ENSEMBLE Nr. / N° 27 - April / Avril 2018

20 Fokus —– ENSEMBLE 2018/27 Ist die Kirche eine Organisation wie jede andere – wenn auch mit einem religiösen Organisationszweck? Lässt sie sich führen wie jede andere Organisation? Was bedeutet der reformierte Grundsatz «Jesus Christus leitet seine Kirche» für den konkreten Gemeindealltag, für Entscheidungskompe- tenzen und die Aufgabe der Theologie? Von Bernd Berger* Mit diesen Fragen haben sich am 29. und 30. Ja­ nuar über 70 Pfarrpersonen und Kirchgemeinde­ räte im Bürenpark in Bern an der Bereichstagung Theologie auseinandergesetzt. Als Denkanstösse für das Leitungshandeln in den Kirchgemeinden und auf der Ebene der Kantonalkirche sollen hier einige Einsichten und Erkenntnisse der Tagung weitergegeben werden. Jesus Christus ist das Haupt Die christliche Kirche ist identisch mit ihrem Auftrag. Die Kirche kann sich nicht neben ihrem Auftrag noch andere Ziele und Zwecke setzen. Das heisst nun nicht, dass wir nur noch Gottesdienste feiern und Bibelarbeiten halten sollten. Es be­ deutet, all unser Handeln und alle unsere Ent­ scheidungen zu befragen, ob sie der befreienden, tröstenden, versöhnenden und erneuernden Kraft der biblischen Botschaft entsprechen. Dabei kann auch der Einleitung von Sitzungen eine wichtige Bedeutung zukommen. Ist sie Pflichtübung vor dem Eigentlichen oder setzt sie den Grundton für das Folgende? Ist sie Bitte um den Geist, der die Beratungen erfüllen soll? Nicht der Einengung, sondern der Konzentration dient die Aussage, dass Jesus Christus das Haupt der Kirche ist. Sie erinnert uns an die Verheissung, dass Christus seine Kirche durch den Geist leitet und bei ihrem Auftrag erhält und dass dieser Auftrag von allen gemeinsam getragen wird. Der reformatorische Leitsatz des allgemeinen Priester­ tums aller Gläubigen bringt dies zum Ausdruck. Leitung durch das Wort Leitungs- und Entscheidungsverantwortung muss geklärt sein. Wer hat welche Aufgaben? Eine einfache Über- und Unterordnung ist keine an­ gemessene Klärung der Leitungsfrage. So hält die bernische Kirchenordnung die Leitung durch den Kirchgemeinderat unmissverständlich fest. Aber sie enthält auch den theologischen Leitungsauf­ trag des Pfarramts. Dabei ist die Unterscheidung einer Leitung durch Entscheidungen und einer Leitung durch das Wort äusserst hilfreich. Eine Organisation wird geleitet durch Entschei­ dungen. Diese Entscheidungen bauen aufeinander auf, müssen kohärent sein und begründet. Diese Leitungsaufgabe liegt gemäss der bernischen Kir­ chenordnung beim Kirchgemeinderat. Pfarrerin­ nen und Pfarrer leiten unter anderen in doppeltem Sinne durch das Wort: indem sie selber auf das Wort hören und indem sie sich darum bemühen, durch theologische Reflexion und verständliche Sprache die biblische Botschaft in den konkreten Entscheidungsprozessen zu Gehör zu bringen. Des­ halb muss der Kirchgemeinderat in allen Entschei­ dungen die Pfarrpersonen anhören und diesem Wort in seinen Entscheidungen Gewicht geben. Pfarrteams haben sich trotz aller theologischen Unterschiede darum zu bemühen, in ihrer geist­ lich-theologischen Leitungsaufgabe nach einem Konsens zu suchen oder zumindest die Gründe für einen Dissens sichtbar zu machen. Demokratische Strukturen Leitung in der reformierten Kirche ist synodal-presbyteriale Leitung. Sie wird von der Basis auf Zeit verliehen. Sie ist auf mehrere Akteure verteilt, die sich gegenseitig begrenzen, kontrollieren, er­ mutigen. Wir können als Kirche viel von demo­ kratischen Leitungsmodellen in der Politik, vom System von «checks und balances» lernen. Leitung muss dienenden Charakter haben und funk­ tioniert nur, wenn sie in einem gemeinsamen Auftrag, einem gemeinsamen Zweck gründet. Des­ halb ist die Kommunikation über den gemein­ samen Auftrag zentral und unverzichtbar. T A G U N G B E R E I C H T H E O L O G I E «Leit uns in allen Dingen» * Leiter Weiterbildung Pfarrschaft pwb ©Sonja Gerber-Aebischer Pfarrpersonen leiten in doppel- tem Sinne durch das Wort: Podiumsdiskus- sion an der Theo- logie-Tagung. Les pasteures et pasteurs guident à travers le verbe, au sens propre comme au figuré: table ronde à la conférence de théologie.

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