ENSEMBLE Nr. / N° 57 - April / Avril 2021

band, Schweizerischer Kath. Frauenbund, Dach­ verband Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen, Alliance F) das «Frauenrütli». Für einmal sollen unter dem Motto «Würdigen, feiern, aufbrechen» ausschliesslich Frauen am 1. August auf die Rütli­ wiese eingeladen werden. «Wir möchten dabei Traditionen aufnehmen und würdigen, aber auch hinterfragen, aufbrechen und neuen Ideen Raum geben», sagt Gabriela Allemann. Das «Frauenrüt­ li» soll über die Rütliwiese hinausgreifen. Allen politischen Gemeinden wurde in einem Brief vor­ geschlagen, dass am 1. August 2021 für einmal überall Frauen die 1.-August-Rede halten. Und weil im Jahr 2021 der Nationalfeiertag auf einen Sonn­ tag fällt, geht der Wunsch an alle Kirchgemein­ den, dass an diesem Sonntag ausschliesslich Frau­ en predigen sollen. «Helvetia predigt» heisst diese Aktion. Für Kirchgemeinden, die keine Theologin angestellt haben, die predigen könnte, stellen die Dachverbände eine Gastpredigerinnen-Liste zur Verfügung. Am 29. und 30. Oktober 2021 findet anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums zum Frauenstimmrecht im Bundeshaus eine Frauensession statt. Organisiert wird diese von den fünf Frauendachverbänden zusammen mit der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen. «Insgesamt werden 250 Frauen aktuelle Themen diskutieren, entsprechende For­ derungen formulieren und diese dem Parlament übergeben», führt Gabriela Allemann aus. www.efs.ch Karin Künti * – 50 Jahre Frauenstimm­ recht in der Schweiz – die ganze Schweiz ist seit 50 Jahren von der Gleichberechtigung durchdrungen – sollte man meinen. Doch halt! Un­ beugsame Strukturen machen es bis heute nicht einfach, dass Frauen und Männer in der Schweiz gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Arbeit bei gleichen Qualifikationen, gleichen Zugang zu Leitungsfunktionen und angemessene Anerkennung für ihr gesellschaft­ liches Engagement erhalten. Dafür setzen sich die Evangelischen Frauen ein – immer noch gibt es zu tun! Persönlich bin ich im Glauben aufgewachsen, dass mir als Frau alle Türen offenstehen. Ich er­ lebte, wie Elisabeth Kopp 1986 zur ersten Bundes­ rätin gewählt wurde – dann aber über die Geschäf­ te ihres Mannes strauchelte. Ich erlebte, wie Rita Famos 2020 zur ersten Präsidentin des EKS gewähl­ te wurde, nachdem der Mann vor ihr über seine Geltungsansprüche strauchelte. Auch ich strau­ chelte zwischen 1986 und 2020 immer wieder mal und sah, dass die Umsetzung von Gleichberechti­ gung noch nicht ganz klappt. Mein Glaube wurde erschüttert, als man mir als Pfarrerin ausdrücklich zu verstehen gab, dass man von mir die gleiche Arbeit verlange, wie ein Mann sie leiste. Als die wichtigen Sitzungen wei­ terhin zu familienunfreundlichen Zeiten stattfan­ den. Als man mir beim Umtrunk nach der Retraite schmeichelte, weil ich wegen anzüglicher Witze nicht gleich «schwierig täte» und Spass verstände. Als ich als Pfarrerin zu einem Kolloquium afrika­ nischer Kirche eingeladen wurde, aber mein Mann (als theologischer Laie) die Rede hielt, während ich mit den Frauen in der Küche das Essen zube­ reitete. Als ich mich von meinem Mann trennte und plötzlich Kinderzulagen beantragen musste, obwohl die bisher immer über mich gelaufen wa­ ren. Als ich Arbeit suchte und mir die RAV-Berate­ rin empfahl, meine vier Kinder in der Bewerbung zu verschweigen. Als ich neben Familie und Beruf auch noch ein politisches Amt anstrebte. Es ist nicht so, dass ich offensichtlich benach­ teiligt werde – die Ungleichheit findet auf eine subtilere Art und Weise statt. Wehre ich mich da­ gegen, so heisst es rasch, «tu doch nicht so emp­ findlich». Aber empfindlich bedeutet hier, sensibel zu sein. Es gibt noch viel zu tun – auf allen Ebenen. Darum habe ich mit meinen Mädchen am Frauen­ streik 2019 teilgenommen, damit sie sehen: Es ist noch nicht alles so, wie es sein sollte – aber wir sind viele, die daran arbeiten. Darum bin ich Mit­ glied der Evangelischen Frauen Schweiz, die sich in subtiler, aber doch hörbarer Weise für «ein Le­ ben in Fülle für alle» einsetzen. Es ist jetzt 2021, und 50 Jahre nach der Einfüh­ rung des Frauenstimmrechts möchte ich, dass die Stimmen von Frauen auf jeder Ebene gehört und wahrgenommen werden und Strukturen umgebo­ gen werden und sich alle darin finden können. Dass die Leistung von Männern und Frauen nicht einander entgegengehalten, sondern als gleich­ wertig anerkannt werden und zu einem Miteinan­ der führen. Dass Gleichberechtigung alles durch­ dringt und selbstverständlich wird. Punkt. Amen. * Karin Künti ist Pfarrerin der reformierten Kirchgemeinde Ostermundigen, die in der Februar-Ausgabe ihrer Monats­ zeitschrift «bewegt» den vorliegenden Text erstmals publizierte. Karin Künti © zVg 22 Doss i er —– ENSEMBLE 2021 /57 KOM M E N TA R . «Tu doch nicht so empfindlich»

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