ENSEMBLE Nr. / N° 49 - Juni / Juin 2020

26 Fokus —– ENSEMBLE 2020/49 A R M E E S E E L S O R G E I N C O R O N A - Z E I T E N Zeit für die Menschen Johannes Zimmermann (52) ist nicht nur Pfarrer in der Kirchgemeinde Grindelwald, sondern seit zwanzig Jahren auch Armeeseel- sorger. Der Dienstalltag während der Corona- krise stellt ihn vor neue Herausforderungen. Von Daria Lehmann Herr Zimmermann, Sie sind seit dem Jahr 2000 als Armeeseelsorger im Dienst. Wie kam es dazu? Ehrlich gesagt bin ich da eher «reingerutscht» – ähnlich wie in meinen Beruf als Pfarrer. Der Ge­ danke, dass ich Armeeseelsorger werden könnte, kam mir zwar schon relativ früh, vielleicht weil bereits mein Grossvater und mein Onkel Armee­ seelsorger waren. Aber worum es in diesem Dienst eigentlich geht, habe ich erst während meiner Einsätze so richtig verstanden. Und, worum geht es in der Armeeseelsorge? Es geht darum, für die Menschen da zu sein und das Leben mit ihnen zu teilen. Das klingt viel­ leicht banal, aber gerade in einer Situation, wie wir sie jetzt während der Coronakrise haben, merken viele wieder, wie wichtig das eigentlich ist. Wir Armeeseelsorger gehören im Militär, zu­ sammen mit den Angehörigen des psychologisch- pädagogischen Dienstes und des Sozialdienstes der Armee, zu den Personen, die sich Zeit nehmen dürfen – wir können in aller Ruhe auf die Anliegen der Armeeangehörigen eingehen. Speziell berei­ chernd finde ich dabei die diversen Begegnungen mit jungen Erwachsenen, zu denen ich im Pfarr­ amt eher beschränkt Zugang habe. In Uniform werde ich von ihnen oft unbefangener angespro­ chen als in meiner Rolle als Gemeindepfarrer. Mit welchen Anliegen kommen Armeeangehörige normalerweise zu Ihnen? Jeder Mensch ist anders. So ist auch jedes An­ liegen anders. Genau das ist das Spannende an der Armeeseelsorge: Kein Tag gleicht dem anderen und jeder Tag bringt neue Begegnungen mit sich. Aber um noch etwas konkreter zu werden: Oft geht es darum, gerade bei jungen Menschen, dass sie sich im Militär in einer völlig neuen Situation zurechtfinden müssen. Sie sind in ihrer Privatsphä­ re eingeschränkt und mit einem strikten Regel­ werk konfrontiert. Das wirft bei vielen existenziel­ le Fragen auf. In solchen Momenten kann ein persönliches Gespräch helfen und neue Perspek­ tiven aufzeigen. Sind persönliche Gespräche in Zeiten von Corona überhaupt noch möglich? Ja, persönliche Treffen können unter Einhal­ tung des Social Distancing stattfinden. Ich bin für alle Armeeangehörigen, für die ich zuständig bin, telefonisch erreichbar. Sie können mich unabhän­ gig vom Dienstweg jederzeit direkt kontaktieren. Haben sich Ihre Aufgaben seit Ausbruch der Coro- napandemie verändert? Ja und nein. Einerseits ist vieles gleich geblie­ ben – die Menschen sind ja noch die gleichen. Andererseits haben sich die Anliegen akzentuiert. Für viele Armeeangehörige war die plötzliche Mo­ bilisierung – teils ohne die Chance, sich von den Liebsten zu verabschieden – sehr herausfordernd. Auch für mich gibt es neue Herausforderungen. Denn auch wir Armeeseelsorger können isolierte Corona-Patienten nicht besuchen. Und telefoni­ sche Gespräche sind nun mal nicht das Gleiche wie persönliche. Wo sehen Sie die Chancen der Coronakrise? Die Coronapandemie ist für die Armeeseelsor­ ge als Teil des seelsorglich-psychosozialen Netz­ werks der Armee eine Bewährungsprobe und Chance zugleich. Das «Du» wird vor das «Ich» gerückt. Rücksichtnahme wird zur schlichten Not­ wendigkeit. Ich hoffe, dass uns die Krise zusam­ menschweisst und wir gestärkt aus ihr heraus­ kommen können. Armeeseelsorger Johannes Zimmer- mann ist seit Ausbruch der Coronapandemie praktisch im Dauereinsatz. L’aumônier de l’armée Johannes Zimmermann a été pratiquement en service continu depuis le début de la pandémie. ©zVg

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=