ENSEMBLE Nr. / N° 64 - März / Mars 2022

18 Fokus —– ENSEMBLE 2022 /64 Weitere Informationen: www.lohnteilen.ch H I L F E I N C O R O N A Z E I T E N «Der Einzelfallhilfe verpflichtet» Der Verein lohnteilen.ch hilft Menschen, die durch Corona in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Menschen, denen es auch während der Pandemie gut geht, sind dazu eingeladen, einen Teil ihres Lohnes zu «teilen». Von Adrian Hauser Die Coronapandemie hinterlässt je länger, je mehr Spuren. Es gibt Menschen, die dadurch in eine finanzielle Schieflage geraten sind, aber aus irgendwelchen Gründen durch die Maschen der staatlichen Hilfeleistung fallen. Hier setzt das Projekt lohnteilen.ch an. Wer einen auch in der Pandemie gesicherten Job hat oder über ein ausreichendes Vermögen verfügt, ist dazu eingeladen, einen Teil davon zu spenden oder besser: zu «teilen». Das können Menschen in öffentlich-rechtlichen Anstellungen, in systemrelevanten Berufen oder sogar solche in durch Corona begünstigten Berufen sein. Die Höhe der Beiträge bestimmt man selbst, auch ob sie einmalig oder wiederkehrend sein sollen. Nach bestem Wissen und Gewissen Auf der anderen Seite können Personen, die durch die Pandemie finanziell unter Druck geraten sind, über die Plattform ein Gesuch für finanzielle Hilfe stellen. Das sind beispielsweise Personen in Berufen mit coronabedingten Restriktionen oder Personen, die durch die Pandemie sogar ihren Job verloren haben. Dabei geht der Verein so unbürokratisch, aber auch so transparent wie möglich vor. Gesuchstellende geben ihre Personalien und Bankverbindung an, schildern ihre Geschichte und beschreiben ihre Situation. Das Team von lohnteilen.ch prüft die Gesuche und verteilt die gespendeten Gelder nach bestemWissen und Gewissen. Dabei berät sich das Team untereinander und stellt bei Bedarf Rückfragen. Die bisher gesprochenen Beiträge bewegen sich im dreistelligen oder tiefen vierstelligen Bereich – je nach eruiertem Bedarf der gesuchstellenden Person, aber auch nach den Möglichkeiten des Vereins. «Manchmal haben wir viel Geld und wenig Anfragen, manchmal war es umgekehrt», sagt Nina, Präsidentin von lohnteilen.ch. Einzelfallhilfe Hinter der Idee steht eine Gruppe von fünf jungen Frauen aus Bern und Biel. Sie sahen rasch, dass mit der Pandemie finanzielle Notstände entstehen können, und wollten möglichst niederschwellig Hilfe bieten. Die Zahlen werden dabei beinahe tagesaktuell auf der Website veröffentlicht, so dass sich alle ein Bild über den aktuellen Stand der Arbeit des Vereins machen können. Mitte Februar beliefen sich die Kontoeingänge auf gut 100 000 Franken; rund 95 000 davon konnten weitergeleitet werden. Insgesamt sind in diesem Zeitraum 356 Unterstützungsgesuche eingegangen, 216 davon wurden angenommen. Wer es genau wissen will, kann auf der Website in jeden einzelnen Zahlungsein- und -ausgang Einsicht nehmen. Dies natürlich ohne Angabe von Namen. Nebst dieser weitreichenden Transparenz ist dem Verein politische Neutralität wichtig – auch zu coronapolitischen Themen. «Wir sind strikte der Einzelfallhilfe verpflichtet, und hier zählt die jeweilige, ganz besondere Situation», erklärt Nina den Ansatz des Vereins. Langer Atem Wie lange es den Verein geben soll, ist offen. Denn wichtigstes Kriterium bei jedem Gesuch ist, dass der Fall direkt etwas mit den Auswirkungen von Corona zu tun hat. «Insofern sind wir froh, wenn es uns so bald als möglich nicht mehr braucht», führt Nina weiter aus. Trotzdem würden sie sich darauf einstellen, einen langen Atem zu haben. Denn die Langzeitfolgen von Corona kann derzeit niemand mit Bestimmtheit abschätzen. © Adrian Hauser

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