ENSEMBLE Nr. / N° 52 - Oktober / Octobre 2020

16 Dossier —– ENSEMBLE 2020/52 Die Kirchgemeinde Langnau hat im Sommer drei Visionsprojekte durchgeführt. Zwar hat die Coronapandemie deren Durchführung beeinträchtigt und die Anzahl der Teilnehmenden des ersten Angebots arg limitiert – gleichzeitig wirkte diese Zeit auf Pfarrer Roland Jordi wie ein Versuchs- labor für neue, andere Formen anstelle der gewohnten Gottesdienste. Von Gerlind Martin Die drei Visionsprojekte hat Roland Jordi bereits im letzten Jahr ausgeheckt. Auch wenn Corona die Organisation und Durchführung stark störte, wollte er die Projekte unbedingt durchführen. Es war ihm wichtig, in dieser ausserordentlichen Zeit mit Angeboten zu den Menschen zu gehen. Die Leute in der Gemeinde sollten Kirche wieder direkt wahrnehmen können. «Der Kontakt und die Be­ gleitung via Telefon waren schon gut», sagt der Pfarrer, der wie seine Kolleginnen und Kollegen auch elektronisch predigte, «doch Kirche muss physisch stattfinden, mit allen Sinnen und allen Möglichkeiten.» Natürlich unter Einhaltung der Schutzmassnahmen. Ein Bremser und ein Trampolin Dass sich ausgerechnet die Kirchgemeinde Lang­ nau für die Umsetzung der Vision ins Zeug legen würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Die Präsentation der Vision und der Leitsätze im März 2017 nahm die Kirchgemeinde nämlich sehr reser­ viert auf. Roland Jordi erinnert sich: Die Vision sei als Leitbild verstanden worden und habe im Pfarr­ team Widerstand erregt. Jordi, seit 26 Jahren Pfar­ rer in Langnau, erzählt auch von seiner persön­ lichen Reaktion auf die Vision «Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.»: «Spontan habe ich den zweiten Teil der Vision als Bremser erlebt. Schon wieder eine Pflicht! Das passte mir nicht.» Nun ist ausgerechnet dieser zu Beginn kriti­ sche Pfarrer Initiant von Visionsprojekten. Was ist geschehen? Seinen Sinneswandel erklärt Jordi einerseits mit guten Gesprächen mit Personen, die den Visionsprozess nahe begleitet hatten, anderer­ seits mit den Visionsbroschüren. «Sie bieten in­ haltlich und didaktisch eine gute Basis für eigene Angebote, sind anregend und hilfreich – und lassen Raum für Spontanes.» Die knappen Car­ toons zum Beispiel wirkten auf ihn wie ein «Tram­ polin für meine eigenen Ideen». Er sei an Neuem interessiert und probiere gerne Ungewohntes aus, sagt Jordi. Dabei habe ihn unter anderem Therese Blasi­ mann unterstützt. Die neue Kirchgemeinderätin ist seit einem Jahr für Gottesdienste und die Um­ setzung der Vision verantwortlich. Von den drei Projekten erhoffe sie sich positive Wirkungen fürs kirchliche Leben, sagt Therese Blasimann. Und ein gemischtes Publikum, auf das sie neugierig sei. Die Kirche als Ort der Bewegung Körper in Bewegung: Dieses Bild tauchte auf, als Roland Jordi sich in die theologischen Grundlagen der Vision vertiefte und sich mit den sieben Leit­ sätzen beschäftigte. Für den Pfarrer mit einem Weiterbildungsmaster in Spiritualität und lang­ jähriger Erfahrung in bene­ diktinischer Spiritualität be­ inhaltet dieses Bild neue Möglichkeiten, Leute abzuho­ len und dazu anzuregen, Spi­ ritualität im Alltag zu leben. Er suchte die Zusammenarbeit mit den Pilates-Slings- und QiGong-Lehrerinnen Karin Rohrer und Ruth Rüegsegger. Gemeinsam entwickelten sie das dreiteilige Angebot «Vi­ sion 21 meets Pilates Slings & QiGong: Spiritualität erfahren, leiblich spüren, ganzheitlich angesprochen werden». Die Lehrerinnen setzten ausgewählte Leitsätze der Vi­ sion in Bewegungsabläufe um, der Pfarrer gab kurze in­ haltliche Inputs. Ort des Ge­ schehens: die Kirche. Es sei für alle faszinierend gewesen, die Kirche, diesen Gemeinschafts­ raum, so körperlich zu erle­ ben, blickt Ruth Rüegsegger zurück. Sie leitete Bewegun­ gen an zum Leitsatz «Die Ein­ zelnen stärken – Gemeinschaft S P I R I T U A L I T Ä T I M A L L T A G «Kirche muss physisch stattfinden» Wer bei sich selber ist, kann sich öffnen für die Gemeinschaft. ©Adrian Hauser

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=