ENSEMBLE Nr. / N° 58 - Mai / Mai 2021

22 Fokus —– ENSEMBLE 2021 /58 Ensa: Frühintervention für Laien «Ensa» ist ein Begriff aus einer indigenen Sprache Australiens und bedeutet «Antwort». Der Frühinterventionskurs «ensa – Erste Hilfe für psychische Gesundheit» wurde von einer Betroffenen und einem Forscher vor über 20 Jahren in Melbourne entwickelt; mittler­ weile wird er in vielen Ländern angeboten. Die Stiftung Pro Mente Sana hat 2018 die Schweizer Lizenz für die Durchführung des zwölfstündigen Kurses sowie für die fünftägige Ausbildung von Instruktorinnen erworben. Sie hat Handbuch und Kursunterlagen übersetzt und mit hiesigen Informationen sowie mit Ad­ ressen von Beratungs- und Anlaufstellen er­ gänzt. Unterlagen und Kurs gibt es auch auf Französisch. Der Bereich Sozial-Diakonie von Refbejuso führt in Kooperation mit Pro Mente Sana ensa- Kurse mit eigenen Instruktorinnen durch; vor­ erst für Amtsträgerinnen und Amtsträger, ab 2022 auch für weitere Zielgruppen wie etwa Kirchgemeinderätinnen, Freiwillige oder Sig­ riste. Die Kurse werden im Haus der Kirche oder auf Wunsch in den Kirchgemeinden durchge­ führt und werden im Rahmen von Bildung­ kirche subventioniert. Mehr Informationen: www.diakonierefbejuso.ch für psychische Gesundheit von Pro Mente Sana aufmerksam wurde, war der Mitarbeiterin des Be­ reichs Sozial-Diakonie von Refbejuso klar: «Das ist das richtige Format für Kirchgemeinden.» Sie möchte erreichen, dass die Leute Mut fassen und einander fragen: «Wie geht es dir wirklich?» Zusammen mit ihrer Arbeitskollegin Alena Ramseyer liess sie sich zur ensa-Instruktorin aus­ bilden; nun sind sie für die Erste-Hilfe-Kurse ver­ antwortlich, die Refbejuso in Zusammenarbeit mit Pro Mente Sana durchführt. Die Kurse befähigen die Teilnehmenden, psychische Belastungen und Krisen im eigenen Umfeld zu erkennen sowie be­ hutsam und effektiv darauf zu reagieren, so Durtschi. Die angehenden Ersthelferinnen und Ersthelfer lernen zudem die wichtigsten Fach- und Anlaufstellen kennen, um Betroffene weiterzuver­ mitteln. Und nicht zuletzt sollen die Kurse zur Sensibilisierung der breiten Bevölkerung und zur Entstigmatisierung von Personen mit psychischen Störungen beitragen. «Krankheit und Heilung sind ein Urthema der Kirche», sagt Durtschi. Auch passe der Kurs gut zum Schwerpunkt Caring Com­ munity von Refbejuso. Seit Anfang Jahr haben Durtschi und Ramseyer zusammen mit Instruktorinnen von Pro Mente Sana die ersten zwei Kurse durchgeführt – wegen Corona online. Teilgenommen haben Sozialdiako­ ninnen, Pfarrpersonen und Katechetinnen, mit und ohne Vorkenntnisse. Der Kurs ist dicht und viel­ fältig, gearbeitet wird mit theoretischen Inputs zu Krankheiten und rechtlichen Fragen, Filmaus­ schnitten, Rollenspielen und Reflexionen. Schwer­ punkte sind die häufigsten psychischen Störungen: Depressionen und Burnout, Angststörungen, Suchterkrankungen und Psychosen. Ein umfang­ reiches Handbuch dokumentiert das im Kurs Ge­ lernte und bietet weiterführende Informationen. Lieber einmal zu viel reagieren Analog zu «Gabi» im Nothelferkurs kommt bei der Ersten Hilfe für psychische Gesundheit «Roger» zum Einsatz, ein Massnahmenplan in fünf Schrit­ ten: «R» steht für Reagieren, die Person anspre­ chen, ihre Situation einschätzen, ihr beistehen; «O» steht für Offenheit, für das unvoreingenom­ mene Zuhören und Kommunizieren; «G» steht für das Geben von Unterstützung und Informationen; «E» für das Ermutigen zu professioneller Hilfe und «R» für das Reaktivieren von Ressourcen. Was in der Theorie einleuchtet, kann in der Praxis mitunter schwierig sein: So erzählen die Kursteilnehmenden nach einem Rollenspiel von ihrer Angst, die mutlose Nachbarin mit der Frage nach Suizidgedanken zu brüskieren, sie womög­ lich erst auf diese Idee zu bringen und so Schaden anzurichten. Es brauche dafür viel Fingerspitzen­ gefühl, bestätigt der Instruktor. Laut Untersuchun­ gen würden circa 90 Prozent der Personen, die durch Suizid sterben, an einer psychischen Erkran­ kung leiden. Entsprechend wichtig sei es, be­ drückte Personen darauf anzusprechen. Man solle keine Angst haben und lieber einmal zu viel reagieren. Nur nichts zu tun sei falsch. Kurs, Handbuch und «Roger» überzeugten die Kursteilnehmenden. «Ich kann das Paket mit gutem Gewissen empfehlen», sagt etwa Simone Bühler, Seelsorgerin am Berner Inselspital und Leiterin der Selbsthilfegruppe «Nebelmeer Bern». Auch für Amanda Sutter, Katechetin und Jugend­ arbeiterin in Oberbipp, war die Kursteilnahme ein Gewinn: Ihr habe der Kurs gezeigt, dass sie vieles richtig mache. Und sie habe das Thema Sucht­ mittel als neues Lernfeld entdeckt. Einige Kursteilnehmende wollen nun prüfen, ob und wie der ensa-Kurs in ihrer Kirchgemeinde, etwa in der Erwachsenenbildung, angeboten wer­ den kann. So etwa Andrea Figge Zeindler, Pfarre­ rin in Zimmerwald und Heimseelsorgerin, Danie­ la Frick, Katechetin in Ins und Kirchgemeinderätin von Diessbach, oder Ismael Pieren, Sozialdiakon in Huttwil und Armeeseelsorger. Pieren wünscht sich, dass die ensa-Kurse Schule machen: «Das würde in der Gesellschaft viel verändern.»

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