ENSEMBLE Nr. / N° 27 - April / Avril 2018

22 Fokus —– ENSEMBLE 2018/27 D E A T H C A F É Grenze zwischen Leben und Tod Tod. Ein Thema, dass eher vermieden wird. Meistens führt es zu unangenehmer Stille. Im «Death Café» ist das nicht so. Christian Walti, Pfarrer der Kirchgemeinde Frieden in Bern, lädt zu einem gemütlichen Barabend ohne Tabus über den Tod ein. Von Alena Lea Bucher Das «Death Café» findet von 19.23 bis 20.57 Uhr in der «ZAR Café*Bar» an der Pestalozzistrasse 9 in Bern statt. Ungewöhnliche Zeiten. Diese wurden so gewählt, um anzudeuten, dass Zeit relativ ist. Es ist schon dunkel. Das Café wirkt einladend, klein, warm, gemütlich. Mit einem freundlichen «Hallo» wird man begrüsst. Von Düsterheit oder etwas Unheimlichem keine Spur. Um Punkt 19.23 Uhr schlägt Christian Walti einen Gong mit einem überdimensionalen Löffel. Es wird still. Wir sind Sternenkinder Christian Walti begrüsst alle und erklärt, wie der Abend gestaltet wird. In einem ersten Teil gibt ein älterer Herr einen Input. Er hat Physik studiert mit Nebenfach Astrophysik. In fünf Minuten versucht er, das Universum zu erklären. Begeistert erzählt er, dass immer, wenn ein Stern stirbt, ein neuer geboren wird. Etwas muss vergehen, damit etwas Neues entstehen kann. Unsere Existenz ist ein kur­ zer Wimpernschlag, ein Augenblick im Vergleich zum Alter des Universums. Aus Altem entsteht in einer anderen Konstellation immer wieder etwas Neues. Der Input stammt jeden Abend von jemand anderem. Den Löffel abgeben Es gibt viele Fragen. Wer den Löffel hat, mit dem zuvor gegongt wurde, kann sprechen. Ist man fertig, gibt man den Löffel ab. Es entsteht eine Diskussion. Christian Walti findet die Vorstellung tröstlich, dass man in einer anderen Zusammen­ setzung wieder aufeinander trifft. Zum Thema Trost gab es verschiedene Anmerkungen. Jemand fand, es sei schön, seine Liebsten immer noch im Herzen bei sich zu haben. Andere mögen Er­ zählungen, die Verstorbene wieder in Erinnerung rufen. Zu wissen, dass jemand gut gelebt hat, viel erreicht hat, glücklich war, ist für einige ebenfalls sehr tröstlich. Genau das mag Pfarrer Christian Walti: Jeder hat andere Meinungen, und so kann man immer wieder voneinander lernen. Er mag es auch, Leute kennen zu lernen, die sonst mit der Kirche nichts zu tun haben. «Kirche ist lang­ weilig immer mit den gleichen Personen. Hier gibt es immer wieder spannende Begegnungen», erzählt er. «Beim ersten ‹Death Cafe› war eine Frau den ganzen Abend präsent, sagte aber nichts. Kurz vor Schluss meldete sie sich. Sie erzählte, dass sie als Jugendliche einen Elternteil verlor. Das sei zwar schlimm für sie gewesen, doch viel schlimmer: Ihre Freundinnen hätten sich von ihr abgewendet, wie sie erzählte. Dies aus Angst, et­ was Falsches zu sagen. Ich finde schön, dass sie bei uns einen Ort gefunden hat, dieses Erlebnis zu teilen.» Verwilderte Gärten Eine der Anwesenden wünschte sich für den eige­ nen Tod ein richtiges Abschiednehmen. Sie möch­ te, dass die wichtigen Personen in ihrem Leben um das Bett herum stehen, um das letzte Abend­ mahl gemeinsam einzunehmen. Sie empfindet eine solche Vorstellung als totale Zufriedenheit und Liebe. «Einschlafen wäre eine schöne Art zu sterben», meinte eine Frau. «Denn wie sagt man so schön: Schlafes Bruder ist der Tod.» Auch Be­ erdigung war ein wichtiges Thema: Wie sollte eine Beerdigung ablaufen? Für wen wird sie organi­ siert? Für die Toten oder für die Lebendigen? Wie möchte ich selbst begraben werden? Eine Frau erzählte uns, dass sie gerne an einem Platz be­ graben läge, der mit schönem Moos überwachsen ist. Andere träumen von verwilderten Friedhöfen oder Gärten. ©Alena Lea Bucher Das «Death Café». Le «Death Café».

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