ENSEMBLE Nr. / N° 65 - Mai / Mai 2022

Kirchenleitung – Christus ist das Haupt der Kirche Direction d’Eglise – Christ est le chef de l’Eglise N r . / No 65 —— M a i / M a i 2 0 2 2 Das Magazin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Le Magazine des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure

Inhal t —– ENSEMBLE 2022/65 I N H A L T I M P R E S S U M ENSEMBLE — Magazin für mitarbeitende, ehrenamtliche und engagierte Mitglieder der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn / Magazine pour les membres engagés, collaborateurs et bénévoles des Eglises réformées Berne-Jura-Soleure — Herausgeberin / Editeur: Reformierte Kirchen BernJura-Solothurn / Eglises réformées Berne-Jura-­ Soleure / Altenbergstrasse 66, Postfach / Case postale, 3000 Bern 22, ENSEMBLE@refbejuso.ch (auch für Abobestellungen) Erscheinungsweise / Parution: 5-mal pro Jahr / 5 fois par année — Auflage / Tirage: 7300 — Nächste Ausgabe / Prochaine parution: Ende Juli / fin juillet Redaktion / Rédaction: Adrian Hauser (verantwortlich / responsable), Nathalie Ogi, Alena Lea Bucher (rédactrices), Kirchliche Bibliotheken (Schaufenster), Tony Marchand (Cartoon), Rahel Gerber (Layout) — Übersetzungen / Traductions: André Carruzzo, Rolf Hubler (Deutsch), Gabrielle Rivier, Nadya Rohrbach — Korrektorat / Corrections: Renate Kinzl — Titelbild / Image de couverture: Symbolbild (KEYSTONE/TETRA IMAGES/Tetra Images) Grafisches Konzept / Concept graphique: Neidhart Grafik, Klösterlistutz 18, 3013 Bern — Inhaltliches Konzept und Beratung / Concept du contenu et conseil: hpe Kommunikation, Sustenweg 64, 3014 Bern — Layout / Druck / Impression: Jost Druck AG, Stationsstrasse 5, Postfach 102, 3626 Hünibach 4 DOSSIER CHRISTUS IST DAS HAUPT DER KIRCHE Christ est le chef de l’Eglise 10 14 16 Führung innerhalb der Kirche La direction au sein de l’Eglise Governance der Kirchgemeinden Gouvernance des paroisses Präsidien- und Pfarrkonferenzen 2022 17 FOKUS Aktuelles aus Bern-Jura-Solothurn FOCUS Actualités de Berne-Jura-Soleure 32 KREUZ UND QUER Aus den Bezirken, Kirchgemeinden und dem Haus der Kirche DE LONG EN LARGE Régions, paroisses et Maison de l’Eglise 39 SCHAUFENSTER VITRINE

3 ENSEMBLE 2022/65 —– Edi tor ial Ab August stehen die gemeinsamen Konferenzen der Kirchgemeindepräsidien und Pfarrpersonen auf dem Programm. Thema ist die gemeinsame Leitung von Kirchgemeinden. Das Ziel der Konferenzen ist es, die Leitung in den Kirchgemeinden dahingehend zu verbessern, dass «wesentliche inhaltliche Themen effizienter und zielorientierter bearbeitet werden können». Insgesamt werden im Herbst zwölf Konferenzen durchgeführt, davon fünf virtuell in Online-Form. ENSEMBLE kann den Diskussionen der Konferenzen und der damit verbundenen Meinungsbildung natürlich nicht vorgreifen. Daher befinden sich in diesem Dossier verschiedene Diskussionsbeiträge, die auf das Thema einstimmen sollen. Als Erstes geht Matthias Zeindler, Leiter Theologie, der Frage nach, was Leitung gemäss dem reformierten Verständnis überhaupt bedeutet oder bedeuten könnte. Dazu wagt er sich aus verschiedenen Blickwinkeln ans Thema, indem die verschiedenen Ebenen von Kirchesein berücksichtigt werden. Mehr auf die praktische Ebene bricht das Thema der Pfarrer Manuel Perucchi herunter. Er hat kürzlich eine Ausbildung in Verbandsmanagement gemacht und dabei wertvolle Erkenntnisse gewonnen. So haben für ihn agile Organisationsformen bei der Leitung von Kirchgemeinden Potenzial. Dies sei etwas, das vielerorts zwar bereits geschehe, aber nicht bewusst. Agil bedeutet etwa, dass Teams zielorientiert zusammengestellt werden und sich mit neuen Projekten und Zielen auch wieder neu formieren können. Aus wieder einem etwas anderen Blickwinkel betrachten verschiedene Pfarrpersonen aus dem Jura das Thema. Gemäss Sarah Nicolet hat die Kirchgemeinde Delsberg eine Kultur entwickelt, die auch ein partizipatives Modell in die Organisationsstruktur integriert. Die Verantwortung wird dabei zwischen Kirchgemeinderat und Festangestellten aufgeteilt. Auch dabei ist die Grundidee, vorwiegend projektorientiert zu arbeiten, also sich vor allem von den Inhalten leiten zu lassen. Les conférences communes des présidents et présidentes de paroisse et des représentants du corps pastoral sont à l’agenda dès le mois d’août. La direction commune des paroisses en est le thème. L’objectif est d’améliorer la direction dans les paroisses de manière à ce que «des questions de fond puissent être traitées de manière plus efficace et plus ciblée». Au total, 12 conférences seront organisées en automne, dont cinq en ligne. ENSEMBLE ne peut évidemment pas anticiper les débats des conférences et les opinions qui en découleront. C’est pourquoi le présent dossier contient plusieurs contributions pour introduire le sujet. En premier lieu, Matthias Zeindler, responsable du secteur Théologie, se penche sur la question de savoir ce que signifie ou pourrait signifier la direction de paroisse selon la conception réformée. Il aborde le sujet sous différents angles, en tenant compte des différents niveaux de l’Eglise. Le pasteur Manuel Perucchi aborde le sujet de manière plus pratique. Il a récemment suivi une formation en gestion associative et en a tiré de précieux enseignements. Pour lui, les formes d’organisation agiles ont un potentiel dans la gestion des paroisses. C’est quelque chose qui se fait déjà en de nombreux endroits, mais pas de manière consciente. Agile signifie par exemple que les équipes sont constituées en fonction d’objectifs et qu’elles peuvent se reformer en fonction de nouveaux projets et objectifs. Plusieurs pasteurs du Jura abordent le sujet sous un angle différent. Selon Sarah Nicolet, la paroisse de Delémont a développé une culture qui intègre également un modèle participatif dans la structure organisationnelle. Les responsabilités sont ainsi réparties entre le conseil de paroisse et ses employés à plein temps. Là aussi, l’idée de base est de travailler principalement par projet, c’està-dire de se laisser guider avant tout par le contenu. LIEBE LESERINNEN UND LESER CHÈRE LECTRICE, CHER LECTEUR F E D I T O R I A L ENSEMBLE wünscht allen spannende Diskussionen an den Herbstkonferenzen! ENSEMBLE souhaite à tous des discussions passionnantes cet automne! Adrian Hauser, verantwortlicher Redaktor / rédacteur responsable

4 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 CHRISTUS IST DAS HAUPT DER KIRCHE LEITUNG DER KIRCHE NACH REFORMIERTEM VERSTÄNDNIS CHRIST EST LE CHEF DE L’ÉGLISE DIRECTION D’ÉGLISE DANS LE PROTESTANTISME Kirche existiert auf verschiedenen Ebenen – als Kirchgemeinde, als Landeskirche, daneben auf nationaler, kontinentaler und globaler Ebene. Auf jeder dieser Ebenen wird Kirche geleitet – mit Verbindungen dazwischen. Nicht immer gleich, aber gemäss denselben Grundsätzen. Von Matthias Zeindler* Wir beginnen paradox: mit einem Satz, der nichts darüber sagt, wie man die Kirche leiten soll. Sondern dass die Kirche sich gar nicht selbst leitet, sondern geleitet «wird». Dieser Satz ist nicht nur numerisch, sondern auch sachlich der erste, der über jede Leitung in der Kirche zu sagen ist. Er ist derjenige Satz, an dem alles, was noch kommt, hängt. Wo man ihn vergisst, da hat man das Thema «geistliche Leitung» verlassen. Und man wird das Thema erst wieder finden, wenn man sich diesen Satz wieder gesagt sein lässt: dass nicht «wir», sondern Christus seine Kirche leitet. Im Neuen Testament wird dies unter anderem mit dem Bild von Christus als dem Haupt und der Kirche als seinem Leib ausgedrückt. So im Epheserbrief: Gott hat Christus «als alles überragendes Haupt der Kirche gegeben; sie ist sein Leib» (Eph. 1,22f.). Dieses Bild hat das Nachdenken der frühen Reformierten über die Kirche und deren Leitung bestimmt. Als Beispiel sei Heinrich Bullinger genannt, der Nachfolger Zwinglis in Zürich, der im Zweiten Helvetischen Bekenntnis festhält: «Der Leib hat nur ein einziges Haupt.» Um dann fortzufahren: «Deshalb kann die Kirche kein anderes Haupt haben als Christus. […] Und sie kann durch keinen anderen Geist regiert werden als durch Christi Geist.» Ein weiteres gewichtiges Stichwort: Der «Heilige Geist», der «Geist Christi». In seinem Geist ist der auferstandene Christus in der Gemeinde und in der Welt gegenwärtig. Durch seinen Geist führt er die Glaubenden zu einer Gemeinschaft zusammen, tröstet, belebt und animiert er sie. Durch den Geist leitet er sie auch. Wie es ohne Christus keine Kirche gibt, so auch nicht ohne Heiligen Geist. Geistliche Leitung bedeutet nicht Leitung durch einen Stand von Geistlichen. Sie bedeutet auch nicht in erster Linie Leitung durch so etwas wie «geistliche» Prinzipien, vielleicht im Unterschied zu Führungstheorien aus der Managementlehre. Dass es Christus ist, der die Kirche durch seinen Geist leitet, schliesst nicht aus, dass das Leiten der Kirche eine menschliche Aufgabe ist. Im Gegenteil, es schliesst das gerade ein. Kirche bei ihrem Auftrag erhalten Neben der geistlichen Leitung gibt es in der Kirche keine andere Leitung. Es gibt nicht eine geistliche Leitung und daneben allenfalls noch eine andere, eine nichtgeistliche Leitung. Doch was «bewirkt» Christus in der Kirche? Er erhält die Kirche bei ihrem Auftrag. Er sorgt dafür, dass diese Kirche ihren Auftrag nicht aus den Augen verliert. Am Ende des Matthäusevangeliums formuliert der auferstandene Christus diesen Auftrag so: «Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe» (Mt. 28,19-20). Und sehr nahe an diesen Versen heisst es in der Verfassung der reformierten Berner Landeskirche: «Die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Bern hat von ihrem Herrn den Auftrag, allem Volk in Kirche und Welt die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verkündigen» (Art. 2 Abs. 1). Die Kirche gibt es, weil das Evangelium von Gottes freier Gnade in der Welt laut werden soll. Nur dafür hat Christus die Kirche ins Leben gerufen. * Leiter Theologie

5 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er Christus erhält durch seine Leitung diese Kirche am Leben. Darin, dass die Kirche geistlich geleitet wird, steckt deshalb eine grosse Entlastung. Nämlich das Versprechen, dass Christus diese Kirche nicht sich selbst überlässt. Sondern dass er sie erhält, indem er sie immer neu auf ihre Aufgabe ausrichtet. Presbyterial-synodale Leitung Damit kommen wir zu einer weiteren Frage: Wer ist das, der oder die in der Kirche leitende Verantwortung trägt? Und hier kommen nun reformatorische und reformierte Spezifika im Verständnis der Kirche zum Zuge. Wir sprechen vom reformatorischen «Priestertum aller Gläubigen». Beim Priestertum aller Gläubigen geht es nicht um Verteilung von Macht, sondern um Verantwortung. Das meint: Jeder Christ und jede Christin ist in der Lage, die Bibel zu lesen und zu verstehen und sich auf dieser Basis ein selbständiges Urteil zu bilden. Das allgemeine Priestertum kann auch übersetzt werden mit dem Begriff der religiösen Mündigkeit. Aus dieser Kompetenz ergibt sich eine Verantwortung. Damit versteht es sich, dass mit dem Auftrag der Kirche die Leitung der Kirche der gesamten Gemeinde anvertraut ist. Denn die Leitung der Kirche zielt ja auf nichts anderes als auf die rechte Ausführung des Auftrags. Und wie alle Glieder der Gemeinde die Kompetenz und die Aufgabe haben, in Fragen des Glaubens selbständig zu urteilen, so haben sie auch die Kompetenz und die Aufgabe, sich zu Fragen, wie dieser Glaube in der Welt weitergegeben werden solle, ein selbständiges Urteil zu bilden. Diese gemeinsame Leitungsverantwortung hat bei den Reformierten von Anfang an in der Leitungsstruktur Gestalt angenommen. Es war Calvin, der aus dem Neuen Testament vier Ämter der Kirche abgeleitet hat: die Pastoren (also die Pfarrer), die Lehrer (verantwortlich für die Bildung des kirchlichen Personals), die Ältesten (verantwortlich für die Aufsicht über die Gemeinde) und die Diakone (die für das Soziale zuständig sind). Wichtig war für Calvin, dass die Leitung der Gemeinde nicht einem dieser Ämter obliegt, sondern dass sie kollegial von allen wahrgenommen wird. Man nennt diese kollegiale Leitung auch presbyteriale Leitung. Für übergemeindliche Fragen wurde die Synode als regionales Leitungsgremium eingeführt, so dass man in der reformierten Kirche von einer presbyterial-synodalen Leitung spricht. Hörende Leitung Ein weiterer Aspekt leitet sich im Wesentlichen aus der Kirchenordnung des Evangelisch-reformierten Synodalverbandes Bern-Jura ab. Im Artikel 104 steht: «Gemeindeleitung ist verantwortliches Handeln und Entscheiden im Hören auf das Wort Gottes zum Wohl der Gemeinde.» Dieser Artikel Für übergemeindliche Fragen wurde die Synode als regionales Leitungsgremium eingeführt, so dass man in der reformierten Kirche von einer presbyterial-synodalen Leitung spricht. Le Synode y a été introduit comme organe régional de direction pour traiter les questions supraparoissiales; c’est pourquoi le modèle de direction réformé est nommé modèle presbytérosynodal. © Michael Stahl

6 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 ist eine direkte Ableitung aus Artikel 100, mit welchem der Abschnitt über «Aufbau und Leitung der Gemeinde» beginnt: «Die Kirchgemeinde steht unter dem Wort Gottes.» Wir stehen nun vor der Frage, wie diese Leitung sich konkret abspielt. Die Antwort: Christus leitet seine Kirche durch sein Wort. Weil die Auslegung und die Aneignung der Bibel der Ort ist, wo Glaube, Liebe und Hoffnung entstehen, ist es auch der Ort, wo Kirche begründet, aufgebaut und erneuert wird. Und damit der Ort, wo geistliche Leitung der Kirche immer wieder ihren Anfang nimmt. Deshalb kann Gemeindeleitung nur «im Hören auf das Wort Gottes» stattfinden. Also begleitet von der ständigen Frage, was Christus uns durch die Texte der Bibel für unsere heutige Situation, für die heutigen Herausforderungen der Kirche, sagen will. Man kann es auch so ausdrücken: Geistliche Leitung ist «hörende» Leitung. Für die Reformatoren war es selbstverständlich, dass das allgemeine Priestertum das Verkündigungsamt nicht relativiert oder aufhebt. Nach Martin Luthers Verständnis sind Priestertum aller Gläubigen und das Verkündigungsamt einander zugeordnet. Das Priestertum aller Gläubigen braucht das Verkündigungsamt, es ist darauf angewiesen. Das Pfarramt hat die Aufgabe, die Gemeinde dazu zu befähigen, ihre Leitungsaufgabe kompetent wahrzunehmen. Die Berner Kirchenordnung ist auch in dieser Angelegenheit klar: «Das Pfarramt ist verantwortlich für die Verkündigung des Evangeliums. In dieser geistlichen Aufgabe hat es Teil an der Leitung der Gemeinde.» Mit diesen beiden Sätzen wird sowohl die Bedeutung als auch die Begrenzung der Rolle des Verkündigungsamtes bei der Leitung der Gemeinde ausgesprochen. Das Pfarramt hat eine enorm grosse Rolle bei dieser Leitung. Denn wenn Gemeindeleitung aus dem Hören auf das Wort Gottes erfolgt, dann haben Pfarrpersonen die Aufgabe, dass die Gemeinde und die für die Leitung Verantwortlichen dieses Wort immer wieder zu hören bekommen. Auf diesen Dienst ist die Mitwirkung des Pfarramtes aber auch begrenzt. Diese geistliche Leitungsverantwortung des Verkündigungsamtes schlägt sich darin nieder, dass die theologische Stimme der Pfarrschaft in allen Fragen, mit denen sich eine Gemeindeleitung befassen muss, zu hören ist. Also auch beim Budget oder bei der Sanierung des Daches des Kirchgemeindehauses. Die bernische Kirchenordnung sagt dazu: Das Pfarramt berät «den Kirchgemeinderat, die Ämter und die weiteren Dienste in theologischen Fragen». Und umgekehrt gilt für den Kirchgemeinderat, dass er sich «vor seinen Entscheidungen durch das Pfarramt theologisch beraten» lässt. Gegenseitige «Wertschätzung» Es lässt sich an der Kirche ablesen, ob sie von Jesus Christus durch den Heiligen Geist geleitet ist. Es lässt sich daran ablesen, dass die Gemeinde als Ganze dafür verantwortlich ist. Daran, dass diese Leitung ernsthaft Leitung aus dem Hören auf das Wort Gottes sein will. Und daran, dass das Verkündigungsamt in rechter Weise beteiligt wird. Und schliesslich daran, dass man ernstlich damit rechnet, Bibel und Theologie hätten in Sachen Leitung in der Kirche Zentrales zu sagen. Geistliche Leitung wird sich durch gegenseitige Wertschätzung auszeichnen. Geistliche Leitung der Kirche wird sich auch darin zeigen, dass das Entscheiden und Handeln der Verantwortlichen von kritischer Selbstprüfung begleitet ist. Christenmenschen wissen darum, dass sie begrenzte und fehlbare Wesen sind. Sie wissen auch darum, dass Macht versuchlich ist, sogar in der Kirche. Und sie wissen deshalb darum, dass der Geist Christi auch so wirkt, dass er uns unsere Grenzen, unsere Irrtümer und unsere Korruption durch die Versuchungen der Macht bewusst macht. Als Christenmenschen wissen sie auch darum, dass Selbstkritik und Selbstkorrektur kein Zeichen der Schwäche ist. Sondern ein Zeichen dafür, dass Christus seine Kirche nicht sich selbst überlässt. Sie durch seinen Geist immer neu zu besserer Einsicht führt. (Abgeleitet und redaktionell bearbeitet aus dem Referat an der Tagung «‹Leit uns in allen Dingen›. Geistlich leiten – theologische Klärungsversuche im Dialog mit sozialwissenschaftlichen Führungstheorien», 29./30. Januar 2018, Bürenpark Bern) Wer ist das, der oder die in der Kirche leitende Verantwortung trägt? Qui est celui ou celle qui assume des responsabilités dirigeantes au sein de l’Eglise? © KEYSTONE / WESTEND61 / Fotofeeling

7 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er F L’Eglise existe à différents niveaux: communal (paroisse), cantonal, national, continental et mondial. L’Eglise est dirigée à chaque niveau et les niveaux sont reliés. Au-delà de la diversité, les principes sont les mêmes. Par Matthias Zeindler* Tout commence par un paradoxe: l’Eglise est dirigée. Cette affirmation ne dit rien sur la manière; elle dit seulement que l’Eglise ne se dirige absolument pas elle-même, qu’elle «est dirigée». En matière de direction dans l’Eglise, cette phrase est la première, dans tous les sens du terme: d’une part parce que toute la suite en dépend, d’autre part parce que l’oublier signifie abandonner la question de la «direction spirituelle», qui ne pourra être retrouvée que si l’on accepte de laisser à nouveau résonner la fameuse phrase: ce n’est pas «nous» qui dirigeons l’Eglise, mais le Christ qui dirige son Eglise. Le Nouveau Testament exprime cette idée notamment à travers l’image de la tête et du corps, c’est-à-dire du Christ chef de son Eglise: Dieu «l’a donné comme tête, au-dessus de tout, à l’Eglise qui est son corps» (Ephésiens 1,22 s.). Cette image a déterminé la réflexion des premiers réformés sur l’Eglise et sur sa direction. Citons par exemple Heinrich Bullinger, le successeur de Zwingli à Zurich, qui écrit dans la Confession helvétique postérieure: «Un corps n’a qu’une seule tête ou qu’un seul chef», et poursuit: «Ainsi l’Eglise ne peut point avoir d’autre chef que Jésus-Christ […]. Elle ne peut pas non plus être conduite ou animée par un autre esprit, que par celui de Jésus-Christ.» Voici un autre élément essentiel: l’Esprit Saint, l’Esprit du Christ. Le Christ ressuscité, dans son Esprit, est présent dans la paroisse et dans le monde. Par son Esprit, il amène les croyantes et les croyants à faire communauté, il les console, leur insuffle la vie et les met en mouvement. Par l’Esprit, il les dirige aussi. Tout comme il n’y a pas d’Eglise sans le Christ, il n’y en a pas non sans l’Esprit Saint. La direction spirituelle ne signifie pas qu’une catégorie d’ecclésiastiques est aux commandes. Elle n’est pas non plus prioritairement soumise à des principes «spirituels», ce qui la distingue peutêtre des théories de direction issues de la doctrine du management. Que le Christ par son Esprit soit à la tête de l’Eglise n’exclut pas que la direction de l’Eglise constitue une tâche humaine. Au contraire, cela l’inclut pleinement. Maintenir l’Eglise dans sa mission En dehors de la direction spirituelle, l’Eglise ne connaît aucune autre forme de direction. A côté de la direction spirituelle, on ne trouve en aucun cas de direction non spirituelle. Mais que «meut» le Christ dans l’Eglise? Il maintient l’Eglise dans sa mission. Il veille à ce qu’elle ne perde pas des yeux sa mission. A la fin de l’Evangile de Matthieu, le Christ ressuscité for- * Responsable du secteur Théologie La direction spirituelle se caractérisera par un respect mutuel. Geistliche Leitung wird sich durch gegenseitige Wertschätzung auszeichnen. © KEYSTONE / WESTEND61 / Huberstarke

8 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 mule la mission ainsi: «Allez, faites des gens de toutes les nations des disciples, baptisez-les pour le nom du Père, du Fils et de l’Esprit Saint, et enseignez-leur à garder tout ce que je vous ai commandé. Quant à moi, je suis avec vous tous les jours, jusqu’à la fin du monde» (Mt 28,19-20); ces versets se retrouvent à peu de chose près dans la Constitution de notre Eglise: «L’Eglise réformée évangélique du canton de Berne a reçu de son Chef la mission de prêcher à tous, dans l’Eglise et dans le monde, l’Evangile de Jésus-Christ» (art. 2, al. 1, Cst.E). L’Eglise existe parce que l’Evangile de la gratuite de la grâce divine a besoin d’un portevoix dans le monde; c’est la seule raison pour laquelle le Christ a donné vie à l’Eglise. En la dirigeant spirituellement, le Christ maintient l’Eglise en vie. Cette affirmation est très réconfortante puisqu’elle renferme la promesse que le Christ ne laisse pas l’Eglise livrée à elle-même, mais qu’il la maintient en la réorientant toujours sur sa tâche. Direction presbytéro-synodale Ce constat amène une autre question: dans l’Eglise, qui est responsable de la direction? Revenons aux conceptions ecclésiologiques spécifiquement réformées. Le protestantisme parle du «sacerdoce universel», qui n’est pas affaire de répartition du pouvoir, mais de responsabilité. Le sacerdoce universel signifie que chaque chrétienne et que chaque chrétien est en mesure de lire et de comprendre la Bible et de se forger son propre jugement sur cette base. Il peut aussi être traduit par la notion de majorité religieuse, une compétence qui entraîne une responsabilité. Vu la mission de l’Eglise, il est donc logique que sa direction soit confiée à la communauté tout entière. En effet, la direction de l’Eglise ne vise rien d’autre que la bonne exécution de la mission. Et tout comme l’ensemble des membres de la communauté ont la compétence et la tâche de juger par eux-mêmes sur les questions relatives à la foi, ils ont aussi la compétence et la tâche de se forger leur propre jugement sur des questions relatives à la manière de transmettre cette foi au monde. Dans le protestantisme, cette responsabilité commune a fait partie dès le départ de la manière de structurer la direction. C’est Calvin qui a défini les quatre ministères de l’Eglise à partir du Nouveau Testament: les pasteurs, les enseignants (responsables de la formation du personnel ecclésial), les anciens (responsables de la surveillance de la communauté) et les diacres (chargés du volet social). Pour Calvin, il était important que la direction de la paroisse n’incombe pas à un seul de ces ministères, mais qu’elle soit assumée de manière collégiale; on parle aussi de direction presbytérale. Le Synode y a été introduit comme organe régional de direction pour traiter les questions supra-paroissiales; c’est pourquoi le modèle de direction réformé est nommé modèle presbytéro-synodal. Ecouter pour diriger Le règlement ecclésiastique de l’Union synodale réformée évangélique Berne-Jura énonce un autre aspect fondamental de la question: «La direction de la paroisse agit et décide de manière responsable dans l’écoute de la Parole de Dieu pour le bien de la paroisse» (art. 104, al. 1). Cet article découle directement de l’article 100, qui introduit la section «Constitution et direction de la paroisse»: «La paroisse est placée sous l’autorité de la Parole divine.» Comment ce modèle de direction est-il concrètement mis en œuvre? Christ dirige son Eglise par sa parole: la réponse se trouve dans cette affirmation. Parce que la foi, l’amour et l’espérance surgissent lorsque nous interprétons et que nous nous approprions la Bible, c’est aussi là que l’Eglise est fondée, bâtie et renouvelée et là que sa direction «La paroisse est placée sous la Parole de Dieu.» «Die Kirchgemeinde steht unter dem Wort Gottes.» © KEYSTONE / SCIENCE PHOTO LIBRARY / Cordelia Molloy

9 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er spirituelle s’origine toujours de nouveau. La direction paroissiale ne peut donc se dérouler que «dans l’écoute de la Parole de Dieu», guidée par le désir constant d’entendre ce que le Christ veut nous dire à travers les textes bibliques pour notre situation actuelle, pour les défis de l’Eglise. Pour l’exprimer autrement, la direction spirituelle est une direction d’écoute. Pour les réformateurs, il est évident que le sacerdoce universel ne relativise ni n’annule le ministère d’annonce de la Parole. D’après Luther, le sacerdoce universel et le ministère de prédication sont soumis l’un à l’autre. Le sacerdoce universel a besoin du ministère pastoral; la communauté en dépend puisqu’elle doit y acquérir la compétence d’accomplir correctement sa tâche de direction. Le règlement ecclésiastique est clair sur ce point aussi: «Le ministère pastoral est responsable de la proclamation de l’Evangile. Dans cette tâche spirituelle, il est partie prenante de la direction de la paroisse» (art. 123, al. 1). Ces deux phrases expriment aussi bien le sens que les limites du rôle du ministère d’annonce de la Parole en matière de direction. Le ministère pastoral joue un rôle considérable: en effet, si la direction de la paroisse naît de l’écoute de la Parole, alors les ministres ont pour tâche de donner à entendre toujours à nouveau cette Parole à la communauté et aux responsables de la direction. Mais même dans ce service, la participation du ministère pastoral est limitée. La responsabilité spirituelle de direction du ministère d’annonce de la Parole s’exprime à travers la voix théologique du corps pastoral sur l’ensemble des questions que doit traiter une direction communautaire (y compris sur le budget ou sur la réfection du toit de la maison paroissiale). Le règlement ecclésiastique stipule que le ministère pastoral «apporte un éclairage théologique au conseil de paroisse, aux ministères et aux autres services» (art. 123, al. 2) et qu’inversement, «avant de prendre une décision, le conseil de paroisse sollicite un éclairage théologique auprès du ministère pastoral» (art. 110, al. 2). Estime mutuelle Il est facile de savoir si l’Eglise est dirigée par Jésus-Christ à travers le Saint-Esprit: il suffit de regarder si la communauté en tant que corps en est responsable, s’il existe une sérieuse intention de fonder cette direction dans l’écoute de la Parole de Dieu, si le ministère d’annonce de la Parole est équitablement réparti, et enfin s’il règne la ferme conviction que la parole biblique et le discours théologique sont essentiels en matière de direction ecclésiale. La direction spirituelle se distingue par l’estime mutuelle et transparaît aussi dans l’examen critique dont les responsables accompagnent leurs propres décisions et actions. Les chrétiennes et les chrétiens savent qu’ils sont limités et faillibles. Ils savent aussi que le pouvoir est soumis à la tentation, même dans l’Eglise. Ils savent donc que l’Esprit du Christ agit aussi pour nous révéler nos limites, nos erreurs et notre corruption par soif de pouvoir. Ils savent enfin que l’autocritique et l’autocorrection ne sont pas des signes de faiblesse, mais des signes que le Christ ne livre pas son Eglise à elle-même et qu’Il ne cesse de la guider par son Esprit vers une plus grande clarté de vue. (Repris et retravaillé à partir d’un exposé tenu à l’occasion du colloque de Refbejuso «‹Leit uns in allen Dingen›. Geistlich leiten – theologische Klärungsversuche im Dialog mit sozialwissenschaftlichen Führungstheorien», 29 et 30 janvier 2018, Bürenpark, Berne) Le sacerdoce de tous les croyants n’est pas une question de partage du pouvoir, mais de responsabilité. Beim Priestertum aller Gläubigen geht es nicht um Verteilung von Macht, sondern um Verantwortung. © KEYSTONE / WESTEND61 / Christine Mueller

10 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 Manuel Perucchi ist Theologe und Pfarrer in der Kirchgemeinde Muri-Gümligen. Er ist zudem Absolvent des Diplomlehrgangs Verbands-/NPO-Management am Institut für Verbandsmanagement (VMI) in Fribourg. Seine damit verbundenen Arbeitsschwerpunkte liegen in der Gemeindeleitung und -entwicklung. Er befasst sich intensiv mit Führungs- und Organisationsmodellen in Kirchgemeinden. ENSEMBLE sprach mit ihm über die Ansätze in seiner Diplomarbeit. Von Adrian Hauser Herr Perucchi, wer leitet die Kirche? Die Mitarbeitenden leiten recht viel, indem sie Ideen einbringen und Projekte vorantreiben. Je nachdem braucht es eine Einwilligung vom Kirchgemeinderat, aber ich glaube, sehr viel kommt von den Mitarbeitenden aus. Also so quasi von unten … Eigentlich schon. Die Kirche wird nicht im klassischen Sinne geleitet. Das vermisse ich manchmal auch etwas. Mehr Leitung würde aber voraussetzen, dass es ein gemeinsames Verständnis von Kirche gibt, ein gemeinsames Ziel. Da es viele unterschiedliche Auffassungen von Kirche gibt, sind es oft die Mitarbeitenden, die Dinge vorantreiben, dabei aber auch viele Möglichkeiten haben. Das kann sehr positiv sein. Aber es ist manchmal auch ein wenig unkoordiniert. So erlebe ich es wenigstens. Führung ist in der der Kirche kein grosses Thema, dessen man sich bewusst ist. In Ihrer Arbeit ist die Rede von der sichtbaren und der unsichtbaren Kirche. Können Sie mir erklären, wie das genau gemeint ist? Das Unsichtbare ist das, was uns antreibt, unser Grund, über den wir ja nicht wirklich verfügen können. Wir sind zusammen mit anderen Religionsgemeinschaften fast die einzige Non-ProfitOrganisation, die eine Art Sinnorganisation ist, die sich auf etwas bezieht, das sie letztendlich nicht wirklich definieren kann. Damit ist auch unsere Tradition gemeint, in der wir stehen und in der wir uns weiterentwickeln. Die sichtbare Kirche ist die konkrete Organisation. Wie beispielsweise unsere Kirchgemeinde hier vor Ort in Muri-Gümligen. Wir sind hier sichtbar, wir haben einen Auftritt, uns nimmt man wahr. Man traut sich aber nicht so recht hin zu einer definierten Struktur. Doch wir sind zu einer Institution mit vielen Mitarbeitenden geworden, in der es Strukturen, Gremien und öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen gibt. Wir müssen uns und unsere Arbeit organisieren, und manchmal habe ich den Eindruck, dies wird etwas tabuisiert. Man kommt dann schnell auf das Thema Hierarchien. Bei solchen Fragen ist man besonders in der Reformierten Kirche sehr zurückhaltend. Denn wir sind eine Institution, die basisdemokratisch aufgebaut ist. Was gibt der öffentlich-rechtlichen Status alles vor? Dass man die Leitungsgremien hat, die der Staat vorschreibt, also eine Kirchgemeindeversammlung als oberstes Organ, wo die wichtigen Geschäfte beschlossen werden, und einen Rat analog zu einem Gemeinderat, der die Exekutive ist und die Kirchgemeinde strategisch leitet. Die Kirchenordnung sieht zudem eine gemeinsame Gemeindeleitung von Kirchgemeinderat und Pfarramt mit Einbezug der anderen Ämter vor. Wir bewegen uns also in einem Rahmen, der einiges vorgibt, aber auch Spielräume lässt. Wo sehen Sie die Chancen und Gefahren bei solchen Rahmenbedingungen? Die Rahmenbedingungen verhindern, dass einzelne Leute alle Macht haben können. Die durch und durch demokratische Organisation führt auch zu einer gewissen Legitimation in der Gesellschaft. Gefahren sehe ich darin, dass der Eindruck entstehen könnte, innerhalb der öffentlichrechtlichen Strukturen sei nicht mehr so viel möglich. Aber eigentlich ist man ja sehr frei darin, wie man die Arbeit zusammen mit dem Rat organisiert. Klar, entscheidet der Kirchgemeinderat über gewisse Geschäfte. Aber unter den Mitarbeitenden selbst gibt es wenig Hierarchie. Das heisst aber nicht, dass man als Kirche gänzlich auf Strukturen und Hierarchien verzichten sollte. Es gibt zudem ja auch nicht nur Hierarchien als klassisches Führungsmodell, sondern auch neuere, agilere Organisationsformen, die meiner Meinung nach Potenzial haben. Was wäre eine solche agile Organisationsform? Als Kirche würde es uns sehr entsprechen, selbstorganisiert zu arbeiten, weil wir das auf eine Art ja bereits tun. Das heisst nicht, dass jeder F Ü H R U N G I N N E R H A L B D E R K I R C H E «Agile Organisationsformen haben Potenzial»

1 1 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er mit spielt es dann keine Rolle mehr, ob eine Wand rot oder grün gestrichen wird. Weil dies in den meisten Fällen für die Organisation weder schädlich ist noch sie zurückwirft in ihrer Entwicklung. Sie vergleichen die Kirche mit einer Non-ProfitOrganisation. Wo sehen Sie Parallelen und wo Unterschiede? Wir sind eine Non-Profit-Organisation, weil wir kein monetäres Ziel verfolgen, also nicht profitorientiert sind, dafür aber einen gesellschaftlich wichtigen Auftrag erfüllen. Wir bewegen uns als Kirche in einem soziokulturellen Bereich, also einem klassischen Non-Profit-Bereich. Aber gleichzeitig sind wir eine religiöse Gemeinschaft und damit Exoten unter den NPOs, weil wir uns auf einen anderen Grund beziehen und einen etwas anderen Aufbau haben als klassische Non-ProfitOrganisationen. Wir sind kein Verein und keine Stiftung, sondern eine «faith-based» öffentlichrechtliche Institution. Strukturell wie organisational können wir von der NPO-Welt und neuen interessanten Managementmodellen jedoch viel lernen. Herausforderungen gibt es ja genug – aber auch praktikable Lösungsansätze. macht, was er will. Selbstorganisation heisst, dass man weniger klar definierte Pflichtenhefte oder Stellenbeschriebe hat oder weniger fix definierte Teams mit einem Chef, der dann vielleicht noch einer Ressortleitung angegliedert ist. Selbstorganisation heisst, dass man sich zuerst überlegt, was für Aufgaben man überhaupt hat. Was sind beispielsweise hier vor Ort die Herausforderungen, die an uns als Kirche gestellt werden? Wie bewältigen wir die? Damit ist gemeint, dass man mehr von den Inhalten her denkt und sich überlegt, wer eigentlich unsere Zielgruppen sind bei den verschiedenen Aufgaben und welche Bedürfnisse sie haben. Und so beginnt man dann, auf die Aufgaben bezogene interdisziplinäre Teams zusammenzustellen. Das wäre völlig durchlässig und auf Zeit, und bei jedem neuen Projekt würden die Teams neu formatiert. Also eine sehr zielorientierte Arbeitsweise. Ja, das ist wirklich sehr ziel- und aufgabenorientiert. Es gibt verschiedene Philosophien oder Modelle. Man spricht teilweise auch von einer Kreisstruktur. Das kann man sich so vorstellen, dass es verschiedene Kreise mit Leuten darin gibt. Sie sind miteinander verbunden. Innerhalb der Kreise gibt es Rollen. Das kann beispielsweise die Rolle sein, dass man derjenige ist, der die Sitzungen leitet. Das rotiert und ein nächstes Mal leitet jemand anders die Sitzung. Es gibt also durchaus eine Struktur, aber die ist wandelbar und auf sich verändernde Kontexte adaptierbar. Wir machen bereits viel selbstorganisiert, aber wir tun es nicht koordiniert und nicht bewusst. Man weiss zu wenig voneinander und damit verpufft viel Energie. Wir haben in unserer Kirchgemeinde einmal mit einer externen Beraterin gearbeitet. Sie hat ein Team begleitet. Das hatte das Problem, dass es immer lange Sitzungen hatte, aber am Schluss wenig konkrete Entscheide daraus resultierten. Man wollte die verschiedenen Rollen innerhalb des Teams einmal genauer anschauen. Die Beraterin war spezialisiert auf agile Arbeitsformen. Das Team wurde gecoacht und es hat neue Methodiken eingeübt. Was hat das verändert? Die Sitzungen sind kürzer, aber auch effizienter geworden. Heute fällt das Team in kurzer Zeit mehrere Entscheide. Dies, indem es einen strukturierten Ablauf gibt, wie man zu Entscheidungen kommt, und die Rollen geklärt wurden. Eine Methode zur Entscheidungsfindung in Gruppen ist beispielsweise jene des Konsents. Im Unterschied zum Konsens müssen dabei nicht alle mit etwas einverstanden sein. Unterschiedliche Meinungen sind Teil des Programms. Berücksichtigt werden in einem solchen Model aber nur jene Einwände, die begründet und quasi systemrelevant sind. DaManuel Perucchi © Adrian Hauser

12 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 F L A D I R E C T I O N A U S E I N D E L ’ É G L I S E «Les formes d’organisation agiles ont du potentiel» Manuel Perucchi est théologien et pasteur à la paroisse de Muri-Gümligen. Il a aussi obtenu le diplôme en gestion d’associations et d’organisations à but non lucratif de l’Institut pour le management des associations (VMI) à Fribourg. Son travail se concentre sur la direction et le développement de paroisses. Il s’intéresse beaucoup à leurs modèles de direction et d’organisation. ENSEMBLE s’est entretenu avec lui sur les approches de son travail de diplôme. Par Adrian Hauser Monsieur Perucchi, qui dirige l’Eglise? Les collaboratrices et collaborateurs y contribuent beaucoup en apportant des idées et en faisant avancer les projets. Il faut parfois une autorisation du conseil de paroisse, mais je pense que beaucoup vient d’eux. Donc quasiment depuis la base… En fait oui. L’Eglise ne se dirige pas au sens classique du terme. Cela me manque parfois un peu. Mais davantage de direction impliquerait une compréhension commune de l’Eglise, un objectif commun. Comme il existe de nombreuses conceptions différentes de l’Eglise, ce sont souvent les collaboratrices et collaborateurs qui nous font aller de l’avant, et ont parfois beaucoup de possibilités de le faire. Cela peut être très positif. Mais il manque parfois de coordination. C’est du moins ainsi que je le vois. La direction n’est pas perçue comme un sujet important au sein de l’Eglise. Dans votre travail, il est question d’Eglise visible et invisible. Pouvez-vous me préciser ce que cela signifie? L’invisible est ce qui nous fait avancer, notre fondement sur lequel nous n’avons pas vraiment prise. Avec d’autres communautés religieuses, nous sommes pratiquement la seule organisation sans but lucratif qui œuvre pour la quête de sens et se réfère à quelque chose qu’elle ne peut pas vraiment définir. C’est vrai aussi pour la tradition dans laquelle nous nous trouvons et nous nous développons. L’Eglise visible est l’organisation concrète. Comme notre paroisse ici, sur place à Muri-Gümligen. Ici, nous sommes visibles, présents, on nous perçoit. Mais nous hésitons à adopter une structure bien définie. Pourtant, nous sommes devenus une institution avec beaucoup de collaboratrices et collaborateurs et comprenant des structures, des organes et un cadre de droit public. Nous devons nous organiser et organiser notre travail, et j’ai parfois l’impression que c’est un sujet un peu tabou. On en vient vite au thème de la hiérarchie. Or c’est une question sur laquelle on se montre très réservé, surtout dans l’Eglise réformée. Car nous sommes une institution fondée sur la démocratie de base. Qu’implique le statut de droit public? D’avoir les organes de direction prescrits par l’Etat, donc une assemblée de paroisse en tant qu’organe supérieur où les affaires importantes sont décidées, et un conseil analogue à un conseil communal en tant qu’exécutif qui assure la direction stratégique de la paroisse. Le règlement ecclésiastique prévoit en outre une direction commune par le conseil de paroisse et le ministère pastoral, en association avec les autres ministères. Nous évoluons donc dans un cadre qui fixe certaines prescriptions, tout en laissant une marge de manœuvre. Quelles sont selon vous les opportunités et les risques de ce cadre? Le cadre évite que certaines personnes n’aient tous les pouvoirs. L’organisation foncièrement démocratique confère aussi une certaine légitimité dans la société. Le risque à mes yeux est que cela pourrait donner l’impression qu’il n’y a plus guère de possibilités d’agir au sein des structures de droit public. Mais on est en fait très libre dans la façon d’organiser le travail en collaboration avec le Conseil. Le conseil de paroisse décide certes de certaines affaires. Mais parmi les collaboratrices et collaborateurs, il y a très peu de hiérarchie. Ce qui ne veut pas dire que l’on devrait totalement se passer de structures et de hiérarchies. Par ailleurs, outre les hiérarchies au sens du modèle de direction classique, il existe de nouvelles formes d’organisation plus agiles qui ont selon moi du potentiel. En quoi consisterait une forme d’organisation agile? En tant qu’Eglise, travailler en auto-organisation nous conviendrait bien, car c’est déjà ainsi que nous fonctionnons d’une certaine manière. Cela ne veut pas dire que chacun fait ce qu’il veut. L’auto-organisation signifie que l’on a des cahiers des charges ou des descriptifs de postes moins détaillés et des équipes moins clairement fixées, avec un chef éventuellement encore rattaché à une direction de secteur. Cela signifie aussi qu’il faut se demander d’abord quelles sont nos tâches. Par exemple, quels défis nous sont posés ici, sur place, en tant qu’Eglise? Comment les relevons-nous? Il faut donc réfléchir davantage en termes de contenu et établir qui sont nos groupes

13 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er cibles lors de nos différentes tâches et quels sont leurs besoins. Et l’on commence ainsi à constituer des équipes interdisciplinaires en lien avec ces tâches. Ce serait totalement perméable et temporaire, et les équipes seraient reconstituées à chaque nouveau projet. Donc un mode de travail très orienté vers les objectifs. Oui, vraiment très orienté vers les objectifs et les tâches. Il existe plusieurs philosophies ou modèles. On parle parfois aussi de structure circulaire. On peut imaginer différents cercles avec des personnes à l’intérieur. Ces cercles sont reliés entre eux. A l’intérieur, il y a des rôles. Par exemple, le rôle d’être celui qui dirige les séances. Il y a une rotation et une prochaine fois, ce sera quelqu’un d’autre qui dirigera la séance. Il y a donc bien une structure, mais celle-ci est variable et peut être adaptée en fonction de l’évolution du contexte. Nous travaillons déjà beaucoup en auto-organisation, mais nous le faisons inconsciemment et sans coordination. On ne sait pas assez ce que font les autres, et beaucoup d’énergie est ainsi perdue. Dans notre paroisse, nous avons travaillé avec une conseillère externe. Elle a accompagné une équipe. Le problème était que les séances s’éternisaient et donnaient finalement peu de résultats concrets. On voulait pour une fois examiner de plus près les différents rôles dans l’équipe. La conseillère était spécialisée dans les formes de travail agiles. L’équipe a été coachée et a exercé avec elle de nouvelles méthodes. Qu’est-ce que cela a changé? Les séances sont devenues plus courtes, mais aussi plus efficaces. Aujourd’hui, l’équipe prend plusieurs décisions en peu de temps, car il existe pour cela un processus structuré, et les rôles ont été clarifiés. Les décisions en groupe peuvent se faire par exemple selon la méthode du consentement. Contrairement au consensus, celle-ci ne requiert pas l’assentiment de tout le monde. Les divergences d’opinion font partie du programme. Dans ce modèle, seules les objections fondées et d’importance quasi systémique sont prises en compte. Qu’une paroi soit peinte en rouge ou en vert ne joue ainsi plus aucun rôle. Car dans la plupart des cas, cela n’affectera pas l’organisation et ne la fera pas revenir en arrière dans son développement. Vous comparez l’Eglise à une organisation à but non lucratif. Où voyez-vous des parallèles et des différences? Nous sommes une organisation à but non lucratif car nous n’avons pas d’objectif monétaire, nous ne sommes pas orientés vers le profit, mais nous remplissons une importante mission dans la société. En tant qu’Eglise, nous évoluons dans un domaine socioculturel, donc typiquement à but non lucratif. Mais nous sommes une communauté religieuse et qui se démarque ainsi de ces organisations, car nous nous référons à un autre fondement et notre structure diffère un peu de celle d’une organisation à but non lucratif. Nous ne sommes ni une association ni une fondation, mais une institution de droit public «faith-based». Cependant, sur le plan structurel et organisationnel, nous pouvons beaucoup apprendre de ces organisations et de nouveaux modèles de gestion intéressants. Car il y a suffisamment de défis – mais aussi de solutions pour les relever. Manuel Perucchi © Adrian Hauser

14 Doss i er —– ENSEMBLE 2022 /65 Adapter son modèle de gouvernance à la réalité et tendre vers des modèles plus souples. La tendance est actuellement de mise dans un nombre croissant de paroisses. Dans l’arrondissement du Jura, plusieurs d’entre elles tentent des approches intéressantes. Par Nathalie Ogi «Il y a vraiment un changement de paradigme autour de modèles plus participatifs qui intégreraient aussi bien un groupe de laïcs, que de paroissiens dans certains projets», explique le pasteur régional Marc Balz. Mais s’il a fait ses preuves jusqu’ici, le système de gouvernance des paroisses peine aujourd’hui à convaincre. Il devient difficile de trouver des bénévoles pour le conseil de paroisse. En raison de la complexité de la tâche, du temps requis et surtout de ce positionnement délicat en tant que supérieur hiérarchique d’un professionnel salarié, qu’il soit pasteur, diacre ou catéchète. Des expériences alternatives commencent à poindre. La paroisse de Delémont a développé une culture de gouvernance qui fonctionne, à mi-chemin entre le modèle actuel et un système plus participatif. «Au fil des ans, nous avons mis en place une participation croisée entre le conseil de paroisse, composé de ses 11 membres, et l’équipe des six professionnels, soit quatre pasteur·e·s, une diacre animatrice de jeunesse et une pasteure stagiaire», explique la pasteure Sarah Nicolet. Un colloque pastoral a lieu environ toutes les deux semaines, auquel assiste une fois sur deux la présidente du conseil, faisant ainsi le lien avec les conseillers de paroisse. La réunion du conseil de paroisse se tient une fois par mois. Une fois sur deux un membre du colloque pastoral est présent, avec un tournus. L’autre fois, l’ensemble du colloque y participe. Un bureau de paroisse, composé de la présidente, de ces deux vice-présidents et d’un membre du colloque, prépare aussi chaque réunion du conseil de paroisse. «Ce modèle permet d’économiser des tensions et de faire en sorte que l’information circule bien», souligne la pasteure. Une vraie collaboration s’est instaurée entre l’équipe de professionnels et le conseil de paroisse. Projets participatifs Les projets participatifs, comme le «café spirituel» de Delémont, se développent. Chaque rencontre a été portée par trois paroissiens, dont l’un était responsable de modérer la discussion autour d’un thème choisi. Dans le Par8, c’est l’idée d’un «pèlerinage intérieur qui va voir le jour» à Reconvilier. Ce projet inédit invite à un cheminement spirituel personnel et partagé, selon une démarche de transition intérieure, explique le pasteur Reto Gmünder. Le seul cadre fixé est une première soirée de lancement agendée au 2 mai ainsi que l’idée de 4 à 5 autres rendez-vous d’ici novembre. Les gens sont invités à faire des propositions. «L’idée est d’être participatif et d’expérimenter une autre manière d’organiser les projets», souligne le pasteur. Une approche plus agile et plus souple qui correspond mieux aux attentes de la société. «Aujourd’hui, force est de constater que les gens s’identifient moins à des paroisses qu’à des projets», explique Marc Balz. Le rôle même des pasteur·e·s est remis en question, avec l’idée de ministères émergents, soit de postes non attribués à des pasteur·e·s ou à des diacres. Et pourquoi ne pas envisager que les pasteur·e·s développent des ministères spécialisés, comme sur les questions LGTB? Cela pourrait être une nouvelle manière pour l’Eglise de répondre à de réels besoins de société. G O U V E R N A N C E D E S P A R O I S S E S Vers un changement de paradigme? Marc Balz © zVg

15 ENSEMBLE 2022 /65 —– Doss i er D G O V E R N A N C E D E R K I R C H G E M E I N D E N Zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab? Das Governance-Modell der Realität annähern und auf flexiblere Lösungen setzen – das ist gegenwärtig bei einer wachsenden Anzahl von Kirchgemeinden der Trend. Im Bezirk Jura verfolgen mehrere von ihnen interessante Ansätze. Von Nathalie Ogi «Es gibt tatsächlich einen Paradigmenwechsel in Richtung von Modellen, welche die Mitsprache stärker gewichten und sowohl Laien als auch Kirchgemeindemitglieder in bestimmte Projekte integrieren», führt der Regionalpfarrer Marc Balz aus. Das Governance-System der Kirchgemeinden hat sich zwar bislang bewährt, kann aber heute nicht mehr wirklich überzeugen. Es ist schwierig geworden, Freiwillige für den Kirchgemeinderat zu finden. Einerseits wegen der Komplexität der Aufgabe und des Zeitaufwands, andererseits und vor allem aber auch wegen der heiklen Position als hierarchischer Vorgesetzter von besoldeten Festangestellten, sei es nun ein Pfarrer, eine Diakonin oder ein Katechet. Es sind immer mehr alternative Lösungen zu beobachten. Die Kirchgemeinde Delsberg hat eine gut funktionierende Governance-Kultur entwickelt, die einen Mittelweg zwischen dem herkömmlichen Modell und einem partizipativeren System darstellt. «Im Laufe der Jahre haben wir ein Beteiligungsmodell aufgebaut, das die Verantwortung zwischen dem elfköpfigen Kirchgemeinderat und den sechs Festangestellten (vier Pfarrpersonen, ein Diakonin und Jugendbetreuerin sowie eine Lernvikarin) aufteilt», erklärt die Pfarrerin Sarah Nicolet. Etwa alle zwei Wochen findet ein Gespräch unter den Pfarrpersonen (das sogenannte «colloque pastoral») statt, dem jedes zweite Mal auch der Ratspräsident beiwohnt; damit wird die Verbindung zu den Kirchgemeinderatsmitgliedern sichergestellt. Der Kirchgemeinderat selbst tritt einmal pro Monat zusammen. Jedes zweite Mal ist im Turnusverfahren ein Mitglied des colloque pastoral anwesend. Ein Kirchgemeindebüro, zusammengesetzt aus der Präsidentin, den zwei Vizepräsidenten und einem Mitglied des colloque pastoral, bereitet die Sitzungen des Kirchgemeinderats vor. «Das Modell beugt Spannungen vor und sorgt dafür, dass die Informationen gut fliessen», betont die Pfarrerin. Zwischen dem Team der Festangestellten und dem Kirchgemeinderat hat sich eine echte Zusammenarbeit entwickelt. Partizipative Projekte Es werden partizipative Projekte lanciert wie etwa das «café spirituel» in Delsberg. Jedes Treffen wird von drei Kirchgemeindemitgliedern organisiert, wovon eines für die Moderation der Diskussion zu einem ausgewählten Thema verantwortlich zeichnet. Im Par8 in Reconvilier wird die Idee einer «Pilgerreise, die im Innern entsteht» verfolgt. Das neuartige Projekt lädt ein zum Beschreiten eines persönlichen und mit anderen geteilten spirituellen Wegs, der einem Ansatz des inneren Wandels folgt, führt Pfarrer Reto Gmünder aus. Einzige Vorgabe ist ein erster «Kickoff»-Abend, der am 2. Mai über die Bühne geht. Vier bis fünf weitere Treffen sollen bis im November folgen. Alle sind eingeladen, Vorschläge zu machen. «Die Idee dahinter ist, partizipativ vorzugehen und eine andere Form der Projektorganisation zu erproben», ergänzt der Pfarrer. Dieser agilere und flexiblere Ansatz entspricht den Erwartungen der Gesellschaft besser. «Wir stellen heute fest, dass sich die Leute weniger mit einer Kirchgemeinde und eher mit Projekten identifizieren», erklärt Marc Balz. Selbst die Rolle der Pfarrpersonen wird hinterfragt. Im Vordergrund steht die Idee von Aufgaben, die sich ergeben, d. h. Stellen, die nicht mehr fest an Pfarrerinnen oder Diakone gebunden sind. Und man könnte sich durchaus auch vorstellen, dass Pfarrpersonen spezielle Bereiche abdecken und entwickeln, wie etwa Fragen zu LGTB. Das könnte für die Kirche eine neue Möglichkeit sein, auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Gesellschaft einzugehen. Sarah Nicolet © zVg

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