ENSEMBLE Nr. / N° 55 - Januar / Janvier 2021

24 Dossier —– ENSEMBLE 2021/55 Kein Tropfen auf den heissen Stein, sondern «Öltropfen für das soziale Getriebe und ein Beitrag zum gesellschaftlichen Frieden»: Für den kürzlich pensionierten Sozialdiakon Daniel Krebs steht fest, dass die finanzielle Einzelfallhilfe von Kirchgemeinden einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Armut in der Schweiz leistet. Von Daria Lehmann Daniel Krebs war dreizehn Jahre lang Leiter der sozialdiakonischen Arbeit in der reformierten Kirchgemeinde Bümpliz. «Bis Menschen bei einer Sozialhilfestelle anklopfen und um Hilfe bitten, hat sich bereits vieles ereignet», berichtet der drei­ fache Vater und fünffache Grossvater nachdenk­ lich. «Es ist nicht einfach, in die eigenen finanziel­ len Schwierigkeiten Einblick zu geben; das ist bei fast allen Menschen von Schamgefühlen be­ gleitet.» Ein Puzzlestück der kirchlichen Sozialarbeit Mit finanzieller Unterstützung können Kirchge­ meinden die Notlage von Hilfesuchenden ent­ schärfen. In der Kirch­ gemeinde Bümpliz werden so jährlich rund 22 000 Franken aus der kircheneige­ nen Hilfskasse weiter­ gegeben. Dies sei je­ doch nur ein Bruchteil des Betrags, den die Hilfesuchenden dank der Kirchgemeinde er­ halten. Durch Gesuche bei Stiftungen und Fonds kann ihnen die Kirchgemeinde zusätz­ lich über 100 000 Fran­ ken pro Jahr vermitteln, so Daniel Krebs. Die fi­ nanzielle Einzelfallhilfe sei jedoch nur ein Puzzlestück der sozialen Arbeit der Kirche. «Oft sind finanzielle Fragen der Ausgangspunkt einer viel umfassenderen Problematik», erzählt der stu­ dierte Theologe und Sozialarbeiter. «Finanzielle Unterstützung ist bei uns immer Teil einer Bera­ tung – und oft besteht unsere Arbeit auch darin, die Menschen an die richtige Beratungsstelle zu vermitteln.» In Notlagen Ruhe bewahren Basierend auf den Empfehlungen von Refbejuso erarbeitete die Kirchgemeinde Bümpliz ein inter­ nes Reglement für die finanzielle Einzelfallhilfe. Die Entscheidung darüber, ob und mit welchem Betrag jemand unterstützt wird, obliegt aber trotz Vorgaben zu einem wesentlichen Teil der Sozial­ arbeiterin oder dem Sozialarbeiter. Das sei nicht immer einfach, sagt Daniel Krebs: «Oft wird die Not als sehr dringend zum Ausdruck gebracht und meistens ist sie das auch. In solchen Situationen ist es eine besondere Herausforderung, sich nicht unter Druck setzen zu lassen und eine gute Ent­ scheidung zu treffen.» Für kleine Beträge kann eine finanzielle Nothilfe rasch umgesetzt werden, für grössere Unterstützungsbeträge hingegen müssen weitreichende Abklärungen getroffen werden. Trotz Herausforderungen zweifelt der 64-Jäh­ rige keineswegs an der Wirksamkeit der finanziel­ len Einzelfallhilfe: «Meiner Erfahrung nach zeigen sich meist sehr positive Ergebnisse bei den Hilfe­ suchenden. Wir springen ein, wenn sonst nie­ mand zuständig ist. Ich habe dafür oft viel Dank­ barkeit erfahren und grosse Erleichterung bei den Menschen gespürt.» F I N A N Z I E L L E E I N Z E L F A L L H I L F E Einspringen, wenn niemand zuständig ist Die finanzielle Einzelfallhilfe ermöglicht es, rasch zu handeln und Menschen in akuten Notlagen eine Perspektive aufzuzeigen. Während Refbejuso nur Empfehlungen für die Nothilfe abgibt, obliegt die konkrete Umsetzung den Kirchgemeinden. Die finan­ zielle Einzelfallhilfe greift dort, wo der Staat oder private Hilfs­ organisationen nicht mehr zuständig sind, und stellt dadurch keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu anderen Sozial­ hilfen dar. Mehr zum Thema: www.refbejuso.ch/ finanzielle-einzelfallhilfe © Keystone /Christian Beutler Finanzielle Einzel- fallhilfe ist kein Tropfen auf den heissen Stein, sondern Teil einer umfassenden Beratung. L’assistance finan- cière individuelle n’est pas une goutte d’eau dans l’océan, mais fait partie d’un conseil global.

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