Wort auf den Weg

Geduld und Menschlichkeit

Im Verlauf des vergangenen Sommers schien es immer wahrscheinlicher, dass einer Rückkehr in unseren gewohnten Alltag fast nichts mehr im Wege stehe. Und jetzt? Seit die Temperaturen gesunken sind, scheint die Lage erneut unüberschaubar zu werden. Wir sind weit von einer Normalität entfernt. Ja genau, es ist schwer auszuhalten. Dabei gibt es geduldigere Menschen und etwas weniger geduldige. Ich gehöre eindeutig zu letzterer Sorte.

Unsere moderne Gesellschaft wird geradezu auf eine zunehmende Ungeduld trainiert. Heute bestellt, morgen geliefert, das kennen wir vermutlich alle. Das Blättern in einem Lexikon ist überflüssig geworden, denn Google & Co weiss auf alle Anfragen blitzschnell eine Antwort. Warten entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Alles rechnen wir unter dem Gesichtspunkt der Effizienz, auch den Einsatz unserer Zeit. Das grösstmögliche Fortkommen in der kürzestmöglichen Zeit erscheint uns als unsere Bestimmung. Geduld üben wird dabei zu einer lästigen Trainingseinheit.

Nach den vielen Rückschlägen droht uns allmählich der Geduldsfaden zu reissen. Die Ungewissheit macht müde und erzeugt Gereiztheit. Das Verständnis für die Mitmenschen bleibt immer öfter auf der Strecke. Dabei wäre es gerade in der Zeit der neuen Gräben und Mauern von grösster Wichtigkeit, sorgsam damit umzugehen. Ein altes Wort fällt mir in diesem Zusammenhang immer wieder ein, es vereint Geduld, Ausdauer, Toleranz, Nachsicht und Gelassenheit in sich: die Langmut. Ein wunderschönes Wort, das wir ruhig wieder häufiger in unseren Sprachgebrauch aufnehmen könnten.

Die bevorstehende Adventszeit lädt uns dazu ein, innezuhalten und Geduld einzuüben - bewusst auch die eigene Haltung zum Aushalten einmal kritisch zu überprüfen - mit langem Atem und starkem Herzen.


Renate Grunder


Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn

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