ENSEMBLE Nr. / N° 51 - September / Septembre 2020

4 Dossier —– ENSEMBLE 2020/51 EINE NEUE BEZIEHUNG ZUR SCHÖPFUNG KLIMAKRISE UND THEOLOGIE CHANGER DE RAPPORT À LA CRÉATION CRISE CLIMATIQUE ET THÉOLOGIE Sarah Bach ist Pfarrerin der Evangelisch- methodistischen Kirche in Schwarzenburg und setzt sich intensiv mit Fragen zu Glauben und Klima auseinander. Ein Gespräch über Spaziergänge als Gebet, den Gewinn im Verzicht sowie Sünde und Hoffnung. Von Olivier Schmid Sarah Bach, was haben Glaube und Klimaschutz miteinander zu tun? Wenn wir in unserem Leben mit Gott und Jesus unterwegs sind, wirkt sich das nicht nur auf uns aus, sondern auch auf alle unsere Beziehungen, also auch mit der Welt. Jeder Mensch hat von Gott den Auftrag, Liebe, Gerechtigkeit und Fürsorge in die Welt zu bringen. Der Klimawandel aber fördert Ungerechtigkeit, verschlimmert Kriege und treibt Menschen in die Flucht. Als Christinnen und Chris­ ten können wir nicht sagen, das habe nichts mit uns zu tun. Was ist aus theologischer Sicht denn schiefge­ laufen, dass ein Klimakollaps Realität werden könnte? Ein grosses Problem ist der anthropozentrische Blick auf die Welt. Wir gehen davon aus, die Welt sei für die Menschen geschaffen und wir seien die Krone der Schöpfung – und glauben darum, mit der Natur machen zu dürfen, was wir wollen. Zu­ dem hat man das Natürliche immer als etwas Ne­ gatives angesehen, im Gegensatz zu Verstand und Spiritualität, die uns zu Gott erheben und von der Natur erlösen würden. Gott gab den Menschen den Auftrag, sich die Erde untertan zu machen. Inwiefern haben wir dieses Gebot falsch interpretiert? Dieses Gebot ist eingebunden an den Zuspruch von Gott an uns Menschen, dass wir nach seinem Bild geschaffen sind. Das heisst für mich, nach seinem Vorbild zu leben und mit der Schöpfung so umzugehen, wie Gott mit ihr umgeht. Es ist ein liebevoller und lebensbejahender Umgang. Gott schafft Leben. Wir aber zerstören Leben. Dabei wären wir dafür verantwortlich, die Schöpfung zu bewahren. Wie kann denn der Glaube die Menschen moti­ vieren, diese Verantwortung wahrzunehmen? Wir sollten uns daran erinnern, dass es unser Auftrag als Christinnen und Christen ist, Liebe und Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Gott hat uns Liebe geschenkt, damit wir sie weitergeben. Seine Liebe ist viel zu gross, als dass wir sie für uns be­ halten können, irgendwann schwappt sie über. Wie können wir die Erde wieder betrachten als etwas, das uns geschenkt wurde, und nicht als etwas, das uns gehört? Wir Christinnen und Chris­ ten können den Menschen helfen, die Wertschät­ zung für die Schöpfung wieder zu stärken. Wir sind nicht getrennt von ihr, sondern ein Teil von ihr. Es ist unglaublich wichtig, dass wir eine neue Beziehung zur Schöpfung aufbauen. Dann kann auch ein Spaziergang in der Natur zu einem Gebet werden, indem man realisiert: Ich laufe durch ein Geschenk Gottes, unter Bäumen, dank denen ich atmen kann, mit Lebewesen, die das Ökosystem im Gleichgewicht halten, so dass ich essen kann ... Je mehr wir über die Welt wissen, desto mehr haben wir eine Beziehung zu ihr. Wie aber kann der Glaube helfen, wenn man an- gesichts der absehbaren Katastrophe in Lethargie oder Fatalismus verfällt? Wenn du merkst, dass die Rationalität der Hoff­ nung widerspricht, dass wir es schaffen werden, wenn dir bewusst wird, dass wir bereits grosse Teile dieser Welt zerstört haben und verlieren wer­ den, hilft es, zu glauben, dass es auch dann Hoff­ nung gibt, wenn die Menschen keine mehr haben.

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