ENSEMBLE Nr. / N° 36 - März / Mars 2019

4 Dossier —– ENSEMBLE 2019/36 UNRUHE IM GETRIEBE KARL BARTH UN VISIONNAIRE ENGAGÉ KARL BARTH 2019 ist internationales Karl-Barth-Jahr. In Deutschland und der Schweiz, aber auch in anderen europäischen Ländern und in den USA finden verschiedene Anlässe statt. Dazu werden zahlreiche neue Bücher über Leben und Werk Karl Barths veröffent- licht. Warum diese Aufmerksamkeit? Und warum gerade in diesem Jahr? Von Matthias Zeindler* Vor hundert Jahren erschien von einem jungen Pfarrer im aargauischen Safenwil ein Buch, das Kirche und Theologie erschüttern sollte: der «Römerbrief» von Karl Barth. In einer heftigen Sprache hämmerte der Autor seine Botschaft fest: Gott ist der «ganz Andere»! Dieser harte Ton hatte seinen Grund in der Ka­ tastrophe des Ersten Weltkriegs. Angesichts dieses Jahrhundertdesasters war Barth nicht der einzige, der das Gefühl hatte, dass die Grundlagen, die bisher Gesellschaft, Kultur und Kirche getragen hatten, in den Schützengräben und Kanonendon­ nern zerbrochen waren. Der Optimismus, dass der menschliche Fortschritt mit Gottes Hilfe die Welt einer besseren Zukunft entgegentrage, war kra­ chend gegen die Wand gefahren. Was war so neu an Barths Auslegung des Rö­ merbriefs des Paulus? Es war die Erfahrung, dass Gottes Wille sich nicht einfach deckt mit mensch­ lichen Projekten, und seien sie noch so wohl­ tönend und gut gemeint. Die Einsicht, dass Gott nicht bloss die Antwort auf unsere Fragen ist, sondern dass zuerst wir die von Gott Gefragten sind. Aber auch die Entdeckung, dass hinter dem grossen «Nein» Gottes ein noch grösseres göttli­ ches «Ja» zu Mensch und Schöpfung steht. Dieser Trompetenstoss des jungen Schweizer Theologen war der eigentliche Beginn der Theologie des 20. Jahrhunderts. Ein wachsamer Christ In den folgenden Jahrzehnten wurde Karl Barth zu einer dominierenden Figur in Theologie und Kirche. Kurz nach Erscheinen des «Römerbriefs» wurde er als Professor für reformierte Theologie nach Göttingen berufen. Später wechselte er nach Münster und Bonn. Barth war aber alles andere als ein Akademiker im Elfenbeinturm. Er verstand sich immer auch als Christ, der Verantwortung trägt für seine Gesellschaft. Kein Wunder, geriet er damit in den 30er-Jahren in Konflikt mit dem Nationalsozialismus. Das Hitler-Regime versuchte seit seinem Amts­ antritt 1933 die Kirche seinen Grundsätzen gleich­ zuschalten. Ein Teil der deutschen Kirchen ver­ weigerte sich diesem Ansinnen. An einer Synode * Leiter Theologie Gemeinsame Arbeit mit Eduard Thurneysen, 1920. Collaboration avec Eduard Thurneysen, 1920. ©Karl Barth-Archiv, Basel

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