ENSEMBLE Nr. / N° 56 - März / Mars 2021

17 ENSEMBLE 2021 /56 —– Doss i er Der aus Afghanistan geflüchtete Masi* ist seit über fünf Jahren in der Schweiz. Die Lehre zum Käser musste er kurz vor Ende der Ausbildung abbrechen – nun steht er ohne Perspektiven da. Von Angela Wagner «Es war die schönste Zeit meines Lebens.» Wenn Masi von seiner Lehre in der Käserei Mäder in Mamishaus in der Gemeinde Schwarzenburg spricht, leuchten seine Augen. Der junge Afghane mochte die handwerkliche Arbeit. Sein Lehr­ meister und dessen Frau wurden für ihn zu einer zweiten Familie, der Betrieb und das Zimmer, in dem er unter der Woche übernachten durfte, sein Zuhause. Sein ganzes Leben hatte er danach ge­ sucht: irgendwo zu Hause zu sein. Masis grösster Wunsch: arbeiten und ein ganz normales, angstfreies Leben führen. Angst hatte Masi oft in seinem Leben. Als Kind vor dem Krieg in Afghanistan, als geflüchteter Jugendlicher vor der Polizei im Iran und auf demWeg nach Europa vor der tiefen Schwärze des nächtlichen Mittel­ meers. Mit dem Antritt seiner Lehre zum Käser vor gut zwei Jahren kam Masi seinem Ziel eines un­ abhängigen, sorgenfreien Lebens dann endlich einen grossen Schritt näher. Ein Entscheid verändert alles Doch plötzlich platzte der Traum. Im vergangenen Juli kam der negative Entscheid. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt, nach mehr als fünf Jahren in der Schweiz. Masi hatte Deutsch gelernt, sich inte­ griert und regelmässig Integrationsangebote wie den «Asyltreff» der Kirchgemeinde Paulus in Bern besucht. Laut Asylgesetz dürfen abgewiesene Asyl­ suchende nicht arbeiten. Masi musste seine Lehre abbrechen. «Ich schlafe am Tag, in der Nacht liege ich schlaflos wach», schildert er seinen Zustand. «Ich habe kein Ziel und kann nichts anderes tun, als abzuwarten.» Grosses Unverständnis Schwierig ist die Situation auch für Lehrmeister Hans Mäder. Dieser fühlt sich vom Staat hinter­ gangen. «Man hat ihn uns einfach weggenommen. So etwas hätte ich nie für möglich gehalten.» Mäder war mehr als zufrieden mit Masi. «Er war einer der besten Lehrlinge, die ich je hatte», lobt ihn der erfahrene Käser. «Er kam nie zu spät, lern­ te schnell, war ehrlich und erledigte seine Arbeit zuverlässig.» Auch auf der persönlichen Ebene stimmte es. Beim gemeinsamen Abendessen wur­ de diskutiert, der Austausch von beiden Seiten geschätzt. Mäder versteht die Welt nicht mehr. Diesen Sommer wäre Masi zur Lehrabschlussprüfung an­ getreten. «Er hätte sie ohne Zweifel erfolgreich gemeistert und im Anschluss problemlos eine An­ stellung gefunden», betont Mäder. «Er hätte auf eigenen Beinen stehen können und wäre zum Steuerzahler geworden.» Warten und hoffen Mit seinem Unverständnis steht Mäder nicht allein da. Die Motion «Eine Lehre – eine Zukunft» fordert, dass abgewiesene Asylsuchende ihre angefangene Ausbildung künftig abschliessen dürfen, bevor sie das Land verlassen müssen. Im Dezember stimm­ te der Nationalrat dem Anliegen zu. In der Früh­ lingssession wird der Ständerat darüber beraten. Ob eine Annahme positive Auswirkungen auf Ma­ sis Situation haben könnte, ist zurzeit noch unklar. Ein weiterer Hoffnungsschimmer: Der Verein «offenes Scherli», der 2020 einen Anerkennungs­ preis der Fachstelle Migration von Refbejuso er­ hielt, unterstützt Masi dabei, seinen Status zu legalisieren. Der junge Afghane ist zuversichtlich und macht sich selbst Mut. «Mein Herz sagt: Es kommt alles gut. Man darf niemals aufgeben, egal was passiert.» Masi legt die Hand auf seine Brust und lächelt. * Name geändert L E H R A B B R U C H W I D E R W I L L E N «Ich vermisse die Arbeit und den Käse» ©Angela Wagner Gebannter Blick aufs Bundeshaus: Hof- fentlich kommt die Motion «Eine Lehre – Eine Zukunft» für Masi nicht zu spät. Un regard fasciné sur le Palais fédéral: pourvu que la mo- tion «Un Apprentis- sage – Un Avenir» n’arrive pas trop tard pour Masi.

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