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Dossier —– ENSEMBLE 2016/6

Menschen suchen in ihrer letzten Lebens-

phase nach «Lebenssinn, Lebensdeutung und

Lebensvergewisserung». Die kirchliche

Seelsorge verfügt über eine lange Tradition

und Erfahrung in der Begleitung von Be-

troffenen. Sie wendet sich uneingeschränkt

deren Fragen und Anliegen zu.

Von Pascal Mösli*

«Sie sind wichtig, weil Sie eben sind. Sie sind bis

zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig, und

wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frie-

den sterben, sondern auch bis zuletzt leben kön-

nen.» Dieses Zitat stammt von Dame Cicely Saun-

ders, einer englischen Ärztin, Sozialarbeiterin und

Krankenschwester. Sie gründete 1967 das erste

moderne Hospiz in London und war weltweit eine

der Pionierinnen von Palliative Care. Sie bestand

darauf, dass alle sterbenden Menschen Würde,

Mitgefühl und Respekt verdienen – und dass sie

zugleich mit den modernen wissenschaftlichen

Methoden der Medizin, insbesondere der Schmerz-

medikation, versorgt werden.

Zwei Erkenntnisse von Cicely Saunders sind –

auch aus kirchlicher Sicht – bis heute wegweisend:

−− Sie nahm wahr, wie Sterbende auf vier Ebenen,

die sich gegenseitig beeinflussen, leiden kön-

nen: körperlich, psychisch, sozial und spirituell.

Die Weltgesundheitsorganisation definierte

Palliative Care im Anschluss an diese Wahrneh-

mung als «Vorbeugung und Linderung von Lei-

den durch frühzeitiges Erkennen, adäquate

Einschätzung und Behandlung von Schmerzen

sowie anderen belastenden Beschwerden kör-

perlicher, psychischer, sozialer und spiritueller

Art».

−− Gerade als Christin war für sie zentral, dass die

Begleitung von Sterbenden eine Aufgabe der

ganzen Gesellschaft ist, und nicht nur eine Auf-

gabe von (medizinischen) Experten.

Zu Hause sterben

Die meisten Menschen in der Schweiz möchten zu

Hause sterben – für nur etwa einen Drittel ist dies

derzeit allerdings möglich. Die nationale Strategie

des Bundes versucht, die Versorgung schweizweit

so zu verbessern, dass dies immer mehr Menschen

möglich wird. Dabei soll die palliative Betreuung

zu Hause neben der Spitex künftig auch von so-

genannten «mobilen Teams» angeboten werden.

Diese bestehen aus verschiedenen Fachkräften,

die den Hausarzt oder die Spitex unterstützen. Der

Zustand und die Bedürfnisse der Patientin oder

des Patienten sowie die Ressourcen der Angehö-

rigen entscheiden über die Betreuungsform:

−− zu Hause unter Einbezug von Angehörigen und

Fachleuten oder freiwilligen Begleitenden;

−− im Spital auf einer medizinischen oder festen

Palliativ-Abteilung;

−− in einem Hospiz oder in einem Pflegeheim mit

mobilem Palliative-Care-Team.

In den sechs Spitalregionen des Kantons Bern sind

in den letzten Jahren Netzwerke von Professionel-

len und Freiwilligen entstanden, um die Zusam-

menarbeit der verschiedenen Anbieter und damit

die Versorgung in den verschiedenen Regionen

zu verbessern. In diesen Netzwerken sind die re-

formierte und die katholische Kirche vertreten,

um die wichtige Dimension der spirituellen Be-

gleitung mit abzudecken.

Seelsorge am Lebensende

Cicely Saunders’ Blick auf die spirituellen Bedürf-

nisse sterbender Menschen erscheint auch in den

nationalen Leitlinien für Palliativpflege des

Schweizerischen Bundesamts für Gesundheit, wel-

LEBEN

BIS ZULETZT

PALLIATIVE CARE

VIVRE

JUSQU’AU DERNIER MOMENT

SOINS PALLIATIFS