätig- keit gelten als christliche Tugenden. Diese werden konkretisiert im diako- nischen Handeln, in der Begleitung von Menschen mit körperlichen, seelischen oder sozialen Nöten und von Menschen in Armut. Die Diakonie gehört somit zum Wesensmerkmal unserer Religion und der Kirche. Aus christlicher Sicht ist das Engagement der «Effektiven Altruisten» deshalb durchaus begrüssenswert. Kritik Die neue Bewegung ist aber auch kritisch zu betrachten. «Effektiver Altruismus» wirkt auf den ersten Blick doch sehr berechnend, irritiert durch seinen unpolitischen Charakter, das Nützlichkeitsdenken und das damit verbundene Risiko, dass letztlich Men- schenleben gegen Menschenleben aufgewogen werden könnten. Man kann der Bewegung vorhalten, dass sich Empathie nicht rechnen lasse und dass man doch die Ursachen des Elends bekämpfen müsse. Auch den Vorwurf, dem «Effektiven Altruismus» fehle eine Vorstellung vom guten Leben, von den Werten also, die für eine Gesellschaft kostbar sind und für den Einzelnen so etwas wie eine moralische Hintergrundlandschaft bilden. Schliesslich kann eingebracht werden, das rigide Nützlichkeits- denken stelle eine Provokation insbe- sondere für das Leben handicapierter Menschen dar. Würdigung Trotz der geäusserten Bedenken hat der «Effektive Altruismus» als Instrument und ethischer Ansatz nach meinem Dafürhalten Zukunfts- potenzial. Als wertvoll erachte ich es, ein gemeinnütziges Ziel zu formu- lieren, den eigenen Weg dorthin zu finden, ihn für viele zu öffnen, ihm einen institutionellen Rahmen zu geben, und all dies jenseits des eigenen Profits. Was meine Arbeit für die Kirche anbetrifft: Auch wir müssen uns überlegen, wie die Gelder, die uns anvertraut sind, zum Wohl möglichst vieler am besten zukunftsgerichtet einge- setzt werden. Kirchenschreiber

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