ENSEMBLE Nr. / N° 52 - Oktober / Octobre 2020

27 ENSEMBLE 2020/52 —– Fokus Wie können Arbeitgeber verhindern, dass es über- haupt zu einem Burnout kommt? Ich denke, es wäre wichtig, dass Betriebe ihre Mitarbeitenden proaktiv für Burnouts sensibilisie­ ren und vielleicht sogar einzelne Mitarbeitende entsprechend weiterbilden, um Präventivmass­ nahmen zu treffen, gefährdete Personen recht­ zeitig anzusprechen und Betroffenen den Wieder­ einstieg so gut wie möglich zu erleichtern. So gäbe es wahrscheinlich viel weniger krankheits­ bedingte Ausfälle und insgesamt wohl auch weniger Kosten. Eine solche Sensibilisierungs­ arbeit würde auch mithelfen, dass ein Burnout als Krankheit angesehen wird, ähnlich einer Grippe. Ein Burnout ist kein Stigma. Es braucht in der Ge­ sellschaft ein Umdenken. Wann kommen Arbeitgeber an ihre Grenzen? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Gren­ zen gibt, gerade bei kleineren Betrieben. Es bräuchte entsprechende Gesetzgebungen, damit es auch kleineren Betriebe finanziell möglich ist, Mitarbeitende nach einem Burnout individuell zu begleiten und ihnen beispielsweise zu ermög­ lichen, mit einem kleineren Pensum wiederein­ zusteigen. Man sollte auf die Situation und die Bedürfnisse der Betroffenen schauen und indivi­ duell entscheiden können, was für sie das Beste ist, unabhängig von gesetzlichen Fristen. Gerade bei jüngeren Menschen steht viel auf dem Spiel, wenn ihnen wegen eines Burnouts gekündigt wird. Sie dürfen nicht aus dem Arbeitsmarkt fallen. Peter Willener stand mitten im Berufsleben, als er eines Morgens halbseitige Lähmungs- erscheinungen hatte. Alles deutete auf einen Schlaganfall hin. Dann die Diagnose: Burnout. Der pensionierte Pfarrer und Spitalseelsorger über seine psychische Krankheit, der noch immer ein Stigma anhaftet. Von Olivier Schmid Peter Willener, Sie hatten 2010 ein Burnout. Wie kam es dazu? Mir ging es damals beruflich so gut wie noch nie. Ich war 59, hatte viel Freude an meiner Arbeit, meine Erfahrung begann sich auszuzahlen. Ich war Spitalseelsorger in Thun, arbeitete als Koor­ dinator Spezialseelsorge bei den gesamtkirch­ lichen Diensten in Bern und war zudem abends und an Wochenenden manchmal als Supervisor für Sterbebegleiter in Ausbildung im Einsatz. Ich war viel unterwegs, an einem Tag im Oberland, am nächsten im Oberaargau, dann im Emmental. Plötzlich war die Luft draussen. Nichts ging mehr. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf einen Schlag keine Energie mehr haben könnte. Was machen Sie heute anders? Nach dem ersten Burnout arbeitete ich rasch wieder zu 80 Prozent. Doch ein Jahr später erlitt ich einen Rückfall. Ich musste lernen, die Symp­ tome wahrzunehmen und zu erkennen, wenn es zu viel wird. Wenn ich heute ein Geräusch im Ohr habe und Schlafprobleme, ziehe ich die Notbremse. Dass es sich immer wieder an- bahnt, konnte ich bisher aber nicht verhindern. Auch heute noch, nach meiner Pensionierung. Ich habe drei Freiwilligenjobs, die mich sehr erfüllen. Sie haben immer offen über Ihr Burnout kommu- niziert. Wie hat Ihr Umfeld reagiert? Sehr gut. Meine Krankheit wurde anerkannt und mir wurde viel Verständnis entgegenge­ bracht. Ich bekam sehr viel Unterstützung, sowohl von meinen Vorgesetzten als auch von meinen Kolleginnen und Kolleginnen. Auch als ich einen Rückfall hatte und von einem Tag auf den anderen wieder in der Klinik landete. Da muss ich mei- nen ehemaligen Arbeitgebern ein Kompliment machen. Denn Arbeitgeber können kranken Mit­ arbeitenden nach Ablauf der gesetzlich vorgege­ benen Frist auch kündigen. D I E K I R C H E A L S S O Z I A L E A R B E I T G E B E R I N «Ein Burnout ist kein Stigma» ©  zVg

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