ENSEMBLE Nr. / N° 58 - Mai / Mai 2021

10 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /58 «WIR FEIERN IM NAMEN GOTTES… » PARTIZIPATION IM GOTTESDIENST «NOUS CÉLÉBRONS ENSEMBLE » LA PARTICIPATION AU CULTE Wenn die Pfarrerin oder der Kirchenmusiker Gemeindeglieder in die Gestaltung des Gottesdienstes miteinbeziehen, geben sie ein Stück weit die Kontrolle aus der Hand. Dies erfordert Vertrauen in die Mitwirken- den – und ist ein Gewinn für alle. Von Christine Oefele* «L’Eglise, c’est vous» – ja, auch im Gottesdienst! Oder, wenn man das im Titel zitierte liturgische Eingangsvotum ernst nimmt: «L’Eglise, c’est nous.» Gottesdienst ist gemeinsames Feiern und dient keinem anderen Zweck als der Begegnung und Kommunikation mit Gott und untereinander. In dieser Konzentration und zugleich Weite sei «Got­ tesdienst» hier verstanden: nicht nur als übliche Feier am Sonntagmorgen, sondern auch als Viel­ falt der Räume, Zeiten und Formen, die wir uns fürs gemeinsame Feiern im Namen Gottes reser­ vieren. Der partizipative Aspekt müsste bei dieser De­ finition von Gottesdienst also nicht eigens er­ wähnt werden – Begegnung und Kommunikation finden nicht statt, wenn sich niemand beteiligt. Neben der Beteiligung am Gottesdienst im Sinne einer Begegnung gibt es jedoch noch eine spezi­ fischere Art der Partizipation: die aktive Mitge­ staltung der Feier in der einen oder anderen Form. Angesprochen sein und sich beteiligen Was macht einen Gottesdienst ansprechend? Oder anders gefragt: Wann fühlen sich Menschen an­ gesprochen? Wenn ein Gespräch in Gang kommt – mit Gott und den Mitfeiernden. Angesprochen sein beginnt schon vor der Kirchentür: Wo und wie laden wir ein? Wie wird deutlich, dass neue Leute willkommen sind? Welcher Tag, welche Zeit passt am besten? In der Kirche geht es weiter: Welche Sprache, welche Themen sprechen heute welche Menschen an? Welche Musik? Welche li­ turgischen Formen? Wie muss der Raum gestaltet sein? Angesprochen sein meint, dass die Feiern­ den ins Geschehen hineingenommen werden, etwa wenn sie mit den Worten der Predigt in einen Dialog treten oder wenn sie die Musik emo­ tional berührt. Über das persönliche «Angesprochen-Sein» der Feiernden hinaus ist die ganze Gemeinde auch äusserlich am Gottesdienst beteiligt. Dies wird beim Abendmahl am deutlichsten sichtbar. Da das Abendmahl in der reformierten Kirche aber nicht sehr häufig gefeiert wird, sind es vor allem das Unser Vater und die Lieder, an denen die Feiern­ den auch äusserlich beteiligt sind. Miteinander ein Lied anstimmen oder in eine einfache Mehr­ stimmigkeit eintauchen – der Klang führt über Worte hinaus und die Teilhabe an der Gemein­ schaft wird unmittelbar erfahrbar. Doch in der Praxis ist das mit dem Singen so eine Sache. Damit die Gemeinde gut singen kann, muss vieles stim­ men: von der Liedauswahl über die instrumenta­ le Begleitung bis hin zur Anleitung der Gemeinde, wenn sie neue Lieder lernt oder einen Kanon singt. Das ist kirchenmusikalische Arbeit «at grassroots level», deren Potenzial für das Gelingen eines Got­ tesdienstes leicht unterschätzt wird. * Christine Oefele ist Beauftragte für Gottesdienste und Kirchenmusik der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Die Beteiligung von Laien an der Gottesdienst- gestaltung müsste genauso selbstverständlich sein wie das Predigthören.

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