ENSEMBLE Nr. / N° 30 - Juli / Juillet 2018

4 Dossier —– ENSEMBLE 2018/30 Die meisten Menschen in der Schweiz möchten zuhause sterben. Doch zwei Drittel sterben im Alters- und Pflegeheim oder im Spital. Dies unter anderem deshalb, weil es viele Beziehungsnetze braucht, um Menschen zu unterstützen, zuhause sterben zu können. Kirchgemeinden können ein solches wichtiges Netz sein! Von Pascal Mösli* Palliative Care ist die berufsübergreifende Beglei­ tung und Behandlung von Menschen mit unheil­ baren Krankheiten und beim Sterben. Palliative Care ist bekannt bei Krebserkrankung und bei alten Menschen, sie kommt aber auch bei allen übrigen lebensbegrenzenden Krankheiten zum Zug und sie wird allen Betroffenen – auch Kindern – angeboten. Dabei werden neben den kranken Menschen auch ihre An- und Zugehörigen unter­ stützt. In der Schweiz wird Palliative Care vor allem von Fachleuten angeboten. Freiwillige leisten je nach Region zusätzlich einen wichtigen Beitrag. Im südindischen Bundesstaat Kerala ist es gerade umgekehrt. Dort wird Palliative Care vor allem von Freiwilligen getragen. Es ist ein nachbar­ schaftliches Netzwerk von über 7000 Freiwilligen entstanden, die sich um die sterbenden Menschen kümmern. Die Freiwilligen verantworten die Be­ gleitung und ziehen die Fachpersonen bei Bedarf bei. Dr. Suresh Kumar ist als Arzt involviert und er sagt dazu: «Ganzheitliche Palliative Care zielt auf Lösungen, welche die sozioökonomische, kulturell-religiöse und medizinische Dimension des Menschseins berücksichtigen. Das Überge­ wicht der Medizin kann nur dadurch ausgeglichen werden, dass die Bürgerinnen und Bürger selber Mitverantwortung übernehmen.» Um diese Mit­ verantwortung aller Menschen für das Sterben in der Gemeinschaft geht es seit ihren Anfängen auch den Kirchen. Kirchgemeinde als sorgende Gemeinschaft Während eines Besuches bei einem Pfarrer in einer kleinen Berner Landgemeinde erhält dieser einen Anruf. Eine alte Frau möchte ihn treffen, damit er für sie beten kann. Sie ist mit ihrem schwerkran­ ken Mann kürzlich weggezogen, an den Ort, wo ihre Töchter wohnen, damit diese sie besser be­ treuen können. Ihr Haus haben sie noch behalten. Es ist für sie ganz schwierig, dass sie wegziehen mussten. Der Pfarrer hat sie am neuen Ort besucht, wie auch andere Mitglieder der Kirchgemeinde. Diesen Bezug weiterhin zu spüren ist ihr ganz wichtig – menschlich und geistlich. Eine kleine Landgemeinde – ein grosser Beitrag für die Frau und ihren schwerkranken Mann. Das ist alltäg­ liche, kirchliche Palliative Care, worin das Netz der Kirchgemeinde trägt. Die Sorge um das Sterben und die gegenseitige Achtsamkeit gehört von Anfang an zum Kennzei­ chen der christlichen Gemeinde. Das ist in Apostel­ geschichte 2 nachzulesen. Darum ist die Stärkung von fürsorglichen Beziehungen eine zentrale Auf­ gabe der Kirchgemeinde, gerade auch für kranke und sterbende Menschen. Kirchgemeinde-Mix Palliative Care Es sei nochmals betont: Palliative Care ist für die Kirchen nichts Neues! Neu aber ist die Notwendig­ keit, das kirchliche Angebot Menschen bekannt zu machen, die mit der Kirche nicht vertraut sind. Neu ist die Notwendigkeit, sich aktiv mit den Part­ nern der Palliative Care zu vernetzen und verbind­ lich zusammenzuarbeiten. Und neu ist auch die Herausforderung, dass sich die Kirchgemeinde zuständig fühlt für das Sterben in ihrer Mitte, dass sie sich darum kümmert, wie Menschen in ihrer Mitte sterben möchten. Damit die Kirchgemeinden ein Netz für Ster­ bende zuhause sein können, braucht es ein Zu­ WHO CARES? STERBEBEGLEITUNG QUI S’EN OCCUPE? ACCOMPAGNEMENT EN FIN DE VIE * Verantwortlicher Spezialseelsorge und Palliative Care

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